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Autor Thema: Hohe Strompreise  (Gelesen 10148 mal)

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Offline RR-E-ft

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Hohe Strompreise
« am: 08. August 2013, 02:03:26 »
In einem Artikel wird veranschaulicht, wie sich die Stromkosten laut BDEW für einen Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh zusammensetzen sollen:

http://www.welt.de/wirtschaft/article118790369/Sonniger-Juli-treibt-Stromrechnung-in-die-Hoehe.html



Zur Grafik:

http://www.welt.de/wirtschaft/article118790368/DWO-Strom-jpg.html

Die farbenfroh neugestartete Thüringer Energie AG verlangt in der Grundversorgung derzeit schon einen Arbeitspreis von 24,83 ct/kWh (netto) bzw. 29,55 ct/kWh (brutto). Hinzu kommt ein Grundpreis in Höhe von 81,27 EUR/ Jahr (netto), der für einen Haushalt mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 3.500 kWh Stromkosten in Höhe von 2,32 Ct/kWh (netto) bzw. 2,76 Ct/kWh (brutto) entspricht, so dass ein solcher Haushalt unter Einschluss des Grundpreises schon Stromkosten in Höhe von 32,31 Ct/ kWh und somit schon deutlich mehr als die vom BDEW genannten 28,50 Ct/kWh zu tragen hat.

http://www.thueringerenergie.de/Dateien/Dokumente/the_vm18_allg_preise_strom_0704_fn.pdf
« Letzte Änderung: 08. August 2013, 02:14:46 von RR-E-ft »

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Re: Hohe Strompreise
« Antwort #1 am: 08. August 2013, 10:08:51 »
Kaum einer ist gezwungen seinen Strom bei der Thüringer Energie zu kaufen. Also sollte die Konsequenz doch sein einfach zu einem günstigeren Anbieter zu wechseln. Wenn das alle konsequent tun dann erst entsteht Wettbewerb und die Preise kommen ins Rutschen.

Offline RR-E-ft

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Re: Hohe Strompreise
« Antwort #2 am: 08. August 2013, 11:20:34 »
Wenn sich der Haushaltskunde marktwirtschaftlich verhalten würde dann müsste er keine 28,50 ct/kWh bezahlen.

Ich habe für mich mal bei Verivox nachgesehen und bei den erweiterten Einstellungen alle Häkchen weg genommen. Der günstigste Anbieter mit brauchbaren Bedingungen ist dann die Dortmunder Energie- und Wasserversorgung GmbH mit folgendem Tarif:

Zitat
Für einen realen Jahresverbrauch im Bereich von 0 kWh bis 100.000 kWh sind die Preise je Einheit für die nachfolgenden Angaben (Verbrauchspreis [Cent/ kWh], Grundgebühr pro Monat) konstant.
Verbrauchskosten:       792,75 Euro    entspricht 22,65 Cent je kWh
Grundgebühr:    +    83,30 Euro    entspricht 6,94 Euro pro Monat
Gesamtkosten:         876,05 Euro     im ersten Jahr
Geschätzter Abschlag:         73,00 Euro     pro Monat(Jahreskosten geteilt durch 12 Monate;
tatsächlicher Abschlag kann abweichen)

Vertragskonditionen
 
Vertragslaufzeit:    1 Monat
Kündigungsfrist:    1 Monat
Vertragsverlängerung:    1 Monat
Preisgarantie:    keine
Abschläge:    monatlich
Kaution:    keine

Das entspricht bei einem Verbrauch von 3.500 kWh einem Preis von 25,03 ct/kWh.

So gesehen haben andere kommunale Anbieter weit attraktivere Angebote für die Kunden. Eine Ersparnis von 7,28 Ct/ kWh bzw. 254,80 EUR im Jahr bei einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh sind ein Argument. Früher hätte man auch nicht Jahr für Jahr 500 Westmark auf der Straße liegen lassen. ;) 

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Re: Hohe Strompreise
« Antwort #3 am: 08. August 2013, 13:35:30 »
Vielleicht haben dann die hohen Steigerungen bei einzelnen Anbietern dann doch vielleicht den Vorteil, dass mehr Leute langsam anfangen über einen Wechsel nach zu denken. Und wenn sie den Wechsel einmal reibungslos vollzogen haben, dann fallen dann die folgenden Wechsel auch nicht mehr so schwer.

Ich meine, hier müssten auch die Verbraucherzentralen, Schuldnerberatungen, und viele andere Stellen, die Menschen betreuen, denen ein Wechsel aus irgendeinem Grund schwer fällt, viel aktiver eingreifen.

Meiner Meinung nach braucht man auch die künstliche Trennung zwischen Grundversorgung und Sonderversorgung nicht. Viel besser wäre es meiner Meinung nach, einen Kontrahierungszwang für alle Versorgungsunternehmen  die Grundbedürfnisse erfüllen (Heizenergie, Strom, Telekommunikation, Zahlungsverkehr, ...) einzuführen, die in einem Versorgungsgebiet tätig sind. Es ist schlicht nicht einzusehen, dass diejenigen, die sowieso schon knapp an Geld sind, auch noch durch Unternehmen mit Gebietsmonopol ausgenommen werden.

Offline RR-E-ft

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Re: Hohe Strompreise
« Antwort #4 am: 08. August 2013, 14:21:56 »
Es gibt noch viele Verbraucher, die noch keinen Zugang zum Internet haben und denen deshalb solche Preivergleiche fehlen. Anders ist es etwa bei Telefontarifen call by call etc., wo die günstigsten Tarife Woche für Woche in der regionalen Zeitung veröffentlicht werden.

Die Verbraucherverbände müssen sich gegenüber im Wettbewerb stehenden Unternehmen neutral verhalten, können also nicht für einzelne Angebote werbend in Erscheinung treten.

Grundversorgung muss es geben. Es muss mindestens ein Versorger dem Kontrahierungszwang unterliegen. Da die Verträge oft immer noch durch bloße Energieentnahme konkludent geschlossen werden, muss klar sein, wer der Versorger ist und welche Preise dieser festgesetzt sowie veröffentlicht hat und beansprucht.

Es bedarf auch keines Kontrahierungszwangs für alle in einem Netzgebiet tätigen Lieferanten. Ein solcher wäre hinsichtlich des Preiswettbewerbs womöglich sogar kontraproduktiv.

DEW kann den Strom schließlich auch deshalb günstiger anbieten, weil sie täglich entscheiden kann, ob und ggf. in welchen Netzgebieten sie noch Neukunden aufnimmt. Schließlich sind bei solchen bundesweiten Angeboten die Vertriebsmargen in den verschiedenen Netzgebieten, bedingt durch die unterschiedlich hohen Netzentgelte, verschieden hoch, die Verträge deshalb für den Lieferanten in den einzelnen Netzgebieten unterschiedlich profitabel.

Entsprechend der Vertragsbedingungen kann sich DEW binnen Monatsfrist durch Kündigung der Vertragsbindung völlig entledigen, sich deshalb in einzelnen Netzgebieten oder vom Markt insgesamt kurzfristig zurückziehen.

Unterläge DEW dabei hingegen einem Kontrahierungszwang, könnte sie bei der Beschaffung schon nicht so kurzfristig und opprtunistisch agieren.

Allein der Preisabstand zwischen dem DEW- Angebot und dem Allgemeinen Preis der Grundversorgung der Thüringer Energie ist derart hoch, dass sich der hohe Preis des Grundversorgers wohl nicht mehr rechtfertigen lassen wird.

Der Grundversorger liefert den Strom in der gleichen Qualität über das gleiche Netz zu den selben Netzkosten. Rein physikalisch ist es der selbe Strom.     
« Letzte Änderung: 08. August 2013, 15:14:21 von RR-E-ft »

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Re: Hohe Strompreise
« Antwort #5 am: 09. August 2013, 12:48:17 »
Man kann ja gerne bei der Grundversorgung und deren Abwicklung bleiben, aber man muss verhindern dass der Grundversorger sein Gebietsmonopol dadurch ausnutzt kann, dass die anderen Versorger wegen fehlendem Kontrahierungszwang Verträge einfach ablehnen können. Das sieht sehr nach kartellähnlichem Verhalten aus, das voll zu Lasten der sozial Schwachen geht. Und alle Grundversorger hier in D spielen quasi das gleiche Spiel.

Die Argument, dass ein Kontrahierungszwang für alle Versorger in einem Gebiet kontraproduktiv wäre, überzeugt mich auch nicht.

Denn wenn sicher Versorger wegen hoher Netzkosten und daraus verringerter Marge in einem Gebiet zurückziehen will, dann kann er das ja problemlos allen seinen Kunden in diesem Gebiet kündigen. Letztlich geht es um die Gleichbehandlung aller Kunden in einem Versorgungsgebiet.

Warum sollte man zulassen dass Versorger einzelne, wirtschaftlich schwache Kunden ausschließt? Das ist eine klare Diskriminierung!

Offline RR-E-ft

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Re: Hohe Strompreise
« Antwort #6 am: 09. August 2013, 14:13:32 »
Man kann ja gerne bei der Grundversorgung und deren Abwicklung bleiben, aber man muss verhindern dass der Grundversorger sein Gebietsmonopol dadurch ausnutzt kann, dass die anderen Versorger wegen fehlendem Kontrahierungszwang Verträge einfach ablehnen können.

Es kann doch dem Grundversorger nicht angelastet werden, dass andere Lieferanten, die keinem Kontrahierungszwang unterliegen, von ihrer Vertragsfreiheit Gebrauch machen und einen Vertragsabschluss ablehnen. Das würde der Grundversorger für den betroffenen Kunden vielleicht auch gern tun, ist daran jedoch aufgrund des gesetzlichen Kontrahierungszwangs  (§ 36 EnWG) gehindert.

Die Argument, dass ein Kontrahierungszwang für alle Versorger in einem Gebiet kontraproduktiv wäre, überzeugt mich auch nicht.

Denn wenn sicher Versorger wegen hoher Netzkosten und daraus verringerter Marge in einem Gebiet zurückziehen will, dann kann er das ja problemlos allen seinen Kunden in diesem Gebiet kündigen. Letztlich geht es um die Gleichbehandlung aller Kunden in einem Versorgungsgebiet.Warum sollte man zulassen dass Versorger einzelne, wirtschaftlich schwache Kunden ausschließt? Das ist eine klare Diskriminierung!

Ein Kontrahierungszwang würde das Recht des Lieferanten zur ordentlichen Kündigung schon ausschließen.

Im Übrigen machen die Lieferanten, die nicht als Grundversorger dem Kontrahierungszwang unterliegen, von ihrer Vertragsfreiheit als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 GG) gegenüber allen, die einen Vertrag abschließen wollen, gleichermaßen Gebrauch und entscheiden deshalb in jedem Einzelfall, ob sie mit demjenigen, der einen Vertrag neu abschließen möchte, einen Vertrag schließen oder nicht.

Diese Lieferanten nehmen dabei die gleiche grundgesetzlich geschützte Vertragsfreiheit als Teil der allgemeinen Handlungsfreieheit (Art. 2 GG)   in Anspruch, wie alle Kunden auch. Es muss den Lieferanten insbesondere auch freistehen, darüber zu entscheiden, welches Forderungsausfallrisiko sie durch den Vertragsabschluss mit einem Kunden eingehen wollen.

Schließlich können aufgrund der Vertragsfreiheit die Kunden auch frei darüber entscheiden, ob und ggf. mit welchem Lieferanten sie einen Vertrag zu welchen Bedingungen abschließen möchten, und haben sich für ihre Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Lieferanten als Vertragspartner oder für oder gegen ein ein bestimmtes Angebot insbesondere auch nicht zu rechtfertigen, so dass sich auch kein Lieferant  beschweren kann, er werde bezüglich seines Angebots von einem Energiekunden dadurch diskriminiert, dass sich der Kunde für ein anderes Angebot entschieden hat, der Kunde sein Angebot ggf. schon noch nicht einmal zur Kenntnis genommen und in seine sachliche Entscheidung darüber, von welchem Lieferanten zu welchen Bedingungen die Energie bezogen werden soll, einbezogen hatte.

Nur wenn sich Haushaltskunden entschließen, über einen Zähler Energie aus dem Netz zu entnehmen, ohne dass dafür zuvor ein Liefervertrag abgeschlossen wurde, und diesem Entschluss entsprechend handeln, kommt dadurch gem. § 2 Abs. 2 GVV konkludent ein Grundversorgungsvertrag mit dem zur Grundversorgung verpflichteten Lieferanten (Grundversorger) zustande, der mit zweiwöchigert Frist durch den Kunden wieder ordentlich gekündigt werden kann. Der Grundversorger kann einen solchen Vertragsachluss, bis auf wenige Ausnahmen, nicht ablehnen (siehe § 36 EnWG).
« Letzte Änderung: 09. August 2013, 14:28:41 von RR-E-ft »

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Re: Hohe Strompreise
« Antwort #7 am: 09. August 2013, 14:28:53 »
Denn wenn sicher Versorger wegen hoher Netzkosten und daraus verringerter Marge in einem Gebiet zurückziehen will, dann kann er das ja problemlos allen seinen Kunden in diesem Gebiet kündigen. Letztlich geht es um die Gleichbehandlung aller Kunden in einem Versorgungsgebiet. Warum sollte man zulassen dass Versorger einzelne, wirtschaftlich schwache Kunden ausschließt? Das ist eine klare Diskriminierung!
Grenzenlose Gleichbehandlung, "allen kündigen etc." wegen einzelner Risiken geht auch in Deutschland nicht. "Ungleichbehandlungen" sind nach dem Grundgesetz zulässig, wenn mit ihnen ein legitimer Zweck verbunden ist.

Das wird sogar in Gesetzen ausdrücklich so geregelt. So steht in § 36 EnWG: Die Pflicht zur Grundversorgung besteht nicht, wenn die Versorgung für das Energieversorgungsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist. Es kann ja wohl niemand gezwungen werden, durch einen Vertrag mit einem insolventen Partner sich selbst zu schädigen.

Bedingungslosen Kontrahierungszwang kann es nicht geben. Es wäre nicht mehr rechtsstaatlich, wenn Risiken per Zwang eingegangen werden müssten.

Soziale Sicherheit und Fürsorge ist Aufgabe der Sozialpolitik und ebenso eine Gemeinschaftsaufgabe und vom Staat zu leisten und im Notfall auch zu finanzieren. Stadtwerke & Co. oder indirekt die Energieverbraucher über die Preise sind kein zulässiger Ersatz dafür bzw. keine Sozialämter.

Offline RR-E-ft

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Re: Hohe Strompreise
« Antwort #8 am: 09. August 2013, 14:34:35 »
Art. 3 GG bindet grundsätzlich nur den Staat und die staatliche Gewalt und verpflichtet diese zur Gleichbehandlung. Nichtstaatliche Privatrechtssubjekte sind demnach grundsätzlich schon nicht zur Gleichbehandlung verpflichtet. Ausnahmen - und somit eine Verpflichtung zur Gleichbehandlung - können bestehen für Unternehmen, die einem gesetzlichen Kontrahierungszwang unterliegen oder in ihrem Leistungsbereich eine Monopolstellung inne haben. Als Privatperson bedarf es für die Ungleichbehandlung der Unternehmen schon keines legitimen Zweks.

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Re: Hohe Strompreise
« Antwort #9 am: 11. August 2013, 11:34:52 »
Ihre Begründungen oben ergeben sich aus der aktuellen Gesetzeslage.

Man kann aber Gesetze auch ändern, wenn sie offensichtlich sozial Schwächere erheblich benachteiligen.

Dies hat man ja z.B. auch mit der Einführung von Jederman- und Pfändungsschutz-Konten erreicht.

 

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