Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Mindermeinung: gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers aus EnWG

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RR-E-ft:
Grundversorger können die Allgemeinen Preise gem. § 36 Abs. 1 EnWG selbst dann unangemessen gestalten, wenn sie keine marktbeherrschende Stellung haben. Denn ihnen fällt kraft Gesetzes die Gestaltungsmacht hinsichtlich der Allgemeinen Preise der Grundversorgung.

Für die Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB kommt es nur darauf an, dass der Grundversorger gem. § 36 Abs. 1 EnWG (unter Beachtung von §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG) die Allgemeinen Preise (vor deren Veröffentlichung und Anwendung) zu gestalten hat.

Deshalb ist der Grundversorger in seiner  Preisgestaltung nicht frei ist, sondern vielmehr an den Maßstab der Billigkeit gebunden. Der VKU spricht in seinem o. g. Positionspapier davon, dass Grundversorger einer Preiskontrolle gem. § 315 BGB unterliegen.

Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB und kartellrechtliche Preismissbrauchskontrolle bestehen nebeneinander, wenn dem Versorger eine marktbeherrschende Stellung zukommt.

In der Grundversorgung nimmt das Bundeskartellamt weiter eine Monopolstellung der Grundversorger für die Netzgebiete an, in denen sie Grundversorger sind.

Demnach würde auch § 29 Satz 1 Nr. 2 GWB greifen.


--- Zitat ---Einem Unternehmen ist es verboten, als Anbieter von Elektrizität oder leitungsgebundenem Gas (Versorgungsunternehmen) auf einem Markt, auf dem es allein oder zusammen mit anderen Versorgungsunternehmen eine marktbeherrschende Stellung hat, diese Stellung missbräuchlich auszunutzen, indem es

1.
    Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die ungünstiger sind als diejenigen anderer Versorgungsunternehmen oder von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten, es sei denn, das Versorgungsunternehmen weist nach, dass die Abweichung sachlich gerechtfertigt ist, wobei die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast nur in Verfahren vor den Kartellbehörden gilt, oder
2.
    Entgelte fordert, die die Kosten in unangemessener Weise überschreiten.

Kosten, die sich ihrem Umfang nach im Wettbewerb nicht einstellen würden, dürfen bei der Feststellung eines Missbrauchs im Sinne des Satzes 1 nicht berücksichtigt werden. Die §§ 19 und 20 bleiben unberührt.
--- Ende Zitat ---

Beim enreg-Workshop am 12.11.14 in Berlin war jedoch zu erfahren, dass entsprechende Kontrollen dehalb unterbleiben, weil sie die Kartellbehörden personell überfordern, diese zum Führen der Verfahren personell nicht in der Lage sind.

Gem. § 33 Abs. 1 GWB haben jedoch Betroffene [Kunden] schon dann einen Unterlassungsanspruch, wenn ein Verstoß gegen § 29 Satz 1 Nr. 2 GWB droht. Ein solcher droht, wenn der Abstand zwischen Grundversorgeranteil am Allgemeinen Preis der Grundversorgung und Großhandelspreis auf dem vorgelagerten Markt unangemessen hoch ist.

Schließlich können auch qualifizierte Verbraucherverbände gem. § 33 Abs. 2 Nr. 2a GWB entsprechende Ansprüche geltend machen.


--- Zitat ---(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes, gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist dem Betroffenen zur Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht. Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.

(2) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von

1.
    rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn ihnen eine erhebliche Zahl von betroffenen Unternehmen im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 angehört und sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
2.
    Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in

    a)
        die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder
    b)
        das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.

(3) Wer einen Verstoß nach Absatz 1 vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Wird eine Ware oder Dienstleistung zu einem überteuerten Preis bezogen, so ist der Schaden nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Ware oder Dienstleistung weiterveräußert wurde. Bei der Entscheidung über den Umfang des Schadens nach § 287 der Zivilprozessordnung kann insbesondere der anteilige Gewinn, den das Unternehmen durch den Verstoß erlangt hat, berücksichtigt werden. Geldschulden nach Satz 1 hat das Unternehmen ab Eintritt des Schadens zu verzinsen. Die §§ 288 und 289 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden entsprechende Anwendung.
(4) Wird wegen eines Verstoßes gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union Schadensersatz gefordert, ist das Gericht an die Feststellung des Verstoßes gebunden, wie sie in einer bestandskräftigen Entscheidung der Kartellbehörde, der Europäischen Kommission oder der Wettbewerbsbehörde oder des als solche handelnden Gerichts in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union getroffen wurde. Das Gleiche gilt für entsprechende Feststellungen in rechtskräftigen Gerichtsentscheidungen, die infolge der Anfechtung von Entscheidungen nach Satz 1 ergangen sind. Entsprechend Artikel 16 Absatz 1 Satz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 gilt diese Verpflichtung unbeschadet der Rechte und Pflichten nach Artikel 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
(5) Die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs nach Absatz 3 wird gehemmt, wenn ein Verfahren eingeleitet wird

1.
    von der Kartellbehörde wegen eines Verstoßes im Sinne des Absatzes 1 oder
2.
    von der Europäischen Kommission oder der Wettbewerbsbehörde eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union wegen eines Verstoßes gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

§ 204 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
--- Ende Zitat ---
   
 

Black:

--- Zitat von: uwes am 14. November 2014, 18:52:33 ---Die Sockelpreisrechtsprechung dürfte nach EuGH vom 23.10.2014 Geschichte sein. Ohne Preisänderungsrecht auch keine Zustimmung durch Schweigen zu einem neuen "Vertragspreis". Die Begrenzung der Rückwirkung wurde schon vom EuGH abgelehnt. Somit kann der BGH an dieser Rechtsprechung, die eine solche Begrenzung bewirken soll, nicht festhalten. Ein Festhalten hieran wäre europarechtswidrig.

--- Ende Zitat ---

Warten wir es ab.

RR-E-ft:
Stillschweigende Einigung auf einen neuen Vertragspreis ist rechtsdogmatisch schon deshalb nicht vertretbar, weil in einer einseitigen Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 2 BGB, mit welcher einer Leistungsbestimmungspflicht iSd. § 315 Abs. 1 BGB entsprochen werden soll, kein auf Annahme (Zustimmung) gerichteter Antrag gem. § 145 BGB gesehen werden kann.

Denn wenn bei bestehender Leistungsbestimmungspflicht iSd. § 315 Abs. 1 BGB die Wirksamkeit der getroffenen Bestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB nach der gesetzlichen Regelung allein von deren Billigkeit abhängen soll, kann und darf es nicht erst auf eine (stillschweigende) Annahmeerklärung ankommen.

Der Anspruch auf Billigkeitskontrolle kann allenfalls verwirken. Verwirkung setzt aber Zeit- und Umstandsmoment voraus und kann innerhalb der kurzen dreijährigen Verjährungsfrist nur noch unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (vgl. auch Fricke, ZNER 2011, 130 ff. m.w.N.).

BGH, Urt. v. 23.01.14 Az. VII ZR 177/13 = NJW 2014, 1230:


--- Zitat ---Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Recht verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Januar 2013 - EnZR 16/12, RdE 2013, 369 Rn. 13; Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, NJW 2011, 212 Rn. 20 - Stromnetznutzungsentgelt IV, jew. m.w.N.). Allein der Ablauf einer gewissen Zeit nach Entstehung des Anspruchs vermag das notwendige Umstandsmoment nicht zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - VII ZR 213/07, BauR 2010, 618 Rn. 25 = NZBau 2010, 236 = ZfBR 2010, 353). Unterliegt ein Rückforderungsanspruch der (kurzen) regelmäßigen Verjährung von drei Jahren (§§ 195, 199 BGB), kann eine weitere Abkürzung dieser Verjährungsfrist durch Verwirkung nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2013 - EnZR 16/12, aaO Rn. 13; Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 10/11, BauR 2013, 117 Rn. 20 = NZBau 2012, 783 = ZfBR 2013, 39, jew. m.w.N.). Denn dem Gläubiger soll die Regelverjährung grundsätzlich ungekürzt erhalten bleiben, um ihm die Möglichkeit zur Prüfung und Überlegung zu geben, ob er einen Anspruch rechtlich geltend macht (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2013 - EnZR 16/12, aaO Rn. 13).
--- Ende Zitat ---

Warum den Grundversorger bei einer Geltendmachung der Unbilligkeitseinrede erst am Ende der kurzen dreijährigen Verjährungszeit ein unzumutbarer Nachteil entstehen soll, ist ebenso wenig ersichtlich, wie die Schutzbedürftigkeit eines Versorgers, der die Allgemeinen Preise um des eigenen Vorteils willen unangemessen hoch kalkuliert.

Black:

--- Zitat von: RR-E-ft am 19. November 2014, 14:55:08 ---Stillschweigende Einigung auf einen neuen Vertragspreis ist rechtsdogmatisch schon deshalb nicht vertretbar, weil

--- Ende Zitat ---

Wie wir beide wissen, ist es nicht nur vertretbar, sondern herrschende Rechtsprechung. Da kann man anderer Meinung sein, aber man sollte doch die eigene Weltsicht nicht für die einzig Vertretbare halten. Denn bekanntlich lebt unser Rechtssystem davon, dass im Fall von widersprechenden Rechtsauffassungen die Rechtsprechung als Schiedsrichter das letzte Wort spricht.

Wer in Ansehung einer ständigen Rechtsprechung behauptet, die echte Rechtslage sei in Wahrheit ganz anders, verhält sich ähnlich den Personen, die behaupten die gesamte Bundesrepublik sei rechtlich gesehen null und nichtig, nur wisse das leider niemand.

uwes:

--- Zitat von: Black am 19. November 2014, 17:01:09 ---Wie wir beide wissen, ist es nicht nur vertretbar, sondern herrschende Rechtsprechung.

--- Ende Zitat ---
.... noch.....
und nur in einer konkreten Fallgestaltung, die auch noch als einzige Ausnahme des von dem von Herrn Kollegen Fricke richtig zitierten Grundsatzes gesehen werden muss, dass Schweigen des Verbrauchers keinerlei Erklärungswert hat.

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