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Autor Thema: Gassperre trotz Guthaben  (Gelesen 14811 mal)

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Offline bolli

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Re: Gassperre trotz Guthaben
« Antwort #15 am: 08. April 2013, 13:35:45 »
Gibbet so wat wirklich oder ist das "die blanke Theorie" ? Möglich ist natürlich vieles, vor allem für einen Juristen.  ;)

Offline RR-E-ft

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Re: Gassperre trotz Guthaben
« Antwort #16 am: 08. April 2013, 13:45:59 »
In vielen AGB für Sonderverträge ist geregelt, dass der Lieferant Abschläge festsetzen und fordern kann.
Wo dies in Sonderverträgen nicht geregelt ist, kann der Lieferant keine Abschläge festsetzen und fordern.
Dann hat er halt gar keinen vertraglichen Anspruch auf Abschläge und kann Zahlung erst nach erfolgter  Rechnungslegung beanspruchen.

Merke:

Die Verpflichtung des Kunden zur Abschlagszahlung setzt bei Sonderverträgen einen entsprechenden vertraglichen Anspruch des Lieferanten voraus.

Offline bolli

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Re: Gassperre trotz Guthaben
« Antwort #17 am: 09. April 2013, 09:38:02 »
Das mit den Abschlägen fordern ist schon klar und mir auch bekannt. Aber ich habe bisher nur solche Sonderverträge kennen gelernt, in denen die Abschlagszahlung analog der gesetzlichen Regelung der §§ 13 GasGVV bzw. StromGVV geregelt ist (sprich Orientierung am Vorjahresverbrauch, etc.). Eine Regelung, wo der Anbieter seinen Abschlag quasi beliebig ausschließlich einseitiug festlegen kann, war mir bisher nicht bekannt, obwohl ich schon so einige AGB's gesehen und gelesen habe. Aber es soll ja die unmöglichsten Dinge geben.

Offline RR-E-ft

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Re: Gassperre trotz Guthaben
« Antwort #18 am: 09. April 2013, 10:37:46 »
Wenn das Recht des Versorgers, Abschläge festsetzusetzen und zu fordern, AGB- rechtlich wirksam eingeräumt sein soll,
so darf die Festsetzung der Abschläge und ihrer Höhe nicht in das freie Belieben des Versorgers gestellt sein,
sondern muss gerade gebunden sein, gem. § 315 Abs. 1 BGB im Zweifel an billiges Ermessen.

§ 17 GVV betrifft schließlich auch die Billigkeitskontrolle von Abschlagsberechnungen.
« Letzte Änderung: 09. April 2013, 10:45:29 von RR-E-ft »

Offline bolli

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Re: Gassperre trotz Guthaben
« Antwort #19 am: 09. April 2013, 12:59:23 »
Wenn das Recht des Versorgers, Abschläge festsetzusetzen und zu fordern, AGB- rechtlich wirksam eingeräumt sein soll,
so darf die Festsetzung der Abschläge und ihrer Höhe nicht in das freie Belieben des Versorgers gestellt sein,
sondern muss gerade gebunden sein, gem. § 315 Abs. 1 BGB im Zweifel an billiges Ermessen.
Aber die Formulierung
Zitat
Abschlagsberechnung
Wird der Verbrauch für mehrere Monate abgerechnet, so kann der Lieferant für das nach der letzten
Abrechnung verbrauchte Gas eine Abschlagszahlung verlangen. Diese ist anteilig für den Zeitraum der
Abschlagszahlung entsprechend dem Verbrauch im zuletzt abgerechneten Zeitraum zu berechnen. Ist eine
solche Berechnung nicht möglich, so bemisst sich die Abschlagszahlung nach dem durchschnittlichen
Verbrauch vergleichbarer Kunden. Macht der Kunde glaubhaft, dass sein Verbrauch erheblich geringer ist,
so ist dies angemessen zu berücksichtigen.

beinhaltet doch keine einseitige Festsetzung sondern beinhaltet eine, zumindest auf den ersten Blick, nachvollziehbare und klare Regelung zur Berechnung der Abschläge. Und wenn diese in einen Sondervertrag eingebaut ist dürfte meines Erachtens doch ein Billigkeitseinwand gem. § 315 BGB gegen die Abschlagsfestetzung nicht in Betracht kommen, oder ?
Zumindest wenn sich die Forderung nachvollziehen lässt. Wenn nicht dürfte ein Verstoß gegen die AGB vorliegen, der aber immer noch keinen Billigkeiteinwand rechtfertigt sondern nur ein Zurückbehaltungsrecht wegen Verstoß gegen die Berechnung der Abschläge lt. AGB, oder sehe ich das falsch ?

Was anderes könnte natürlich gelten, wenn die Berechnung der Abschläge nicht an solche klaren Regeln gekoppelt wäre sondern der Versorger sich lediglich das Recht einräumen lässt, Abschläge einzufordern ohne eine Berechnung darzulegen. Dann käme sicherlich die Variante mit dem Billigkeitseinwand zum Zuge.

Offline RR-E-ft

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Re: Gassperre trotz Guthaben
« Antwort #20 am: 09. April 2013, 13:21:24 »
Wir bewegen uns weiter sehr weit weg, vom eigentlichen Anliegen des Threads.

Schon die Entscheidung, ob er überhaupt vom vertraglich eingeräumten Recht Gebrauch macht,
eine Abschlagszahlung zu fordern, wird in das Ermessen des Versorgers gestellt.
Es handelt sich um eine einseitige Ermessensentscheidung iSv. § 315 Abs. 1 BGB.

Und oft ist es bei Lichte betrachtet nicht eine Abschlagszahlung, die gefordert wird,
sondern es werden gleich mehrere verlangt.

Da entscheidet der Versorger wiederum nach  Ermessen einseitig,
ob er halbjährlich, quartalsweise oder monatlich Abschlagszahlungen verlangt.
Womöglich wäre auch das Fordern wöchentlicher oder täglicher Abschlagszahlungen möglich,
jedoch wohl nicht angemessen.

Dass geforderte montliche Abschläge der Höhe nach unbillig sein können, hat der BGH bereits festgestellt.

BGH, Urt. v. 22.02.2012 Az. VIII ZR 34/11, juris Rn. 39:

Zitat
Auch der Feststellungsantrag des Klägers, dass die anlässlich der Jahresabrechnung vom 20. November 2009 ermittelten Abschlagsbeträge von
281 € monatlich unbillig, unwirksam und nicht fällig, mithin nicht geschuldet sind, ist begründet.
 

Und siehe da:

Der monatliche Abschlag war in jener Entscheidung der Höhe nach gerade deshalb unbillig, unwirksam und nicht fällig, mithin nicht geschuldet,
weil nicht - wie vertraglich vorgesehen- zutreffend auf den Verbrauch abgestellt wurde,
sondern auf einen Verbrauch, der sich bei Zugrundelegung vertraglich nicht geschuldeter Preise ergab.

Zitat
Hat die Beklagte dieser Jahresabrechnung nämlich einen nicht geschuldeten Preis zugrunde gelegt, ist auch der gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1, 2 GasGVV auf der Grundlage dieser Abrechnung ermittelte Abschlag mangels Orientierung am Verbrauch im zuletzt abgerechneten Zeitraum nicht zutreffend ermittelt. So verhält es sich hier. Denn die betreffende Jahresabrechnung baut auf mehrfach geänderten Sonderpreisen auf, für die sich die Beklagte  - wie ausgeführt - auf ein Preisänderungsrecht nicht stützen kann. Der Kläger schuldet deshalb Abschlagszahlungen jedenfalls nicht in der von der Beklagten beanspruchten Höhe.
 
« Letzte Änderung: 09. April 2013, 14:05:28 von RR-E-ft »

Offline bolli

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Re: Gassperre trotz Guthaben
« Antwort #21 am: 10. April 2013, 08:06:03 »
Der monatliche Abschlag war in jener Entscheidung der Höhe nach gerade deshalb unbillig, unwirksam und nicht fällig, mithin nicht geschuldet,
weil nicht - wie vertraglich vorgesehen- zutreffend auf den Verbrauch abgestellt wurde,
sondern auf einen Verbrauch, der sich bei Zugrundelegung vertraglich nicht geschuldeter Preise ergab.
Allerdings handelte es sich bei diesem Vertragsverhältnis um ein Vertragsverhältnis in der Grundversorgung, wo mithin §13 GasGVV sowie § 17 GasGVV anwendbar sind, was in einem Sondervertragsverhältnis, wo die Regelungen der GasGVV nicht Vertragsbestandteil geworden sind, nicht der Fall ist.
Aber grundsätzlich habe ich es wohl verstanden.  ;)

Offline RR-E-ft

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Re: Gassperre trotz Guthaben
« Antwort #22 am: 10. April 2013, 10:48:31 »

Allerdings handelte es sich bei diesem Vertragsverhältnis um ein Vertragsverhältnis in der Grundversorgung, wo mithin §13 GasGVV sowie § 17 GasGVV anwendbar sind, was in einem Sondervertragsverhältnis, wo die Regelungen der GasGVV nicht Vertragsbestandteil geworden sind, nicht der Fall ist.

Es ist davon auszugehen, dass in diesen Sondervertrag eine dem § 13 GasGVV entsprechende Regelung als AGB einbezogen wurde.
Anderfalls hätte schon kein Anspruch auf Abschlagszahlungen bestanden.

Wenn die betreffende Jahresrechnung auf merfach geänderten Sonderpreisen beruhte, kann es sich nicht um die Grundversorgung gehandelt haben.
Der BGH hat schließlich in seinem Urteil vom 22.02.12 Az. VIII ZR 34/11 umfassend herausgearbeitet, dass und warum der betroffene Kunde Sondervertragskunde ist.
« Letzte Änderung: 10. April 2013, 10:56:17 von RR-E-ft »

Offline bolli

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Re: Gassperre trotz Guthaben
« Antwort #23 am: 10. April 2013, 12:51:50 »
Wenn die betreffende Jahresrechnung auf merfach geänderten Sonderpreisen beruhte, kann es sich nicht um die Grundversorgung gehandelt haben.
Der BGH hat schließlich in seinem Urteil vom 22.02.12 Az. VIII ZR 34/11 umfassend herausgearbeitet, dass und warum der betroffene Kunde Sondervertragskunde ist.
Wenn ich es richtig gelesen habe, hat das Gericht ja gerade festgestellt, das die mehrfach geänderten Preise eben zu Unrecht erhoben wurden. Und in Rdn. 38 des Urteils habe ich gelesen
Zitat
Grundsätzlich hätte die Beklagte vom Kläger zwar den zu Beginn der Grundversorgung im Oktober 2007 geltenden Allgemeinen Preis als vereinbarten Anfangspreis beanspruchen können. Denn diesen Allgemeinen Preis schuldete der Kläger ungeachtet des von ihm erhobenen Widerspruchs allein durch die tatsächliche Inanspruchnahme der ihm im Rahmen der Grundversorgung angebotenen Versorgungsleistungen als vereinbarten Preis...
Kann aber auch sein, dass er sich zwar in einem Sondervertragsverhältnis befand und nur die Preise der Grundversorgung von 2007 beanspruchen kann (mangels anderer vereinbarter Preise), denn in Rdn 35 steht auch
Zitat
Ein solches gesetzliches Preisänderungsrecht besteht ferner dann nicht, wenn das Versorgungsunternehmen - wie hier - dazu übergeht, einen Kunden, der bis dahin als Tarifkunde oder im Rahmen der Grundversorgung beliefert worden ist, aus dessen Sicht außerhalb der Allgemeinen Tarife/Preise unter Inanspruchnahme von Vertragsfreiheit zu Sonderpreisen zu versorgen.
wobei zu bemerken ist, dass er ja vorher nicht in der Grundversorgung beliefert wurde sondern quasi nahtlos von seinem "alten" Sondervertrag in den Neuen mit den Sonderpreisen 2 "umgestuft" wurde.

Aber sei's drum. Thema hier sind ja die Abschläge und da habe ich gelernt, dass die Abweichung von der vereinbarten (oder in der GV geltenden) Berechnungsformel nicht nur ein AGB-Verstoß ist sondern anscheinend auch einen Unbilligkeitseinwand rechtfertigt, egal ob GV oder SV. Er ist sodann nicht geschuldet.

Offline RR-E-ft

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Re: Gassperre trotz Guthaben
« Antwort #24 am: 10. April 2013, 13:04:37 »
Ob bei bestehendem einseitigen Bestimmungsrecht iSv. § 315 Abs. 1 BGB
nach Unbilligkeitseinrede eine Verbindlichkeit vorliegt oder nicht,
richtet sich nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.


Offline Energiesparer51

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Re: Gassperre trotz Guthaben
« Antwort #25 am: 13. April 2013, 19:09:13 »
wie so oft ist leider nichts über den Fortgang der Dinge berichtet worden.  :'(
Trau keinem Pseudowissenschaftler!

 

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