Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Mindermeinung: gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers aus EnWG
PLUS:
@RR-E-ft, bitte zur Kenntnis nehmen, es geht hier jetzt nicht um Sinn oder Unsinn der KA sondern um die Auswirkung auf das Ergebnis unter dem letzten Strich.
Das Ergebnis ist eben gerade nicht für alle Grundversorger gleichermaßen, unabhängig von ihrer Rechtsform und Eigentümerstruktur und davon, ob sie mit dem Netzbetreiber gesellschaftlich verbandelt sind oder nicht.
Auch die Berater der Stadtwerke wissen das längst:
--- Zitat ---Konzessionsabgaben sind für Kommunen insofern von Vorteil, als sie steuerfrei vereinnahmt werden können. Insbesondere auch vor diesem Hintergrund bietet die Optimierung des Konzessionsabgabenaufkommens eine Möglichkeit für Kommunen, bestehende Einnahmequellen zu sichern bzw. neu zu erschließen.
--- Ende Zitat ---
Warum die Kommunen mit ihren Stadtwerken den Beratern hier so wenig folgen ist ein Rätsel
RR-E-ft:
Schon längst abgehakt.
RR-E-ft:
Meine Thesen nochmals in kleinen Schritten
Es geht bei der Grundversorgung nicht nur und nicht vorrangig um den Schutz der Kunden in laufenden Vertragsverhältnissen.
Es geht um den Schutz besonders schutzbedürftige Kunden, die im Bedarfsfall auf die Grundversorgung angewiesen sind.
Wegen dieser besonders schutzbedürftigen Kunden gibt es die Grundversorgungspflicht aus § 36 Abs. 1 EnWG.
Diese begnügt sich nicht damit, dass die betroffenen Kunden überhaupt versorgt werden müssen, etwa zu einem marktüblichen Preis.
Den Grundversorger trifft eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht.
Er muss Allgemeine Preise bestimmen und veröffentlichen und alle betroffenen Kunden zu den von ihm bestimmten und hiernach veröffentlichten Preisen versorgen.
Diese Allgemeinen Preise darf er nicht frei bestimmen.
Auf diese gesetzliche Preisbestimmungspflicht findet vielmehr § 315 Abs. 1 BGB unmittelbare Anwendung.
Der Grundversorger ist gem. § 2 Abs. 1 EnWG im Rahmen des § 36 Abs. 1 EnWG zu einer Versorgung im Sinne des § 1 EnWG verpflichtet.
Gem. § 1 Abs. 1 EnWG besteht der Zweck in einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht.
Damit ist es unvereinbar, dass der Grundversorger Allgemeine Preise bestimmt, die wie in anderen Wirtschaftszweigen auf Profitmaximierung abzielen "was der Markt gerade hergibt" (vgl. schon BGH Urt. v. 02.10.91 VIII ZR 240/90 unter III.2 a).
Selbst als für die auf der Grundlage der gesetzlicher Preisbestimmungspflicht vom Versorger gebildeten Allgemeinen Tarife zusätzlich noch eine behördliche Preisaufsicht und Preisgenehmigungspflicht bestand, mit welcher gesetzlich höchstzulässige Allgemeine Tarife genehmigt wurden, bestand daneben immer auch eine gerichtliche Billigkeitskontrolle der vom Versorger einseitig bestimmten Allgemeinen Tarife gem. § 315 Abs. 3 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 5.2.03 Az. VIII ZR 111/02 unter II 1 b. mw.N, Urt. v. 5.7.05 Az. X ZR 60/04 unter II 1 c. mwN).
Mit dem Wegfall der behördlichen Tarifgenehmigungspflicht entfiel die immer daneben bestehende Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nicht,
sondern blieb ausdrücklich weiter unberührt, siehe auch § 17 Abs. 1 Satz 3 StromGVV/ GasGVV.
Dem besonders schutzbedürftigen Kunden, der im Bedarfsfall auf diese Verorgung angewiesen ist, ist deshalb jeweils ein vom Grundversorger bestimmter, solcher Allgemeiner Preis zu bieten,
der ihm eine möglichst preisgünstige, effieziente, verbraucherfreundliche... Energieversorgung gewährleistet (vgl. BGH Urt. v. 02.10.91 VIII ZR 240/90 unter III.2 a.)
Nur dadurch, dass den besonders schutzbedürftigen Kunden, die im Bedarfsfall auf die Grundversorgung angewiesen sind, vom Grundversorger eine Versorgung zu einem jeweils derart bestimmten (angemessenen) Preis geboten wird, kann deren angestrebter Schutz überhaupt nur gewährleistet werden.
Einem grundversorgten Haushaltskunden nutzt es im Zweifel nicht viel, wenn er sich zwar gegen einseitige Preisänderungen (Preiserhöhung) im laufenden Vertragsverhältnis auf ein fehlendes Preisänderungsrecht berufen kann, der Grundversorger jedoch mit Verweis auf eine eingetretene wirtschaftliche Unzumutbarkeit der weiteren Belieferung zu ungeänderten Preisen kurzfristig das bestehende Versorgungsverhältnis durch ordnungsgemäße Kündigung beenden kann, dem betroffenen Kunden hiernach im Bedarfsfall nur eine Versorgung zu einem - unter dem Gesichtspunkt der Profitmaximierung gebildeten - "Mondpreis" bietet.
Ebenso versagt der Schutz der besonders schutzbedürftigen Kunden, die im Bedarfsfall auf die Versorgung angewiesen sind, wenn den Grundversorger keine Rechtspflicht trifft, die Allgemeinen Preise abzusenken, wenn dies dem Versorger in Anbetrracht der Kosten- und Erlöslage in der Grundversorgung bei einer effizieneten Betriebsführung möglich und den Kunden günstig ist.
Sonst wird den besonders schutzbedürftigen Kunden, die im Bedarfsfall auf die Versorgung angewiesen sind, insgesamt keine möglichst preisgünstige, effiziente, verbraucherfreundliche Grundversorgung gewährleistet.
Black:
--- Zitat von: RR-E-ft am 07. November 2014, 16:21:33 ---@Black
Was für ein schöner Trugschluss.
Ich behaupte mal spitz, der Grundversorger nimmt mit seinen Grundversorgungspreisen überhaupt nicht am Wettbewerb teil, muss er auch nicht.
Die meisten Grundversorger nehmen außerhalb der Grundversorgung mit sog. Wettbewerbsprodukten am Wettbewerb teil.
Bei solchen Wettbewerbsprodukten werden deshalb die Preise auch schneller gesenkt als in der Grundversorgung.
--- Ende Zitat ---
Es gibt keinen mir bekannten Hinweis des Gesetzgebers, dass die Grundversorgung ausserhalb des 1998 in der Energiewirtschaft eingeführten Wettbewerbs stehen soll. Für die Ersatzversorgung mag man das vertreten können, da diese nur eine zeitlich befristete Notsituation überbrücken soll und nicht auf Dauer angelegt ist.
Die Grundversorgung steht auch schon rein praktisch im Wettbewerb, da jeder Kunde, der sich für die Grundversorgung entscheidet, sich eben nicht über ein Sonderprodukt des Wettbewerbers versorgen lässt. Derzeit sind das bundesweit noch immer ca. 40 % des Marktes.
Die Grundversorgung ist ja auch kein Sozialtarif für besonders bedürftige Kunden, die sich den normalen Wettbewerbspreis nicht leisten können, denn es gibt ja keinen Zugang über einen besonderen Bedürftigkeitsnachweis. Wenn man die Grundversorgung besonders günstig - vielleicht sogar kostenneutral - anbieten würde, wäre es noch unatraktiver für die Kunden die Grundversorgung zu verlassen und der Wettbewerb käme zum Erliegen. Das wäre nur möglich, wenn nur sozialschwache Personen einen Anspruch auf die Grundversorgung hätten.
Der umgekehrte Ansatz wäre, die Grundversorgung möglichst teuer zu kalkulieren, damit sie nicht zur Regelversorgung wird und die Kunden möglichst schnell in Sonderverträge (Wettbewerb) wechseln. Das OLG Nürnberg hat mal so etwas vertreten (OLG Nürnberg, 21.12.2010, 1 U 2329/09). Das hätte aber widerum den Nachteil, dass sozial schwache Kunden, die keine Sonderverträge am Markt erhalten, doppelt benachteiligt wären. Es bedürfte bei diesem Ansatz auch keiner Preiskontrolle, da der Preis ja eher unnatraktiv hoch sein müsste.
RR-E-ft:
@Black
Meine Überlegungen haben den Zweck der Grundversorgung als Ausgangspunkt:
Die Gewährleistung einer möglichst preisgünstigen Versorgung für besonders schutzbedürftige Kunden.
Besonders schutzbedürftige Kunden sind die Haushaltskunden im Sinne des § 3 Nr. 22 EnWG.
Schutzbedürftig sind sie, weil sie sich die benötigte Energie wegen ihrer geringen Nachfragemenge nicht selbst auf dem Großhandelsmarkt beschaffen können.
Deshalb wurde diesen ein gesetzlicher Anspruch auf Grundversorgung eingeräumt.
Nachdem es sich bei den Haushaltskunden im Sinne des § 3 Nr. 22 EnWG nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers um diejenigen besonders schutzbedürftigen Kunden im Sinne der EU- Richtlinien handelt, brauchen sich Kunden, die unter § 3 Nr. 22 EnWG fallen, nicht besonders ausweisen, um ihre besondere Schutzbedürftigkeit erst noch nachzuweisen.
Ganz besonders schutzbedürftig sind solche Haushaltskunden, die nicht aus Bequemlichkeit in der Grundversorgung sind,
sondern aus bestimmten Gründen nicht zu einem Sondervertrag wechseln können.
Nur Haushaltskunden können durch bloße Energieentnahme aus dem Netz einen Grundversorgungsvertrag begründen, § 2 Abs. 2 StromGVV/ GasGVV.
Haushaltskunden, die einen Sondervertrag abgeschlossen haben und deren Lieferant ausfällt, werden zeitlich befristet im Rahmen der Ersatzversorgung versorgt.
Nicht- Haushaltskunden haben hingegen nur Anspruch auf eine zeitlich befristete Ersatzversorgung.
Insbesondere wenn der Grundversorger den Haushaltskunden im Netzgebiet außerhalb der Grundversorgung auch günstigere Sonderverträge anbietet, spricht nichts dafür, dass der Wettbewerb die Allgemeinen Preise der Grundversorgung kontrollieren kann. Es steht sogar zu besorgen, dass ein Grundversorger, der sich mit seinen Sonderprodukten in einem scharfen Wettbewerb wähnt, versucht, seine Sonderprodukte über die Grundversorgung querzusubventionieren.
Ob die Allgemeinen Preise der Grundversorgung durch den Wettbewerb kontrolliert und begrenzt werden, ist keine Frage des Gesetzgebers, da sich eine solche Wirkung nicht gesetzlich anordenen, allenfalls ausschließen lässt.
Bei der Belieferung von Haushaltskunden differenziert das Bundeskartellamt laut VKU nunmehr im Strom- und Gasbereich sachlich zwischen Grundversorgungskunden und Sondervertragskunden. Dafür sprächen empirische Indizien zu Preisabständen, Wechselverhalten und Anbieterstruktur. Wegen der positiven wettbewerblichen Entwicklungen würden die Märkte für Sondervertragskunden bundesweit abgegrenzt. Dagegen bleibe es bei den Grundversorgungskunden räumlich bei der netzbezogenen Abgrenzung, bei der jeder Grundversorger in seinem Gebiet dann ein Monopol habe.
Die Preisgestaltungen der Grundversorger erscheinen in Anbetracht der Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG oft sehr fragwürdig.
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Ein Beispiel:
http://www.stadtwerke-jena.de/fileadmin/user_upload/Preisblaetter/Strom/S_Jena/JEN_PB_GV_P.pdf
Soweit der Vertriebsanteil am Grundpreis 55,04 €/a betragen soll und somit mehr als doppelt so hoch ausfällt wie der Grund- und Abrechnungspreis des Netzbetreibers(!), ist dies nicht nachvollziehbar und kann die Kostenstruktur nicht zutreffend widerspiegeln und somit wohl auch nicht sachlich gerechtfertigt sein.
Es steht zu besorgen, dass in den Grundpreis eine verbrauchsunabhängige und somit nicht leistungsorientierte besonders hohe Vertriebsmarge eingepreist wurde.
Zum Vergleich:
Bei den Stadtwerken Mühlhausen/Thür beträgt der Vertriebsanteil am Grundpreis 17,40 €/a, bei den Stadtwerken Nordhausen 15,38 €/a und bei den nahen Stadtwerken Eisenberg/Thür gar nur 10,50 €/a.
Grundversorgte Kunden mit geringem Verbrauch, die sich um Energieeinsparung bemühen, werden durch eine hohe verbrauchsunabhängige Vertriebsmarge systematisch benachteiligt.
Zudem beruht eine hohe verbrauchsunabhängige Vertriebsmarge nicht auf einer Leistung des Vertriebs, nachdem sich die zu honorierende Leistung eines Vertriebs nach dem Absatz/ der Absatzmenge bemisst.
Der Vertriebsanteil am Arbeitspreis in Höhe von 7,121 Ct/ kWh liegt etwa doppelt so hoch wie der Großhandelspreis für Strom (derzeit ca. 3,60 Ct/ kWh) und kann deshalb auch nicht recht überzeugen.
Die Handelsspanne zwischen Goßhandelspreis und Vertriebsanteil des Grundversorgers pro abgesetzter Einheit erscheint zu groß.
Während der Stromerzeuger ein Kraftwerk errichten, betreiben, ggf. Brennstoff kaufen und Strom erzeugen muss, um den Großhandelspreis von 3,60 Ct/ kWh zu erzielen, ist nicht ersichtlich,
was der Vertrieb noch bedeutsames leisten muss, um die Differenz aus Vertriebsanteil am Arbeitspreis und Großhandelspreis zu erzielen.
Dafür, dass der Strom vom Stromerzeuger zur Abnahmnestelle des Kunden transportiert wird, bekommt schließlich schon der Netzbetreiber ein sattes Entgelt in Höhe von 4,990 Ct/ kWh.
Gemessen an den Leistungen des Stromerzeugers und des Netzbetreibers und deren Vergütungen erscheint die Vergütung, die sich der Vertrieb für eine nicht recht ersichtliche Leistung beimessen möchte, doch irgendwie überhöht. Der Grundversorger nimmt schließlich nur eine Zwischenhändlerfunktion (vergleichbar einem Makler/Vermittler) ein, nachdem die Haushaltskunden die Energie nicht selbst auf dem Großhandelsmarkt etwa vom Stromerzeuger beschaffen können, um diese vom Netzbetreiber zur Abnahmestelle transportieren zu lassen. Beschafft wird der Strom, den die Stromerzeuger wegen des bestehenden Überangebots ohnehin händerringend loswerden wollen. Dieser - gemessen an der Gesamtleistung Stromversorgung- gering erscheinende eigene Beitrag des Grundversorgers sollte wohl mit 0,5 Ct/ kWh (einem "Vertriebspfennig") angemessen abgegolten sein.
Nicht nachvollziehbar erscheint ein Vertriebsanteil beim Grundpreis in Höhe über 53,68 €/a bei Doppeltarifkunden,
zumal andererseits der Vertriebsanteil am NT- Arbeitspreis in Höhe von lediglich 0,991 Ct/kWh ersichtlich nicht ausreichen kann,
um auch nur die entsprechenden Strombeschaffungskosten abzudecken.
Auf die Grundversorgung angewiesenen Haushaltskunden mit geringem Jahresverbrauch in Jena, nutzt es ersichtlich nichts,
dass andernorts etwa in Nordhausen oder Eisenberg der Vertriebsanteil am Grundpreis der Grundversorgung weit geringer liegt.
Es sei denn, eine Missbrauchskontrolle gem. § 29 GWB oder eine Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB zwingt den Grundversorger in Jena,
seine Preisgestaltung bei den Allgemeinen Preisen der Grundversorgung abzuändern.
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