@uwes
Was war zuerst da Henne oder Ei?
Mag schon sein, dass langjährige Bestandskunden in der Grundversorgung aus ihrer derzeit eher kommoden Situation heraus, auf die Idee verfallen können,
dass sie selbst derzeit auf keine Preisanpassungspflicht des Versorgers angewiesen seien.
Um diese Kunden (in besonderer Situation) geht es aber bei der gesetzlichen Regelung nicht, sondern um
alle besonders schutzbedürftige Kunden, denen eine Versorgung zu
angemessenen Preisen
gewährleistet sein muss.
Ihr Ansatz ist nicht vorher, sondern betrifft allenfalls eine
Zwischenzeit, in welcher ein Grundversorgungsverhältnis bereits begründet wurde,
der Versorger nicht zu einseitigen Preisänderungen im laufenden Versorgungsverhältnis berechtigt sein soll und sich deshalb aber auch noch nicht in berechtigter Weise auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit berufen und das Versorgungsverhältnis deshalb durch rechtmäßige ordentliche Kündigung beendet hat.
Damit greift er zu kurz, wenn er den besonders schutzbedürftigen Kunden in Gegenwart und Zukunft keine Versorgung zu angemessenen Preisen gewährleistet.
Im Einzelnen:
Als erstes bestand die gesetzliche Versorgungspflicht verbunden mit einer gesetzlichen Preisbestimmungspflicht des Versorgers.
§ 6 Abs. 1 und 2 EnWG 1935
Versorgt ein Energieversorgungsunternehmen ein bestimmtes Gebiet, so ist es verpflichtet, allgemeine Bedingungen und allgemeine Tarifpreise öffentlich
bekanntzugeben und zu diesen Bedingungen und Tarifpreisen jedermann an sein Versorgungsnetz anzuschließen und zu versorgen (allgemeine Anschluß- und
Versorgungspflicht).
Die allgemeine Anschluß- und Versorgungspflicht besteht nicht:
1. wenn der Anschluß oder die Versorgung dem Versorgungsunternehmen aus
wirtschaftlichen Gründen, die auch in der Person des Anschlußnehmers liegen
können, nicht zugemutet werden kann,
2. wenn der Anschlußnehmer die Mitteilung nach § 5 Abs. 2 unterlassen hat,
es sei denn, daß die Mitteilung ohne sein Verschulden unterblieben oder seit
Errichtung oder Erweiterung der Energieerzeugungsanlage ein Zeitraum von zehn
Jahren verstrichen ist.
§ 10 Abs. 1 EnWG 1998
Energieversorgungsunternehmen haben für Gemeindegebiete, in denen sie die allgemeine
Versorgung von Letztverbrauchern durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine
Tarife für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekanntzugeben und
zu diesen Bedingungen und Tarifen jedermann an ihr Versorgungsnetz anzuschließen und zu
versorgen. Diese Pflicht besteht nicht, wenn der Anschluß oder die Versorgung für das
Energieversorgungsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.
Unterschiedliche Allgemeine Tarife für verschiedene Gemeindegebiete sind nicht zulässig, es sei
denn, daß hierfür ein sachlich gerechtfertigter Grund nachgewiesen wird, dadurch für keinen
Kunden eine Preiserhöhung entsteht und die Preisunterschiede für alle Kunden zumutbar sind.
§ 36 Abs. 1 EnWG 2005
Energieversorgungsunternehmen haben für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen. Die Pflicht zur Grundversorgung besteht nicht, wenn die Versorgung für das Energieversorgungsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.
Zunächst waren ja alle Kunden außerhalb eines Tarifkunden- oder Grundversorgungsverhältnisses.
Sie konnten jeweils erst dann in ein solches Versorgungsverhältnis etwa durch bloße Energieentnahme aus dem Netz eintreten, nachdem der gesetzlich zur Versorgung und Preisbestimmung verpflichtete Versorger seine Preisbestimmung getroffen und öffentlich bekannt gegeben hatte.
Die gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers, die aus o.g. Gründen eine
permantene ist, bestand also schon, noch bevor ein einziger Kunde in ein entsprechendes Versorgungsverhältnis eintrat. Und nur wegen dieser permantenen gesetzlichen Preisbestimmungspflicht sind die Allgemeinen Tarife/ Allgemeinen Preise an den Maßstab der Billigkeit gebunden.
Bei den Grundversorgungsverhältnissen darf der Versorger keine individuellen Preise vereinbaren, sondern muss alle anspruchsberechtigten Kunden, die dies wünschen (früher Tarifkunden, heute Haushaltskunden) - bis an die Grenze der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit- zu den von ihm jeweils festgesetzten und öffentlich bekannt gegebenen Allgemeinen Tarifen/Preisen versorgen.
Diese gesetzliche Verpflichtung besteht nicht nur gegenüber Kunden, die sich bereits in solchen Versorgungsverhältnissen befinden, sondern auch gegenüber entsprechenden (potentiellen) Kunden , die sich noch nicht in solchen Versorgungsverhältnissen befinden.
Schon diesen noch
außenstehenden Kunden muss der Versorger aufgrund seiner gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG einen
angemessenen Preis bieten (nicht: anbieten, siehe unten), den er zuvor festzusetzen und öffentlich bekannt zu machen hatte.
Nicht ersichtlich, wie sich bisher außerhalb entsprechender Versorgungsverhältnisse stehende (potentielle) Kunden darauf berufen sollten, der Versorger sei seit 01.07.04 nicht zu einseitigen Preisanpassungen in solchen laufenden Versorgungsverhältnissen berechtigt gewesen, wenn sie sich doch selbst noch gar nicht in einem solchen laufenden Vertragsverhältnis befanden.
Soll etwa ein Strom- Grundversorger verpflichtet sein, heute in die Grundversorgung neu hinzutretende Kunden zu dem Allgemeinen Tarif zu versorgen,
der bereits vor dem 01.07.2004 von ihm öffentlich bekannt gemacht worden war?
Immerhin sind
Preisspaltungen zwischen Bestands- und Neukunden in der Grundversorgung gesetzlich unzulässig, § 36 Abs. 1 EnWG.
Oder soll er sich zumindest darauf berufen können, dass ihm allein wegen des zwischenzeitlichen Anstiegs der EEG- Umlage eine solche Versorgung wirtschaftlich unzumutbar ist, so dass er sich gegenüber Neukunden auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit beruft und sie deshalb nicht in die Grundversorgung aufnimmt, sie gar von dieser ausschließt?!
Auch langjährige Bestandskunden in der Grundversorgung werden aus o. g. Gründen zumal dann eine
berechtigte ordentliche Kündigung des Versorgers zu gewärtigen haben, wenn der Versorger
nachweist, dass ihm die Versorgung zu den unveränderten Preisen zwischenzeitlich
wirtschaftlich unzumutbar geworden ist.
Die Grundversorgungspflicht findet jeher ihre
Grenze in der
wirtschaftlichen Unzumutbarkeit.
Haushaltskunden können durch den Weiterbezug von Energie aus dem Netz über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer solchen ordentlichen Kündigung hinaus ein
neues Grundversorgungsverhältnis eingehen.
Dabei erwarten sie zurecht, dass sie dabei unter Beachtung von § 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 EnWG zu einem
angemessenen Allgemeinen Preis versorgt werden.
Eine Grundversorgung zu einem
angemssenen Preis, ist auch für sie jedoch nur dann
gewährleistet, wenn den Grundversorger aufgrund der gesetzlichen
Preisbestimmungspflicht aus §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs.1 EnWG auch die
Rechtspflicht trifft, den Allgemeinen Preis anzupassen, wenn dies dem Versorger möglich und den Kunden günstig ist.
Diese
Preisanpassungspflicht, die nicht mit der gesetzlichen
Preisbestimmungspflicht zu verwechseln ist, sondern mit dieser einhergeht, aus dieser und der Bindung der Allgemeinen Tarife an den Maßstab der Billigkeit folgt, greift m. E. immer dann, wenn der Allgemeine Preis in Anbetracht der Kosten, die dem Versorger bei effizienter Betriebsführung durch die Grundversorgung entstehen, die Marge unangemessen hoch bemessen ist.
Weil der Gesetzgeber keine ex post- Betrachtung anstellt, sondern bei der Gesetzgebung eine ex ante- Sicht einnimmt, hat er die gesetzliche Preisbestimmungspflicht (welche sich derzeit aus § 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG ergibt) geschaffen, um besonders schutzbedürftigen Kunden in Gegenwart und Zukunft eine Versorgung zu
angemessenen Preisen zu
gewährleisten, insbesondere auch solchen Kunden, die sich bisher noch gar nicht in einem Grundversorgungsverhältnis befinden.
Zum Vertragsrechtlichen vertrete ich folgenden Standpunkt:
Beim Abschluss eines Sondervertrages wird regelmäßig ein Preis vereinbart, der nach der gesetzlichen Regelung des Kaufrechts für beide Seiten bindend ist und ausnahmsweise nur dann vom Lieferanten einseitig abgeändert werden kann, wenn dieser sich ein Preisänderungsrecht wirksam einräumen ließ, wofür bei AGB- Preisänderungsklauseln wegen der Transparenz- und Bestimmtheitsanforderungen des § 307 BGB ein unkonkretisiertes Bestimmungsrecht im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB regelmäßig nicht in Betracht kommt.
Wird ein Grundversorgungsverhältnis eingegangen, so wird dabei
kein Preis vereinbart, sondern die vertragliche
Preishauptabrede besteht in derjenigen gesetzlichen
Preisbestimmungspflicht des Versorgers, die sich aus §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG ergibt und über §§ 6 Abs. 1, 1 Abs. 2 StromGVV/ GasGVV als Vertragsgegenstand in das Grundversorgungsverhältnis implementiert wird.
Der Versorger ist schon vor Eingehung des Grundversorgungsverhältnisses und danach laufend verpflichtet, dem Kunden eine Versorgung zu einem angemessenen Preis zu gewährleisten, den der Versorger immer wieder neu tarieren und festzseten muss.
Sowohl dem Kunden, erst recht dem Versorger ist klar, dass der bei Begründung des Versorgungsverhältnisses vom Versorger festgesetzte Preis variabel ist, vom Versorger immer wider neu festgesetzt werden muss, da der Versorger andernfalls weder dem gesetzlichen
Preisspaltungsverbot noch seiner
Rechtspflicht zur Preisanpassung zugunsten der Kunden entsprechen und folglich auch Neukunden keine Versorgung zu
angemessenen Preisen
gewärleisten kann.