Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Stadtwerke München veröffentlichen Gutachten  (Gelesen 14693 mal)

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Offline burt13de

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Stadtwerke München veröffentlichen Gutachten
« am: 15. November 2005, 15:55:54 »
Hallo,

wie viele andere Gaskunden habe ich vor ein paar Monaten gegen die
erhöhten Gaspreise per Musterbrief Widerspruch eingelegt und meine
Abschlagszahlung auf den alten Preis +2% gekürzt.

Jetzt habe ich von den Stadtwerken München (SWM) ein Schreiben mit
Gutachten erhalten, was die Preiserhöhung rechtfertigen soll.

http://de.geocities.com/burt13de/gaspreis_gutachten1.pdf
http://de.geocities.com/burt13de/gaspreis_gutachten2.pdf

Die SWM rühmen sich, dies als erstes Versorgungsunternehmen getan zu haben. Nachdem die SWM selber dieses Gutachten in Auftrag gegeben haben, stellt sich natürlich die Frage, wie objektiv dieses überhaupt sein kann?

Für mich wiederum stellt sich nun das Problem, dass ich zwar einerseits in meinem Widerspruch die Offenlegung der Zahlen eingefordert hatte, nun aber mit dem Ergebnis nichts anzufangen weiß.  :?

Ist einer von Euch in dem Juristen- und Finanzdeutsch fit genug, diese Gutachten zu durchleuchten und einen Kommentar dazu abzugeben?

Viele Grüße
Norbert

Offline RR-E-ft

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Stadtwerke München veröffentlichen Gutachten
« Antwort #1 am: 15. November 2005, 16:33:35 »
@burt13e

Wenn die Rohmarge auskunftsgemäß derzeit nicht kostendeckend sein soll, würde dies bedeuten, dass der Versorger keinen Gewinn, sondern einen dauernden Verlust erwirtschaftet.

Das ist nicht nur unglaubwürdig.

Wegen der Versorgungssicherheit darf ein Versorger keinen Verlust erwirtschaften.

Nach der sog. Differenzmethode, welche die Kartellbehörden regelmäßig anwenden, wäre dies ein Indiz für kartellrechtswidrig überhöhte Netznutzungsentgelte:


Von den Gesamtentgelten werden dabei die NNE subtrahiert.

Die Differenz muss die Kosten des Energiebezugs abdecken und einen eigenen angemessenen Gewinn zulassen, was vorliegend wohl nicht der Fall wäre.

Dies kann dafür sprechen, dass in prohibitiv überhöhten Netzentgelten Gewinne versteckt werden.

Solche NNE zahlt die SWM Versorgungs GmbH an die SWM Infrastruktur GmbH als Netzbetreiber. Dort entstehen enstprechende Einnahmen, von denen aus genannten Gründen anzunehmen ist, dass diese zumindest unbillig überhöht, wenn nicht gar kartellrechtswidrig sind.

Im Einzelnen vergleiche hier:

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=1798


Die Kriterien derRechtsprechung zur Billigkeit von Energiepreisen (BGH, RdE NJW-RR 1992, 183 ff.) wurden offensichtlich überhaupt nicht angewandt.

Nach alldem handelt es sich bei diesem Gutachten nicht um die geforderte Offenlegung der Preiskalkulation.

Diese muss von einem Gericht überprüft werden.


Aus dem Gutachten geht selbst hervor, dass nur wesentliche unzutreffende Angaben ausgeschlossen werden könnten.

Es bestehen also große Unsicherheiten, die bis an eine Wesentlichkeitsschwelle heranreichen können ( 10 bis 15, eher 20 Prozent).

Wie so oft bei Gutachten hört es sich nach viel an und sagt doch tatsächlich sehr wenig aus.

Wegen der og. g. Besorgnis überhöhter NNE nach der Differenzmethode sollten Sie die Gutachten jedoch ausdrucken und mit einem entsprechenden Hinweis an das Bundeskartellamt und die Bundesnetzagnetur übersenden, damit man dort ggf. den Sachverhalt der angeblich nicht kostendeckenden Margen weiter aufklären kann.

Interesse hat man dort für solches Material immer, kann man dieses doch mit anderen vorgelegten Zahlenwerken abgleichen.



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline Mona

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Stadtwerke München veröffentlichen Gutachten
« Antwort #2 am: 17. November 2005, 11:00:43 »
Ich hab noch ein paar Fragen dazu, da auch ich solch ein Schreiben von der SWM bekommen habe.

Auf Seite 2 des Berichtes wird geschrieben:

Wir weisen darauf hin, dass wir im Rahmen dieser gutachtlichen Tätigkeit keine Überprüfung der Buchführung, der Jahresabschlüsse oder der Geschäftsführung der Gesellschaft vorgenommen haben.

Muß dies nicht auch bei der Offenlegung der Preiskalkulation berücksichtigt werden??

Muß eine Offenlegung der Preiskalkulation immer von einem Gericht überprüft werden?

Genügt es, wenn ich in meinem Antwortschreiben auf das Urteil verweise:

BGH NJW-RR 92

„Im Rahmen der Offenlegung der Kalkulation hat der Versorger mithin im Einzelnen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, welche allgemeinen und besonderen Kosten, die durch die Belieferung des Kunden mit Fernwärme entstehen, abzudecken sind; ferner, welchen Gewinn er zur Bildung von Rücklagen, zur Finanzierung von Investitionen oder zur Verzinsung des aufgenommenen Kapitals bzw. der Einlagen seiner Gesellschafter mit dem dem Kunden berechneten Preis erzielen wollte .“

Sorry, für die vielen Fragen. Aber ich kenne mich mit der rechtlichen Lage überhaupt nicht  aus. Habe zwar versucht mich hier im Forum schlau zu machen, es gibt aber sicher auch noch ander SWM-Kunden, die jetzt mit der vorgelegten Preiskalkulation nichts anfangen können und nicht wissen, wie sie darauf reagieren sollen.

Schöne Grüße
Mona

Offline RR-E-ft

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Stadtwerke München veröffentlichen Gutachten
« Antwort #3 am: 17. November 2005, 12:51:27 »
@Mona

Bei dem von SWM beauftragten Gutachten handelt es sich in jedem Falle nicht um die verlangte Offenlegung der Preiskalkulation.

Die Kriterien zur Überprüfung der Billigkeit von Energiepreisen haben Sie aus dem genannten BGH- Urteil (NJW- RR 1992, 183) richtig entnommen.

Das Wort Fernwärme erstezen Sie durch Erdgas.

Verweisen Sie auch auf die Aufsätze Held, NZM 2004, 196 und Fricke WuM 2005, 547.

Natürlich ist dabei auch auf die Buchführung abzustellen, zumal für die verschiedenen Sparten wohl auch unterschiedliche Buchführungen vorhanden sein müssen.

Es bleibt dabei dass der Versorger auf Zahlung klagen müsste und dabei die vollständige Darlegungs- und Beweislast trägt, bis zur Rechtskraft eines Urteils, welches den \"billigen Preis\" bestimmt keine fällige Forderung besteht (BGH NJW 2005, 2919).

Somit steht fest, dass von einer Fälligkeit erst gesprochen werden kann, wenn ein Gericht die Billigkeit der Preisbestimmung geprüft hat. Dazu müsste der Versorger aber erst einmal klagen.

Das vorgelegte Gutachten ist ersichtlich nicht geeignet, dem Gericht eine Beurteilung nach den Kriterien der Rechtsprechung zu ermöglichen, natürlich auch Ihnen selbst nicht.

Weil dies so ist, verbleibt es in rechtlicher Hinsicht  bei der Situation nach Ihrem Widerspruch, der weiterhin Geltung beansprucht.



Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline burt13de

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Stadtwerke München veröffentlichen Gutachten
« Antwort #4 am: 17. November 2005, 17:09:14 »
@ RR-E-ft

Vielen Dank für die Beurteilung des Gutachtens. Sollte ich nun dazu stellungnehmen oder einfach kommentarlos weiterhin weniger zahlen?

Viele Grüße
Norbert Mieth

Offline RR-E-ft

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Stadtwerke München veröffentlichen Gutachten
« Antwort #5 am: 17. November 2005, 18:06:37 »
@burt13de

Sie können Ihrem Versorger auch etwas kurzes texten, damit der sieht, dass seine Kunden sich mit dem Thema befasst haben.

Es bleibt noch daruaf hinzuweisen, dass ersichtlich wird, dass die Marge im IV. Quartal 2004 einen ordentlichen Sprung nach oben machte.

In diesem Quartal wurden also wohl ersichtlich nicht nur gestiegene Bezugskosten weitergegeben. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Preise vor der Heizperiode so drastisch erhöht werden mussten, um diesen Margensprung zu ermöglichen.

Man hätte wohl die Preise auch erst zu einem späteren Zeitpunkt erhöhen können, nur wäre dann eben das entscheidende Geschäft in dieser Heizperiode schon vorbei gewesen.

Mengengewichtet wird man in IV/ 2004 und I/2005 den größten Absatz gehabt haben.

Wie sich welche Kosten tatsächlich verändert haben sollen und wie sich diese Änderungen auf die Preise auswirkten, wird überhaupt nicht ersichtlich.

Unter nachvollziehbar und prüffähig verstehe hoffentlich nicht nur  ich etwas anderes.



Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline jonny1993

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Stadtwerke München veröffentlichen Gutachten
« Antwort #6 am: 28. Dezember 2005, 12:58:37 »
Zitat von: \"RR-E-ft\"
@burt13de
Gehöre auch zu den \"Gaspreisrebellen\", habe Unbilligkeit der Preiserhöhungen geltend gemacht und alle Einzugsaufträge für erloschen erklärt. Überweise monatlich per Dauerauftrag auf Basis der alten Gaspreise. Trotzdem haben die SWM lustig weiter abgebucht und nach meiner Rückbuchung 17,31 Euro Gebühren verlangt. Daraufhin habe ich rechtliche Schritte angekündigt.
Und jetzt kommt\'s: im Dezember haben die SWM nicht mehr den vollen Betrag abgebucht, sondern die Differenz zwischen dem, was ich überweise und dem, was sie haben wollen (= 34 Euro) - aber nicht als Differenzzahlung, sondern als \"Abschlag Abwasser\" deklariert. Da aber die Abwasser-Abschlagszahlung (= 43 Euro) in meinen Monatsüberweiungen enthalten ist, riecht mir das gewaltig nach Betrug. Würde dazu gern die Meinung eines Juristen hören.
Mit den besten Grüßen, Rolf Johannsen

Offline RR-E-ft

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Stadtwerke München veröffentlichen Gutachten
« Antwort #7 am: 28. Dezember 2005, 13:16:12 »
@jonny1993

Sie sollten die Abschläge für die einzelnen Sparten gesondert überweisen.

Wenn Sie im Übrigen zu Ihrer speziellen Frage eine Antwort von einem Juristen haben möchten, könnten Sie sich mit dieser Frage auch an die Kollegen der Staatsanwaltschaft wenden, die darauf spezialisiert sind, solche Fragen zu beantworten.


Stellen Sie jedoch dort nur eine entsprechende Frage in sachlichem Ton  und stellen Sie keine Strafanzeige und erheben Sie auch keine Vorwürfe. Immerhin geht es Ihnen nur um die Beantwortung einer juristischen Frage von Fachkollegen.

Man prüft die Frage dort selbst.






Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline Cremer

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Stadtwerke München veröffentlichen Gutachten
« Antwort #8 am: 28. Dezember 2005, 13:50:35 »
@jonny1993,

ist in ähnlicher Form bei mir der Fall.

Die Stadtwerke Kreuznach sind Versorger für Gas, Strom und Wasser.

Das Abwasser wird durch Gebührenbescheide der Stadtverwaltung KH erlassen.

Aber: :!:

Die SW haben auch bei mir nach Kürzung der Abschläge für Strom und Gas in den Mahnungen und Zahlungsaufforderungen auch das Wasser namentlich  angemahnt.

Ist mir aber egal.:evil:
 
Ich habe aber auch bereits im August gegen den Wasserpreis Widerspruch eingelegt. Nach dem Haushaltsplan der Stadt, worin die SW aufgeführt sind, sollen diese in 2005 einen Gewinn (Ertrag =Ebit) von 20% machen!!!!!  :shock:  

Wasser ist ein Lebensmittel !!!:shock:  :shock:
 
Insofern stört es mich nicht weiter  :wink:
MFG
Gerd Cremer
BIFEP e.V.

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Offline burt13de

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Stadtwerke München veröffentlichen Gutachten
« Antwort #9 am: 04. Januar 2006, 10:43:04 »
Teile hiermit meinen Zwischenstand mit.

Ich muss gestehen, ich habe es versäumt, den SWM auf das Gutachten zu Antworten, was aber auch, wenn ich das richtig verstanden habe, juristisch nicht unbedingt nötig ist. Ich halte ja weiterhin an dem Einspruch fest.

Nun haben sie mir eine Mahnug über die ausstehenden Abschlagszahlungen zzgl. Mahngebühr geschickt und drohen mit Inkassodienst und Einstellung der Energieversorgung (§ 33 der AVB).

Gegen diese Mahnung werde ich nun Widerspruch einlegen.

Viele Grüße
Norbert Mieth

Offline Cremer

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