Am 22.3.2011 wurde in der Printausgabe der Würzburger Main-Post ein großes Interview mit Herrn Professor Dr. Norbert Menke, dem Vorstand der Stadtwerke Würzburg AG, abgedruckt, online wurde es am 21.3.2011 unter
http://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/WVV-Chef-Norbert-Menke-Die-Atomkrise-staerkt-das-Heizkraftwerk;art735,6053715 eingestellt. Nach Auskunft des Main-Post-Redakteurs Ernst Jerg handelt es sich um ein autorisiertes Interview. Deshalb erlaube ich mir, daraus einige Passagen zu zitieren und den geltenden gesetzlichen Regelungen für Kommunalunternehmen und Energieversorgungsunternehmen gegenüberzustellen.
1. Verstoß gegen KommunalrechtMain-Post vom 22.3.2011
Die Stadtwerke finanzieren mit ihrem Noch-Gewinn den ÖPNV. Das sind fast 17 Millionen Euro jedes Jahr. Wenn sich die Situation auf dem Energiemarkt verschärft, ist die Querfinanzierung dann noch möglich und wenn ja wie lange?
Menke: Eine der Hauptaufgaben des Konzerns ist es, eine Abdeckung der Verluste aus dem öffentlichen Nahverkehr zu erwirtschaften. Es wird zunehmend schwerer mit Erträgen aus dem Energiesektor. Bereits frühzeitig hat die WVV neue Geschäftsfelder eröffnet, die Gewinne beitragen müssen. Unsere Planung ist auch mittelfristig darauf ausgerichtet, den ÖPNV-Bedarf im Konzern zu erwirtschaften.
Diese Hauptaufgabe, „
eine Abdeckung der Verluste aus dem öffentlichen Nahverkehr zu erwirtschaften“, ist nach bayerischem Kommunalrecht unzulässig. Denn nach Artikel 87 Absatz 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern entsprechen alle \"
Tätigkeiten oder Tätigkeitsbereiche, mit denen die Gemeinde oder ihre Unternehmen an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben teilnehmen, um Gewinn zu erzielen\", keinem öffentlichen Zweck. Das bayerische Kommunalabgabengesetz sieht in Artikel 8 zu den Benutzungsgebühren auch keine Gewinnerzielung vor. Vielmehr soll nach Absatz 2 von Artikel 8 des Kommunalabgabengesetzes das Gebührenaufkommen \"
die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten einschließlich der Kosten für die Ermittlung und Anforderung von einrichtungsbezogenen Abgaben decken.\"
Die tatsächliche Eigenkapitalrendite der Stadtwerke liegt mit 26 – 38 % in jedem Fall deutlich über dem kalkulatorischen Zinssatz von 5,5 %, den das PWC-Gutachten im Zivilprozess mit mir zum Trinkwasserpreis nennt. In Nummer 48 auf Seite 13 der Anlage ihres Gutachtens rechtfertigt PWC im Auftrag der Stadtwerke ausführlich die Angemessenheit eines kalkulatorischen Zinssatzes in Höhe von 5,5 %. Offensichtlicher können die Stadtwerke Würzburg nicht das Kommunalrecht verletzen.
2. Verstoß gegen EnergiewirtschaftsrechtMain-Post vom 22.3.2011
Verbraucherportale und sogar die Bundesregierung rufen zum Energiekostenvergleich auf. Ist der Anbieter zu teuer, soll man wechseln. Wo befindet sich die WVV im Ranking-Vergleich?
Menke: Mit unseren Wahlangeboten „Familie“ oder „Privat“ wollen wir uns im oberen günstigen Drittel bei Preisvergleichen ansiedeln. Da sind wir aktuell nicht. Aber man muss Vergleiche über einen längeren Zeitraum hinweg durchführen, um ein realistisches Bild zu bekommen. Dann passt es. Mit unserer Grundversorgung positionieren wir uns grundsätzlich im mittleren Preissegment.
Den Verantwortlichen ist bewusst, dass ihre Energiepreise nicht mehr als „günstig“ zu bezeichnen sind. Das oben genannte Ziel, Gewinne zur Deckung des ÖPNV-Defizits zu erwirtschaften, wird jedoch über die Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes gestellt. Die Forderung nach Preisgünstigkeit der Energieversorgung in § 1 Absatz 1 EnWG und § 2 Absatz 1 EnWG ist nicht eine unverbindliche Präambel, sondern sie bildet einen Grundsatz, der das gesamte Energiewirtschaftsrecht beherrscht. So hält der Bundesgerichtshof in Abschnitt III 2. a) seiner Urteilsgründe in der Entscheidung VIII ZR 240/90 vom 2.10.1991 fest:
„
Für Verträge, die – wie hier – die Lieferung elektrischer Energie zum Gegenstand haben, muß der das gesamte Energiewirtschaftsrecht beherrschende Grundsatz berücksichtigt werden, daß die Energieversorgung – unter Beachtung der Anforderungen an die Sicherheit der Versorgung – so preiswürdig wie möglich zu gestalten ist (dazu Büdenbender, Energierecht, 1982, Rdnr. 70, 72; Lukes, BB 1985, 2258, 2262). Abweichend von anderen Wirtschaftszweigen kommt hier dem Gesichtspunkt der Gewinnmaximierung nur eingeschränkte Bedeutung zu (Büdenbender aaO, Rdnr. 73; Lukes aaO; Köhler ZHR (1973) S. 237, 251, 253). Das Prinzip der Preiswürdigkeit der Energieversorgung hat seinen Niederschlag in den einschlägigen Gesetzen und Rechtverordnungen gefunden …“
Das Bundeskartellamt bezieht sich in seiner Abmahnung der RWE AG wegen der Einpreisung von CO2-Zertifikaten in die Stromentgelte laut Beschluss B 8 – 88/05 – 2 vom 18.12.2006, zitiert nach ZNER Heft 4, 2007, Seite 448 – 473, auf die Bedeutung von § 1 EnWG, hier Seite 459 linke Spalte:
„
Im Unterschied zu marktbeherrschenden Unternehmen in anderen Wirtschaftszweigen ist die Betroffene als Energieversorgungsunternehmen den in § 1 Abs. 1 EnWG normierten Grundsätzen verpflichtet.
Dazu zählt zunächst das Gebot der preisgünstigen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bedeutet dieser das gesamte Energiewirtschaftsrecht beherrschende Grundsatz, dass dem Gesichtspunkt der Gewinnmaximierung nur eingeschränkte Bedeutung zukommt. Es handelt sich bei diesem Grundsatz keineswegs um einen Allgemeinplatz, denn er ist in Teilbereichen vom Gesetzgeber weiter konkretisiert worden. So sieht § 16 EEG eine besondere Ausgleichsregelung für Unternehmen des produzierenden Gewerbes (Unternehmen mit einem Stromverbrauch von über 10 GWh/a und einem Anteil der Stromkosten an der Bruttowertschöpfung von über 15 %) vor. Nach § 19 Abs. 2 StromNEV ist ein individuelles - niedrigeres – Netzentgelt anzubieten, wenn die Stromabnahme bestimmte Größenordnungen erreicht (7.500 Benutzungsstunden und Stromverbrauch über 10 GWh/a). Nach § 12 Abs. 2 BTOEIt knüpft die Tarifpreisgenehmigung im Bereich Strom-Kleinkunden an den Nachweis der Erforderlichkeit der entsprechenden Preise bei elektrizitätswirtschaftlich rationeller Betriebsführung an.
Generell bedeutet der Grundsatz der Preisgünstigkeit ausweislich der Regierungsbegründung zu § 1 EnWG eine Versorgung mit Elektrizität (und Gas) zu Wettbewerbspreisen, ersatzweise zu möglichst geringen Kosten, was eine rationelle, effiziente und kostensparende Versorgung voraussetzt; Ziel des Grundsatzes der Preisgünstigkeit sind demnach möglichst günstige Strompreise, durch die der Wirtschaftsstandort Deutschland und damit die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft insgesamt gestärkt wird. Niedrige und stabile Energiepreise sind danach eine Grundvoraussetzung für ein stabiles Wirtschaftswachstum. Das Gebot der Preisgünstigkeit aus § 1 EnWG ist dabei keineswegs bloß ein Reflex des Wettbewerbsprinzips -das als Ordnungsrahmen auch für den Energiesektor gilt – sondern ein Gemeinwohlziel von eigenständiger Bedeutung.“
Die Gewinne der Stadtwerke Würzburg im zweistelligen Millionenbereich pro Jahr lassen sich nicht mit der Forderung nach Preisgünstigkeit aus §§ 1,2 EnWG vereinbaren.
3. Verfassungswidrigkeit der QuersubventionierungDie Stadtwerke Würzburg bilden mit zahlreichen anderen Unternehmen des WVV-Konzerns, so unter anderem mit der Würzburger Straßenbahn GmbH, einen Querverbund. Bei einem Querverbund werden im allgemeinen mehrere betriebliche Organisationseinheiten der kommunalen leitungsgebundenen Energie- und Wasserversorgung, der Entsorgung von Abfall und Abwasser, des kommunalen öffentlichen Personennahverkehrs sowie andere unternehmerisch geführter kommunale Dienstleistungen in einem Wirtschaftsunternehmen zusammengefasst, in Würzburg bei der WVV GmbH. Aus steuerlichen Gründen werden auch Gewinnabführungs- bzw. Verlustübernahmeverträge zwischen Mutter WVV und den Tochterunternehmen geschlossen. Bis 2008 war der Verlustausgleich innerhalb des WVV-Konzerns nach den Maßstäben der gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes als „
verdeckte Gewinnausschüttung“ und Steuerhinterziehung zu qualifizieren. Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2009 wurde der § 8 Abs. 7 KStG neu gestaltet und der Querverbund steuerrechtlich legalisiert.
Unabhängig von der steuerlichen Bewertung bleibt die Finanzierung des ÖPNV durch überhöhte Energiepreise verfassungswidrig, auch wenn die Quersubvention in ähnlicher Form bei vielen anderen Kommunen so praktiziert wird. Das wird in meinen Beitrag mit dem Titel „Verfassungswidrigkeit der Quersubventionierung von öffentlichen Aufgaben durch überhöhte Energiepreise“ ausführlich dargestellt, dort besonders Abschnitt 2.2 und 2.3. Der Beitrag vom 15.11.2008 ist im Internet unter
http://www.cleanstate.de/Energiepreise.html abrufbar. Nach den Kommunalgesetzen besitzen die von den Bürgern gewählten Stadt- und Gemeindeparlamente die Haushaltshoheit. Durch die Überwälzung öffentlicher Aufgaben auf den Kommunalbetrieb und vor allem durch die Finanzierung öffentlicher Aufgaben durch die Stadtwerke entsteht jedoch ein regelrechter Schattenhaushalt. Der öffentliche Haushalt der Stadt verliert in kommunalpolitischer Hinsicht seine Aussagekraft, wenn es wesentliche Aufgaben z. B. im öffentlichen Personennahverkehr, im Betrieb von Schwimmbädern, im Unterhalt von Schulen oder in der Kulturförderung gibt, die außerhalb des städtischen Haushaltes erbracht und finanziert werden. Mit dem sogenannten Steinkohlepfennigurteil hat das Bundesverfassungsgericht am 11. Oktober 1994 unter Aktenzeichen 2 BvR 633/86 die Grundsätze zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben eindeutig definiert.
Die Gewinne aus den überhöhten Energiepreisen lassen sich weder mit Kommunal- noch Energiewirtschaftsgesetz vereinbaren. Die steuerrechtliche Zulässigkeit des Querverbundes tritt dahinter zurück.
4. FazitDas, was der Stadtwerke-Vorstand Prof. Dr. Menke in dem Interview mit der Main-Post ausdrückt, ist nicht mehr oder weniger als das Geständnis: bei den Stadtwerken werden vorsätzlich die Preise für Energie und Trinkwasser überhöht, um daraus Gewinne zu erwirtschaften, mit denen sich die riesigen Verluste im öffentlichen Personennahverkehr decken lassen. Der Neubau der Straßenbahn-Linie 6 zum Hubland vergrößert, laut Prognose bis zum Jahr 2025, das Betriebsdefizit der Würzburger Straßenbahn GmbH um jährlich rund 2,5 Millionen Euro. So berichtete es die Main-Post vom 26.3.2011 unter Bezug auf den Stadtwerke-Vorstand und WVV-Geschäftsführer Thomas Schäfer. Damit verschärft sich sogar noch der Druck auf die Stadtwerke Würzburg zum Erwirtschaften von Gewinnen.
Mit Schreiben vom 31.3.2011 habe ich den Verantwortlichen bei den Stadtwerken, im Stadtrat und in der Kommunalaufsicht eine Frist von einem Monat gesetzt, die Preisgestaltung der Stadtwerke Würzburg nach den gesetzlichen Vorgaben anzupassen. Sollten die Verantwortlichen nicht entsprechend tätig werden, werde ich kommunalrechtliche und strafrechtliche Schritte einleiten. Dabei habe ich ausdrücklich auf die Grundsätze der beiden Leitsatzentscheidungen 5 StR 394/08 des Bundesgerichtshofes vom 9.6.2009 und 17.7.2009 hingewiesen, als bei der Berliner Straßenreinigung die Verantwortlichen wegen Betrugs durch das Abrechnen überhöhter Entgelte verurteilt wurden. Selbstverständlich werde ich das Geständnis des Stadtwerke-Vorstandes auch in meinem Zivilprozess zur Billigkeit von Energie- und Trinkwasserpreisen nutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Lothar Gutsche
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Lothar.Gutsche@arcor.de