Wie EWE sich der Pflicht entzieht, sinkende Bezugskosten bei Strom und Gas an die Kunden weiter zu geben
450.000 Änderungskündigungen bei Strom- und Gasverträgen hat EWE zum Ende letzten Jahres ausgesprochen. Betroffen waren alle sogenannten „Sonderkunden“ in den Tarifen Classic, Trio und Online. Anlass oder richtiger Vorwand war eine überfällige Änderung der AGB. Als letzter großer Versorger hat EWE die eigenen AGB an die Rechtsprechung von EuGH und BGH angepasst, insbesondere die Preisänderungsklausel. Da steht jetzt mit der geforderten Transparenz drin, wie sich Strom- und Gaspreis zusammensetzen (aus Beschaffungs- und Vertriebskosten, Steuern und Abgaben sowie aus Netzentgelten), dass EWE „ausschließlich“ gestiegene Kosten weiter geben darf und umgekehrt „verpflichtet“ ist, Kostensenkungen genauso weiter zu geben und dass mindestens einmal im Jahr eine Überprüfung stattfindet. Soweit so gut.
Entsprechend müsste EWE jetzt eigentlich die im Jahr 2014 stark gesunkenen Bezugspreise bei Strom und vor allem bei Gas an die Kunden weiter geben. Möchte sie aber nicht. Und nun kommt der Coup mit den 450.000 Änderungskündigungen ins Spiel! Allen „Sonderkunden“ sind die alten Verträge ja zum 31.12.2014 gekündigt und „neue“ Verträge aufs Auge gedrückt worden. Die Preise darin sind zwar der Höhe nach die alten – es wurden ja nur die AGB verändert -, aber es sind per Neuvertrag ab 1.1.2015 nun „neu vereinbarte Preise“. Die werden erst wieder in einem Jahr überprüft und weiter gegeben werden müssen dann nur Kostensenkungen, die 2015 eintreten. Alles, was vor 2015 war, zählt nicht mehr. An Kostensenkungen wird es 2015, nachdem der Strompreis an der Leipziger Börse 2014 bereits auf 3 Cent gefallen ist und der Ölpreis sich sogar mehr als halbiert hat, nicht mehr viel geben. Über kurz oder lang wird sich vor allem der Öl- und dann auch der Gaspreis eher wieder erholen. Solche Kostensteigerungen darf EWE ab 2016 dann weiter geben, um die Weitergabe der drastischen Kostensenkungen aus 2014 hat sie sich mit ihren 450.000 Änderungskündigungen jedoch gedrückt.
„Bis auf weiteres“, so hat EWE in den letzten Tagen erklärt, will sie an ihren Preisen festhalten. Auf die erwarteten und geforderten Preissenkungen verzichten muss aber „nur“ die Stammkundschaft im EWE-Versorgungsgebiet Ems-Weser-Elbe. Außerhalb bietet EWE insbesondere Gas sehr viel günstiger an. In Bielefeld für 4,76 Cent je kWh, in Göttingen für 4,28 Cent und im Raum Aschaffenburg für nur 3,89 Cent. Das sind 15% bis 40% weniger als im EWE-Stammgebiet. Hier zahlen wir je nach Tarif 5,57 bis 6,50 Cent. Nur der Stammkunde bei uns ist also der Dumme.
Die Verbraucher können ihren Strom- und Gaspreis durch Anbieterwechsel allerdings selbst senken, bei seriösen Anbietern um 20% bis 30%. Der Verein Bezahlbare Energie bietet im Internet auf
www.bezahlbare-energie.de eine kostenlose „Wechselhilfe“, über die das günstigste seriöse Angebot für den eigenen Verbrauch erfragt werden kann.
Bleibt noch anzumerken, dass EWE die 450.000 Änderungskündigungen gar nicht im Wege einer „außerordentlichen Kündigung“ hätte aussprechen dürfen. Außerordentliche Kündigungen sind Versorgern nur bei Gefahr im Verzug gestattet und wenn Kunden sich einer gravierenden Vertragsverletzung schuldig machen, etwa nicht bezahlen. Solange das nicht der Fall ist, darf nur „ordentlich“, zum regulären Ablauf eines Vertrages, gekündigt werden. Für eine AGB-Änderung auf eigenen Wunsch stand EWE kein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Aber darauf kam es EWE hier anscheinend nicht mehr an. Der unlautere Zweck, Hunderttausende um anstehende Preissenkungen zu bringen, heiligte hier die Mittel.