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Autor Thema: BGH, Urt. v. 17.10.12 VIII ZR 292/11 zur Billigeitskontrolle Fernwärmepreis  (Gelesen 4109 mal)

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Offline RR-E-ft

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Der Link zu BGH, Urt. v. 17.10.12 Az. VIII ZR 292/11 Billigkeitskontrolle von Fernwäremepreisen

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=62698&pos=22&anz=600


Zitat
AVBFernwärmeV § 2 Abs. 2 Satz 2; BGB § 315 Abs. 3
a) Als "gleichartige Versorgungsverhältnisse" im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 2 AVB-FernwärmeV kommen in erster Linie die von dem Fernwärmeversorger in dem Versorgungsgebiet geschlossenen Fernwärmelieferungsverträge mit anderen Endabnehmern in Betracht (Fortführung von Senatsurteil vom 15. Februar 2006 - VIII ZR 138/05, WuM 2006, 207).
b) Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 AVBFernwärmeV bestimmte Preise für die Lieferung von Fernwärme unterliegen nicht der gerichtlichen Billigkeitskontrolle in entsprechender Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB.
BGH, Urteil vom 17. Oktober 2012 - VIII ZR 292/11

Anmerkung:

Der Ausschluss der Billigkeitskontrolle hinsichtlich der Preise für vergleichbare Versorgungsverhältnisse vermag nur dann zu überzeugen, wenn es sich bei letzteren um ausgehandelte Preise handelt, die nicht ihrerseits vom Fernwärmeversorgungsunternehmen (unverhandelbar) gestellt wurden.
Andernfalls läge ein unzulässiger Zirkelschluss vor.

Die Entscheidung überzeugt nicht hinsichtlich des Ausschlusses der entsprechenden Anwendung des § 315 BGB bei Monopolstellung bzw. Anschluss- und Benutzungszwang.

Eine  Preisregulierung gem. BTOGas/ BTOElt war schließlich nicht Voraussetzung für eine Billigkeitskontrolle,
sondern schloss eine solche nicht aus.

Eine fehlende Tarifgenehmigungspflicht kann deshalb nicht als Argument für die Versagung der Billigkeitskontrolle in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB herangezogen werden.

Betroffene Kunden eines marktbeherrschenden Versorgers  können gem. § 33 GWB einen direkten Anspruch auf Preisherabsetzung haben. Auch dabei greift das Zivilgericht wie bei einer Billigkeitskontrolle in das Preisgefüge ein, wenn die vom Marktbeherrscher geforderten Preise missbräuchlich überhöht sind. 

Das Kartellzivilverfahren wegen § 33 GWB unterscheidet sich hinsichtlich der gerichtlichen Billigkeitskontrolle lediglich hinsichtlich der Darelgungs- und Beweislast. 
« Letzte Änderung: 04. Januar 2013, 21:14:10 von RR-E-ft »

Offline tangocharly

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Was der BGH mit den Bestimmungen in § 2 Abs. 2 AVBFernwärmeV erkannt haben will, wodurch für den Verbraucher hierdurch "Rechtssicherheit" geschaffen worden sei, erinnert immer wieder an "Kaffee-Satz-lesen".

Gemeint ist die Passage, wonach für den Verbraucher "die in vergleichbaren Verhältnissen vereinbarten Entgelte" auch im Verhältnis zu seinem Versorger "als vereinbart gelten".

Zwar kann sich der Erwerber bei seinem Vorbesitzer erkundigen, was dort für den Energiebezug gezahlt wurde.

Dessen Auskunft schafft aber noch lange keine Klarheit darüber, was von den anderen Eigentümern oder Nutzern gezahlt wird.

Denn spätestens jetzt muss der Verbraucher schon über Rechtskenntnisse verfügen, um beurteilen zu können, ob die gezahlten Preise auf der Grundlage von § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV beruhen oder vielleicht auf der Grundlage von " 1 Abs. 3 S. 1 AVBFernwärmeV.

Noch konfuser wird die Situation, wenn die "vergleichbaren Preise anderer Versorgungsunternehmen" in Betracht gezogen werden können.

Kurzum, das was zwischen den Parteien vereinbart sein soll, kann zwangsläufig erst nach einem Zahlungsprozess vom Verbraucher erkannt werden - wahrlich ein Ausbund von Rechtssicherheit.

Zudem verstößt § 2 Abs. 2 AVBFernwärmeV wegen seiner vagen Generalklausel gegen die Bestimmungen der Richtlinie 91/13 (Verbraucher-Richtlinie), Art. 3 und 5, sowie gegen den Verbotsindex des Anhangs zu Art. 3 Abs. 3 Ziff. 1, Buchst. i), wonach "Klauseln, die darauf abzielen oder zur Folge haben, dass die Zustimmung des Verbrauchers zu Klauseln unwiderlegbar festgestellt wird, von denen er vor Vertragsabschluß nicht tatsächlich Kenntnis nehmen konnte", unwirksam sind.

Dies jedenfalls dann, wie regelmäßig, der Kunde (wie auch derjenige im Streitfall) zuerst Energie zieht und dann - wenn überhaupt - von den Informationspflichten des Versorgers in Kenntnis gesetzt wird.

Schließlich - zur Klarstellung -:

Die Entscheidung des BGH betrifft wieder einmal "nur" den Sockelpreis, d.h. als vereinbart geltende Preise. Und nicht - wie sie vielleicht vom Leser mißverstanden werden könnte - die etwaigen nachfolgenden Preiserhöhungen. Für diese gilt § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV !
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