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Autor Thema: OLG Düsseldorf, B. v. 19.10.11 Az. VI-3 Kart 1/11 (V) Missbrauch Konzessionsabgabe Gas  (Gelesen 4657 mal)

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OLG Düsseldorf, B. v. 19.10.11 Az. VI-3 Kart 1/11 (V) Missbrauch Konzessionsabgabe Gas

Zitat
2.2.1. Für Durchleitungen Dritter, die mit ihren Kunden Sonderverträge abgeschlossen haben, kann nur die Konzessionsabgabe für Sondervertragskunden erhoben werden. § 2 Abs. 3 Nr. 2 KAV begrenzt die Höhe der Konzessionsabgabe für Sondervertragskunden i.S.d. § 1 Abs. 4 KAV auf 0,03 ct/kWh.
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Nach § 1 Abs. 4 KAV sind alle Kunden, die nicht Tarifkunden nach § 1 Abs. 3 KAV sind, Sondervertragskunden im Sinne der Verordnung. Tarifkunden sind gemäß § 1 Abs. 4 KAV nur solche Kunden, die auf der Grundlage von Verträgen nach den §§ 36 und 38, der Grund- und Ersatzversorgung, oder nach § 115 Abs. 2 und § 116 EnWG beliefert werden. Solche Verträge liegen den Gaslieferungen der durchleitenden Dritten unstreitig nicht zugrunde, sie beliefern ausschließlich Sondervertragskunden. Angesichts des klaren und eindeutigen Wortlauts des § 1 Abs. 3 KAV, der an das konkrete Lieferverhältnis und nicht an das Abnahmeverhalten des Letztverbrauchers anknüpft, ist für eine erweiternde Auslegung kein Raum. Haushaltskunden mit Lieferverträgen außerhalb der Grundversorgung können daher nicht zu den Tarifkunden i.S.d. § 1 Abs. 3 KAV zählen (ebenso: Kermel/Brucker/Baumann, Wegenutzungsverträge und Konzessionsabgaben in der Energieversorgung, 1. A., 2008, S. 195 ff.; Rosin/Semmler/Hermeier, et 2010, Heft 9, S. 88 ff.; Lecheler WuW 2009, 1249, 1259; Säcker/Mohr/Wolf, Konzessionsverträge im System des deutschen und europäischen Wettbewerbsrechts, 2011, S. 164; a. A.: Kermel in: BerlKommEnR, 2. A., 2010, Rdnr. 9 ff., 16 ff. zu § 1 KAV, Anh. § 48; Keller/Herder, Der Konzessionsvertrag unter dem neuen Energiewirtschaftsrecht, 2009, S. 193 ff.; Kühne, RdE 2010, S. 6 ff., 9; Höch/Kalwa, ZNER 2009, 361, 364 f.; Tittel/Otto, RdE 2009, 368 ff.; Tödtmann/Kaluza, ZNER 2011, 412 ff.).
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Für diese Lieferungen ist daher der Höchstsatz der Sondervertragskundenkonzessionsabgabe in § 2 Abs. 3 Nr. 2 KAV maßgeblich, soweit die KAV nichts anderes vorsieht.
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2.2.2. Ohne Erfolg berufen Betroffene und Beigeladene sich insoweit auf § 2 Abs. 6 KAV. Dieser sieht in Satz 1 vor, dass im Verhältnis zwischen Netzbetreiber und Gemeinde für Lieferungen Dritter, die im Wege der Durchleitung Strom oder Gas an Letztverbraucher liefern, Konzessionsabgaben bis zu der Höhe vereinbart oder gezahlt werden können, wie sie der Netzbetreiber in vergleichbaren Fällen für Lieferungen seines Unternehmens oder durch verbundene oder assoziierte Unternehmen in diesem Konzessionsgebiet zu zahlen hat. Satz 2 berechtigt den Netzbetreiber dazu, diese Konzessionsabgaben dem Durchleitungsentgelt hinzuzurechnen.
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Lieferungen an Sondervertragskunden stellen indessen keinen vergleichbaren Fall mit der Lieferung des Vertriebs der Betroffenen auf der Basis eines Grundversorgungsverhältnisses dar.
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Streitentscheidend ist die Frage, ob sich die Vergleichbarkeit der Lieferung anhand der Tarifstruktur des mit dem Netzbetreiber verbundenen Vertriebs oder anhand der materiell-rechtlichen Kundenstruktur beurteilt. Käme es auf die Tarifstruktur des verbundenen Vertriebs an, hätte es dieser und damit der Netzbetreiber in der Hand, die Höhe der Konzessionsabgaben auch für Durchleitungen Dritter zu bestimmen, indem er – wie hier die Betroffene – die Haushaltskunden seines Versorgungsgebiets lediglich zu Allgemeinen Tarifen und Bedingungen im Wege der Grundversorgung versorgt und nicht auch Sonderverträge anbietet. Käme es auf die materiell-rechtliche Kundenstruktur an, würde sich die Höhe der Konzessionsabgabe nach der Wahl des Versorgers durch den Letztverbraucher bestimmen, also im Wettbewerb.
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2.2.2.1. Schon die Systematik der Regelungen der KAV spricht allein dafür, dass die materiell-rechtliche Kundenstruktur maßgeblich ist, sofern der Verordnungsgeber nicht ausdrücklich eine Ausnahme davon vorsieht.


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§ 1 Abs. 3 und 4 KAV unterscheiden zwischen Tarif- und Sondervertragskunden. Konzessionsabgabenrechtlich gelten danach nur solche Lieferungen als Tariflieferungen, die – abgesehen von Altverträgen - auf der Grundlage von Grund- und Ersatzversorgungsverträgen erfolgen. Alle übrigen Kunden sind Sondervertragskunden. Die Definition der Kundengruppen hat der Verordnungsgeber erst in Folge des Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des EnWG 2005 in der Verordnung selbst vorgenommen. Damit hat er als Folge der Entflechtung die Einstufung der Kunden einer Vereinbarung zwischen Kommune und Netzbetreiber entzogen. Diese konzessionsabgabenrechtliche Festlegung des Verordnungsgebers – die Anknüpfung an das konkrete, nach Maßgabe des EnWG definierte Versorgungsverhältnis – kann nicht zur Disposition der Parteien des Konzessionsvertrags stehen und muss daher auf die Regelung des § 2 Abs. 6 KAV ausstrahlen.
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Die vom Verordnungsgeber in § 1 gewählte Anknüpfung an objektive Kriterien würde unterlaufen, wenn der mit dem Netzbetreiber identische oder verbundene Vertrieb über die Ausgestaltung seiner Tarife die Möglichkeit hätte, die Höhe der Konzessionsabgabe für Sondervertragskunden des durchleitenden Versorgers zu beeinflussen. Zugleich wäre damit verbunden, dass er die Kostenstruktur seiner Wettbewerber negativ und spiegelbildlich seine – im Wege der Quersubventionierung – positiv beeinflussen könnte. Dies würde der Zielsetzung der Entflechtung, der strikten Trennung von Versorgung und Netzbetrieb zuwiderlaufen, die gerade Transparenz und eine diskriminierungsfreie Ausgestaltung und Abwicklung des Netzbetriebs mit dem Ziel eines wirksamen Wettbewerbs bei der Versorgung gewährleisten und möglichen verdeckten Quersubventionierungen die Grundlage entziehen soll.
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Auch würde das Verständnis der Betroffenen, dass es für die Frage der Vergleichbarkeit der Lieferungen nicht auf die materiell-rechtliche Kundenstruktur, sondern auf die Tarifgestaltung des verbundenen Vertriebs ankommt, zu einer uneinheitlichen Anwendung führen und der vom Verordnungsgeber vorgegebenen Systematik der klaren Trennung von Sonder- und Tarifkunden zuwiderlaufen. Nur in den Fällen, in denen der Netzbetreiber zugleich auch Versorger oder mit dem Versorger konzernrechtlich verbunden ist, läge \"ein vergleichbarer Fall\" vor, also bei kommunalen Eigengesellschaften. Ist der Netzbetreiber nicht zugleich auch Versorger, gibt es für die vergleichbare Lieferung keinerlei Anknüpfung. In den Fällen, in denen der Grundversorger nicht der mit dem Netzbetreiber identische oder verbundene Vertrieb, sondern ein durchleitender Dritter ist, könnten auch für seine Lieferungen nur Sondervertragskundenkonzessionsabgaben und nicht die hohe Tarifkundenkonzessionsabgabe als vergleichbarer Fall berechnet werden, weil auch der mit dem Netzbetreiber identische oder verbundene Vertrieb Kunden nur als Sonder- und nicht als Grundversorger beliefern kann.
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Das vom Bundeskartellamt zugrunde gelegte Verständnis stellt hingegen sicher, dass die klare Trennung zwischen Tarif- und Sonderkunden beibehalten und der Bemessung der Konzessionsabgaben einheitlich zugrundegelegt wird. Für sämtliche Lieferungen auf der Grundlage von Sonderkundenverträgen sind entsprechende Konzessionsabgaben zu entrichten und zwar unabhängig davon, ob der Vertragspartner des Sonderkunden (auch) Grundversorger oder sonstiger Versorger ist.
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Die Regelung des § 2 Abs. 7 KAV bestätigt dieses Verständnis. Unabhängig von den Regelungen des § 1 Abs. 3 und 4 KAV, also von der Einordnung als Tarif- oder Sonderkundenvertrag, gelten Stromlieferungen aus dem Niederspannungsnetz bis zu einem Jahresverbrauch von 30.000 kWh konzessionsabgabenrechtlich als Lieferungen an Tarifkunden. Auch daraus folgt, dass primär die materiell-rechtliche Kundenstruktur maßgeblich sein soll. Eine entsprechende Regelung für den Gasbereich gibt es nicht. Der Verordnungsgeber hat sich vielmehr gegen eine solche ausgesprochen, weil er durch Vorgaben der KAV nicht in den Substitutionswettbewerb zwischen Gas und Mineralöl eingreifen wollte (BR-Drs. 358/99, S. 6). Mangels einer planwidrigen Regelungslücke kommt daher auch eine entsprechende Anwendung der Regelung des § 2 Abs. 7 KAV auf den Gasbereich nicht in Betracht (ebenso: Büdenbender, RdE 2011, 201, 202).

OLG Düsseldorf spricht Machtwort in Sachen Konzessionsabgabe Gas

 

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