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Autor Thema: Netzentgelte: Kreative Buchführung  (Gelesen 5234 mal)

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Offline Wolfgang_AW

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Netzentgelte: Kreative Buchführung
« am: 05. November 2015, 14:24:58 »
Energieunternehmen haben den Kunden jahrelang zu hohe Gebühren für die Netze berechnet

Zitat
Das berichtet das Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL unter Berufung auf Dokumente der Bundesnetzagentur in Bonn. Danach hat die Behörde vor einigen Monaten bereits die Netzentgelte der Gasbranche unter die Lupe genommen und dabei eindeutige Hinweise auf Bilanztricksereien gefunden. So hätten die Unternehmen Kosten und "Fremdkapital verschoben", um ihren Kunden höhere Netzentgelte berechnen zu können.

Das Magazin "DER SPIEGEL" schreibt in seiner Printausgabe 45/2015 auf Seite 79 <Kreative Buchführung>

Zitat
Als Gegenleistung erhalten sie [die Versorger] die zum Betrieb des Netzes notwendigen Kosten erstattet — plus einen prozentualen Gewinnaufschlag auf das von ihnen eingesetzte Eigenkapital. Je höher die Eigenkapitalquote, desto höher der Aufschlag.

Diese Vorschrift nutzen die Unternehmen offenbar aus. So schoben die Manager Kredite und Kosten in den Bilanzen so lange hin und her, bis die Netzgesellschaften Eigenkapitalquoten von bis zu 40 Prozent ausweisen konnten. Das ist weit mehr, als in der deutschen Industrie üblich, und für ein weitgehend risikoloses Geschäft wie den Netzbetrieb unangemessen.
...
Die Manager der Energieversorger wollen von alldem nichts wissen. Ihre Zahlen, heißt es dort, seien korrekt.
...
Als Konsequenz aus ihrer Analyse [der Bundesnetzagentur] wollte die zuständige Beschlusskammer die Genehmigungspraxis für Gasnetzentgelte eigentlich zum 31. Dezember ändern. Dann hätten die Netzbetreiber nur noch deutlich niedrigere, nämlich die für das Gesamtunternehmen geltende Eigenkapitalquoten berechnen dürfen.
...
Doch die Behördenleitung traute sich nicht, den Kampf gegen die Netzbetreiber aufzunehmen. Sie stellte das Verfahren ein. Begründung: "Zu hohes Prozessrisiko".

Steigende Netzentgelte belasten Haushalte

Zitat
Unser Fazit: Die Kostensteigerungen sind Preistreiberei auf Kosten der Verbraucher. Die Netz-Unternehmen profitieren von staatlich genehmigten Traumrenditen. Die Netzbetreiber garantieren von einer gesetzlich garantierte Eigenkapitalrendite von über neun Prozent (!).  Allein diese müsste schon deutlich gekürzt werden.

In der Praxis verdienen die Netzunternehmen aber noch viel mehr Geld: Viele Betreiber erzielen aufgrund der unzureichenden Behördenaufsicht sogar Renditen von über 20 Prozent.

Ganz klar: Wir brauchen endlich Transparenz bei den Netzkosten und schärfere Kontrollen durch die Bundesnetzagentur. Nur so können alle Energiekunden – auch unserer LichtBlick-Kunden – endlich von zu hohen Netzkosten entlastet werden.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang_AW
« Letzte Änderung: 05. November 2015, 14:32:59 von Wolfgang_AW »
„Es hat sich bewährt, an das Gute im Menschen zu glauben, aber sich auf das Schlechte zu verlassen.“

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Offline userD0010

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Re: Netzentgelte: Kreative Buchführung
« Antwort #1 am: 05. November 2015, 15:30:21 »
@Wolfgang_AW
Die goldige Idee aus Brüssel, die Netze von der Stromproduktion wirtschaftlich zu trennen, war leider -wie fast alles- nicht zu Ende gedacht. Und daraus haben dann die EVU über ihre Netz-"Töchter" den großen Reibach entwickelt.
Und sie finden in unserem hochqualifizierten Erzengel Gabriel auch noch einen gewichtigen Unterstützer, denn an den Netzentgelten darf nun auch wegen der ""vorzeitigen"" Stilllegung von Kraftwerken kräftigst geschraubt werden.

Und so lässt sich das Zahlenspielchen fröhlich in die richtige Richtung bewegen!

So also entwickelte sich die "Bundesnetzagentur" vom gedachten Tiger zu einem wohligen Bettvorleger, dem jegliches Prozeßrisiko zu groß war.   

All deren "eifrige" Bemühungen also für die Katz ?
« Letzte Änderung: 08. November 2015, 14:48:51 von h.terbeck »

Offline Wolfgang_AW

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Re: Netzentgelte: Kreative Buchführung
« Antwort #2 am: 06. November 2015, 17:07:55 »

Das Magazin "DER SPIEGEL" schreibt in seiner Printausgabe 45/2015 auf Seite 79 <Kreative Buchführung>

Zitat
Als Konsequenz aus ihrer Analyse [der Bundesnetzagentur] wollte die zuständige Beschlusskammer die Genehmigungspraxis für Gasnetzentgelte eigentlich zum 31. Dezember ändern. Dann hätten die Netzbetreiber nur noch deutlich niedrigere, nämlich die für das Gesamtunternehmen geltende Eigenkapitalquoten berechnen dürfen.
...
Doch die Behördenleitung traute sich nicht, den Kampf gegen die Netzbetreiber aufzunehmen. Sie stellte das Verfahren ein. Begründung: "Zu hohes Prozessrisiko".

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang_AW

Was mich, falls die Begründung zur Verfahrenseinstellung stimmt, am meisten stört ist, dass ein Bundesunternehmen, welches ausdrücklich zur Überprüfung/Genehmigung der Netzentgelte verpflichtet ist, trotz erkennbarer Überteuerungen das Verfahren wegen eines Prozessrisikos einstellt.

Was bitte schön sollen denn dann die Überprüfungen? Dann wurden bereits diese Gelder zum Fenster rausgeworfen.
Außer die BNetzA hätte viel Wind um nichts gemacht und stiehlt sich nun, neben der Politik, aus der Verantwortung.

Wie durch h.terbeck angedeutet wurde, wer als Tiger springen will, sollte sich vorher überlegen in welcher Form er dann zu landen gewillt ist.
Oder aber das Ganze hat ein sogenanntes Geschmäckle, da mal wieder "Jemand" von höherer Stelle eine Vollbremsung angeordnet hat.

Eine gerichtliche Überprüfung bleibt damit wieder beim Verbraucher hängen, was dieser allerdings schon fast gewohnt ist.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang_AW
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(Alfred Polgar)

Offline Wolfgang_AW

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Re: Netzentgelte: Kreative Buchführung
« Antwort #3 am: 06. November 2015, 17:30:08 »
Siehe zur gerichtlichen Überprüfung auch:

BGH, Urt. v. 15.05.12 EnZR 105/10 Stromnetznutzungsentgelt


Falschbilanzierung verhindert Prüfung der Netzentgelte

Zitat
Die Zuordnung von Kostenpositionen von Netzbetrieb und Energieverkauf erfüllt nicht die Anforderungen an eine ordnungsmäßige Buchführung und ist von der Bundesnetzagentur daher nicht überprüfbar. Das haben Insider aufgedeckt. Diese seit Jahren praktizierte Falschbilanzierung dürfte nicht unerhebliche Folgen für die Netzentgelte und damit den gesamten Energiepreis haben!
...
Verstoß gegen HGB wird ignoriert Die hier kritisierte Bilanzierungsmethode basiert auf einem vom Institut der Wirtschaftsprüfer veröffentlichten Standard (IDW RS ÖFA 2). Sie wird von Abschlussprüfern akzeptiert, obwohl sie einen klaren Vertoß gegen handelsrechtliche Rechnungslegungsvorschriften darstellt.
Wir fragen uns, auf welcher Basis die Bundesnetzagentur die Netzentgelte überprüfen kann, wenn die Tätigkeitsabschlüsse fiktive und nicht prüfbare Positionen enthalten und dennoch nicht beanstandet werden. Die BNetzA beruft sich in einem Schreiben an den Bund der Energieverbraucher für ihre Arbeit auf den hier kritisierten IDW RS ÖFA 2. Das stimmt bedenklich, denn für die BNetzA müssen einzig und allein die gesetzlichen Vorschriften und nicht die Auffassung eines Berufsverbandes maßgeblich sein!

Konsequenzen?

Es drängt sich der Verdacht auf, dass die BNetzA die ihr obliegende Aufsicht über die Vorschriften zur Entflechtung (EnWG § 6 nach § 54 Abs. 1 Nr. 4) verweigert oder zumindest nicht sachgerecht ausführt. Der Bund der Energieverbraucher e.V. prüft derzeit, wie die BNetzA zur Erfüllung der ihr vom Gesetz übertragenen Aufgaben angehalten werden kann.
Hervorh. durch Wolfgang_AW

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang_AW
« Letzte Änderung: 06. November 2015, 17:42:47 von Wolfgang_AW »
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Offline userD0010

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Re: Netzentgelte: Kreative Buchführung
« Antwort #4 am: 07. November 2015, 08:02:14 »
@Wolfgang_AW
Zitat:
Oder aber das Ganze hat ein sogenanntes Geschmäckle, da mal wieder "Jemand" von höherer Stelle eine Vollbremsung angeordnet hat. Zitat Ende

Ein derartiges "Geschmäckle" lassen wir Bürgerinnen und Bürger doch derzeit ständig auf der Zunge zergehen, ohne dass es die notwendige Übelkeit hervorruft.

Dieser "Verein" ist wie so manch andere sog. Bundesagentur so unnötig wie ein Kropf und kostet nur Geld bzw. bietet warme Büros.

Aber dem ganzen "Geschmäckle" setzt doch unsere verehrte Frau Bundeskanzlerin ein Krönchen auf mit ihrer Aussage über die Forderungsansprüche der RWE i.S. Biblis .
Sie als sog. Bund hat doch mit den Regressansprüchen der EVU nichts zu tun, hat doch anscheinend nur laut gedacht und ihre Landesfürsten/-vasallen haben -übereifrig wie immer- die nun kostenpflichtige Entscheidung getroffen.

Und es bleibt zu befürchten, dass die paar Milliarden über den Strompreis aufgefangen werden (müssen), damit in Berlin auch weiterhin die SCHWARZEN NULLEN regieren können.

Offline Wolfgang_AW

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Re: Netzentgelte: Kreative Buchführung
« Antwort #5 am: 08. November 2015, 13:53:02 »

Falschbilanzierung verhindert Prüfung der Netzentgelte

Zitat

Konsequenzen?

Es drängt sich der Verdacht auf, dass die BNetzA die ihr obliegende Aufsicht über die Vorschriften zur Entflechtung (EnWG § 6 nach § 54 Abs. 1 Nr. 4) verweigert oder zumindest nicht sachgerecht ausführt. Der Bund der Energieverbraucher e.V. prüft derzeit, wie die BNetzA zur Erfüllung der ihr vom Gesetz übertragenen Aufgaben angehalten werden kann.
Hervorh. durch Wolfgang_AW

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang_AW

Interessant wäre nun zu wissen, was denn die Prüfung des Bundes der Energieverbraucher ergeben hat?

Und wie die BNetzA angehalten werden könnte, nicht wie ein Pferd zu scheuen, wenn sie eine höhere Hürde auf sich zukommen sieht?

Wobei das Anhalten der BNetzA m.E. die Fähigkeiten des BdE bei weitem übersteigen würde.

Meine Meinung gründet beispielhaft auf dem Kraftfahrt-Bundesamt, welches in Sachen VW-Skandal nach dem Prinzip der drei Affen handelte.
Oder anders ausgedrückt, die Überprüfung der eh schon wachsweichen politischen Vorgaben noch wachsweicher durchführte und dabei offensichtliche Tatsachen einfach ignorierte.

In unserer industriefreundlichen Politik ist es anscheinend systemimmanent, dass politisch installierte Aufsichtsbehörden sich im Zweifelsfall bei der Großindustrie eher nachsichtig geben, um nicht anzuecken und im vorauseilenden Gehorsam die gewünschten Ergebnisse präsentieren oder hofieren.

Solch ein Verhalten scheint politisch gewollt oder wird zumindest politisch toleriert.

Hier ein paar weitere, verkürzte Beispiele:

Bundesamt für Risikoforschung in Sachen Glyphosat/Bayer
Kraftfahrt-Bundesamt in Sachen Auto-Abgase/VW evtl Weitere
Bankenaufsicht BAFin in Sachen Finanzkrise/Deutsche Bank und Andere


Völlig vergessen wird dabei, dass diese Art des Tigersprungs und der Bettvorlegerlandung zur Ignoranz des staatlichen Gewaltmonopols beiträgt und die politische Einflussnahme immer weiter erodieren läßt und stattdessen in die Hände mächtiger Konzerne legt, was ja in vielen Fällen durch Lobbyismus/sogenannte Selbstkontrollen bereits reichlich geschieht.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang_AW



« Letzte Änderung: 09. November 2015, 11:00:20 von Wolfgang_AW »
„Es hat sich bewährt, an das Gute im Menschen zu glauben, aber sich auf das Schlechte zu verlassen.“

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