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Autor Thema: BGH-Urteil: Bonuszahlung trotz Klausel in AGB  (Gelesen 4074 mal)

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Offline Energiefachmann

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BGH-Urteil: Bonuszahlung trotz Klausel in AGB
« am: 23. Mai 2013, 23:26:22 »
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich am 17.4.2013 in zwei Entscheidungen mit der Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung in Stromlieferungsverträgen befasst, nach der einem Neukunden bei einer bestimmten Vertragsdauer ein einmaliger Bonus gewährt wird.

In den zu entscheidenden Verfahren streiten die Parteien darüber, ob der Stromlieferant verpflichtet ist, den Stromabnehmern diesen sogenannten „Aktionsbonus“ zu zahlen. Den Stromlieferungsverträgen lag folgende Allgemeine Geschäftsbedingung zugrunde: „Wenn Sie als Neukunde einen Vertrag mit dem Stromlieferanten schließen, gewährt Ihnen dieser einen einmaligen Bonus. Dieser wird nach 12 Monaten Belieferungszeit fällig und spätestens mit der ersten Jahresrechnung verrechnet. Neukunde ist, wer in den letzten 6 Monaten vor Vertragsschluss in seinem Haushalt nicht von dem Lieferanten beliefert wurde. Der Bonus entfällt bei Kündigung innerhalb des ersten Belieferungsjahres, es sei denn, die Kündigung wird erst nach Ablauf des ersten Belieferungsjahres wirksam.“

Die Stromkunden kündigten die Verträge jeweils zum Ablauf des ersten Belieferungsjahres. Der Stromlieferant berücksichtigte den Bonus in den Schlussrechnungen nicht.  Der BGH hat jedoch entschieden, dass die Klausel in der hier maßgeblichen Fassung für einen juristisch nicht vorgebildeten Kunden ohne Weiteres dahin verstanden werden kann, dass ein Anspruch auf den Bonus bereits dann besteht, wenn der Vertrag mindestens ein Jahr bestanden hat. Die Klausel ist deshalb in diesem Sinne auszulegen.

Offline superhaase

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Re: BGH-Urteil: Bonuszahlung trotz Klausel in AGB
« Antwort #1 am: 24. Mai 2013, 07:37:54 »
Der BGH hat jedoch entschieden, dass die Klausel in der hier maßgeblichen Fassung für einen juristisch nicht vorgebildeten Kunden ohne Weiteres dahin verstanden werden kann, dass ein Anspruch auf den Bonus bereits dann besteht, wenn der Vertrag mindestens ein Jahr bestanden hat. Die Klausel ist deshalb in diesem Sinne auszulegen.
Es ist mir ein Rätsel, warum nicht auch Juristen die Klausel eindeutig in diesem Sinne verstehen.
"Zum Ablauf" heißt ganz einfach, der Vertrag endet genau nach einem vollen Vertragsjahr.
"Nach Ablauf" heißt ganz einfach, der Vertrag endet nach mindestens einem vollen Vertragsjahr, also evtl. auch erst nach 1 Jahr und 1 Monat (z.B. wegen Umzug).
In beiden Fällen jedoch bleibt das erste Vertragsjahr komplett, so dass der Fall einer Kündigung "vor Ablauf" des ersten Vertragsjahres (z.B. durch Umzug, ansonsten kann der Kunde ja gar nicht vorzeitiig kündigen) durch diese Klausel ausgeschlossen ist.

Es besteht daher denknotwendig gar kein Zweifel, dass eine Kündigung "zum Ablauf" des ersten Vertragsjahres keine Kündigung "vor Ablauf" ist, sondern dem Zeitraum "nach Ablauf" des ersten Jahres zugeschlagen werden kann bzw. muss. Genauer gesagt genau an den Anfang des Zeitraums "nach Ablauf" des ersten Jahres, denn das erste Jahr bleibt ja unstreitig komplett und wird durch eine Kündigung "zum Ablauf" nicht verkürzt.
Der Kunde bekommt ja auch keine Gutschrift, weil er nur etwa 364 Tage beliefert worden wäre.
Auch gibt es keinen Zeitraum "zwischen" den beiden Zeiträumen "vor Ablauf" und "nach Ablauf". Diese beiden Zeiträme grenzen unmittelbar aneinander, da sie nur durch einen einzigen Zeitpunkt, nämlich dem eindeutigen Ende des ersten Jahres, voneinander getrennt sind, und nicht etwa durch zwei Zeitpunkte mit dazwischenliegendem Zeitraum.
Mit anderen Worten:
Eine Kündigung "zum Ablauf" des ersten Jahres ist gleichbedeutend einer Kündigung "zum Beginn" des zweiten Jahres. Ablauf des ersten Vertragsjahres und Beginn des zweiten Vertragsjahres sind ein und derselbe Zeitpunkt.
Insofern ist diese Formulierung auch absolut gleichbedeutend mit der Formulierung "es sei denn, die Kündigung wird erst ab Beginn des zweiten Belieferungsjahres wirksam" oder auch "es sei denn, die Kündigung wird nicht bis zum Ablauf des ersten Belieferungsjahres wirksam"
Die Wirkung - und um diese geht es auch nach dem Wortlaut der Klausel - ist immer dieselbe: das erste Vertragsjahr ist vollständig und unversehrt. Durch eine Kündigung "zum Ablauf" wird vom ersten Vertragsjahr ebenso wenig abgezwackt wie bei einer Kündigung "nach Ablauf" des ersten Jahes.

Etwas anderes in diese Formulierungen hineindefinieren zu wollen, geht völlig an der Lebenswirklichkeit vorbei.

Hätte der Klauselverwender etwas anderes ausdrücken wollen, hätte er anders formulieren müssen, wie etwa "es sei denn, die Kündigung wird erst nach Verlängerung des Vertrages um ein weiteres Belieferungsjahr wirksam".
« Letzte Änderung: 24. Mai 2013, 07:54:59 von superhaase »
8) solar power rules

Offline bolli

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Re: BGH-Urteil: Bonuszahlung trotz Klausel in AGB
« Antwort #2 am: 24. Mai 2013, 07:51:33 »
@Energiefachmann
Dann können Sie auch direkt den Link zu einem im Bereich "Gerichtsurteile" vorhandenen Thread zu einem dieser Urteile setzen.  BGH, Urt. v. 17.04.13 VIII ZR 225/12 Bonusklausel Flexstrom

 

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