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Autor Thema: Typischer Rückforderungsfall Erdgas- Sonderabkommen  (Gelesen 6241 mal)

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Typischer Rückforderungsfall Erdgas- Sonderabkommen
« am: 22. Mai 2012, 16:26:36 »
Ein Kunde hatte mit der GVT Gasversorgung Thüringen GmbH (ThüringenGas) in 2002 ein Sonderabkommen über leitungsgebundene Gaslieferungen abgeschlossen.

Bei Vertragsabschluss wurde ein Gaspreis, Arbeitspreis 3,27 Ct/ kWh (netto) zzgl. Mhrwertsteuer vereinbart.

Dieses Sonderabkommen mit Lieferbeginn .....2002 enthielt in Ziff. 4 eine
besondere Preisänderungsklausel,
welche sich gemessen an § 307 BGB als unwirksam erweist,
da sie nur das Recht des Gasversorgers zu Preisänderungen vorsieht, jedoch
keine korrespondierende Verpflichtung zu Preisabsenkungen.

Nach Ziff. 5 des Vertrages konnte der Vertrag nach einer Erstlaufzeit von
einem Jahr jeweils unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zum Monatsende ordentlich gekündigt werden.

In Ziff. 5 war ferner eine Schriftformklausel enthalten, wonach auch
Vertragsänderungen der Schriftform bedürfen.
Vertragsänderungen können grundsätzlich nur durch vertragliche
Neuvereinbarung durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande kommen.
Hierfür wäre eine vereinbarte Schriftform zu beachten gewesen.

Da es solche schriftlichen - beiderseits unterzeichneten -
Änderungsvereinbarungen ersichtlich nicht gab,
galt dieser Vertrag inhaltlich unverändert fort, auch nachdem er nach der
Verschmelzung von GVT und TEAG zur E.ON Thüringer Energie AG (ETE) im Jahre 2005 auf diese übergegangen war.

Auf  einen Widerspruch gegen die Vertragskündigung vom 24.09.10 zum 31.12.10 wegen Nichteinhaltung der Schriftform
erfolgte eine weitere Kündigung mit Schreiben vom 28.10.10 zum 31.12.10.
Mit jener schriftlichen Kündigung konnte die ursprünglich vereinbarte
Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende bis zum 31.12.10
unproblematisch eingehalten werden.

Das Vertragsverhältnis endete somit zum 31.12.10 ordnungsgemäß.

Bei Vertragsabschluss war ein Arbeitspreis in Höhe von 3,270 Ct/ kWh
(netto), zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer vereinbart worden.

Da ein Preisänderungsrecht nicht wirksam vereinbart worden war,
waren GVT/ ETE dem Kunden gegenüber zur einseitigen Änderung des vereinbarten Gaspreises nicht berechtigt,
vorgenommene einseitige Preisänderungen ohne Weiteres unwirksam,
so dass eigentlich der bei Vertragsabschluss vereinbarte Gaspreis weiter galt.

Nach den Urteilen des BGH vom 14.03.12 Az. VIII ZR 113/11 und VIII ZR 93/11 greift jedoch eine ergänzende Vertragsauslegung,
wonach sich der Sonderabkommen Kunde auf die Unwirksamkeit einseitiger
Preisänderungen dann nicht mehr berufen können soll,
wenn er nicht innerhalb von drei Jahren nach Zugang einer
Jahresverbrauchsabrechnung, die einen einseitig erhöhten Gaspreis auswies,
der Preisänderung widersprochen hatte und die Rechnungsbeträge unbeanstandet und vollständig gezahlt hatte.

Ein Widerspruch des Kunden vom 02.02.08 betraf zunächst nur die Abschlagshöhe.
Ein weiterer Widerspruch vom 29.02.08 betraf jedoch eindeutig auch das Preisänderungsrecht.

Jener Widerspruch ging ETE zwischen dem 29.02.08 und dem 10.03.08 zu, da am 10.03.08 eine schriftliche Erwiderung erfolgte.

Dem Kunden war und bleibt es demnach jedenfalls unbenommen, sich weiter auf die Unwirksamkeit derjenigen Gaspreisänderungen zu berufen,
die erstmals in einer Jahresverbrauchsabrechnung nach dem 10.03.2005
(Dreijahresfrist) zur Abrechnung gestellt wurden.

Dies gilt auch für die Verbrauchsabrechnung vom 30.05.05.
Mit jener wurde der zum 01.10.04 von 0,03670 EUR/ kWh (netto) auf 0,03870 EUR/ kWh (netto) erhöhte Arbeitspreis erstmals zur Abrechnung gestellt.

Aufgrund des Widerspruches vom 29.02.08 hatte ETE von da an nach der
Rechtsprechung des BGH alle Veranlassung, eine ordentliche Kündigung dieses Sonderabkommens in Erwägung zu ziehen.

Demnach kann sich der Kunde darauf berufen, dass bis zur Vertragsbeendigung jedenfalls kein höherer Arbeitspreis geschuldet war
als 0,03670 EUR/ kWh (netto) zzgl. Mehrwertsteuer bzw. 3,670 Ct/ kWh (netto) zzgl. Mehrwertsteuer.

Diesen Preis muss der Kunde folglich in die Verbrauchsabrechnungen ab 30.04.2004 bis zur Vertragsbeendigung am 31.12.10 durchgehend einsetzen,
um die jeweiligen Rechnungsbeträge zu ermitteln, die er tatsächlich nur
vertraglich schuldete.

Soweit der Kunde höhere als die vertraglich geschuldeten Beträge gezahlt hatte, kann er gegenüber ETE deren Rückzahlung aus ungerechtfertigter
Bereicherung gem. § 812 BGB beanspruchen.

Diese Rückforderungsansprüche unterliegen jedoch der regelmäßigen
dreijährigen Verjährung, welche jeweils zum Ablauf des 31.12. eines jeden
Jahres endet.

Überzahlungen auf die im Mai 2008 erteilte Jahresverbrauchsabrechnung waren mithin mit dem Ablauf des 31.12.11 verjährt,
wenn sie nicht zuvor wirksam gerichtlich geltend gemacht wurden.

Unverjährt sind die Überzahlungen auf alle nachfolgenden
Jahresverbrauchsabrechnungen, auch wenn etwa Abschläge auf eine im Mai 2009 erteilte Jahresverbrauchsabrechnung bereits im Jahre 2008 erfolgten.

Wurden Abschlagszahlungen vertraglich vereinbart- was bei solchen Sonderabkommen regelmäßig  der Fall war -
kommt es für die Verjährung nicht auf die Zahlung der Abschläge,
sondern auf die Erteilung der Jahresverbrauchsabrechnung an.

Welche unverjährten Rückforderungsansprüche sich demnach für für den Kunden ergeben, muss ermittelt werden.

Man muss zunächst den jeweils vertraglich geschuldeten Jahresrechnungsbetrag (einschließlich Grundgebühr) anhand des Verbrauchs ermitteln.

Dieser vertraglichen Schuld gegenüberzustellen sind die in der jeweiligen
Verbrauchsabrechnung quittierte Abschlagszahlungen
und sonstigen weiteren auf die jeweilige Verbrauchsabrechnung  geleisteten Zahlungen.

Unter dem Strich können sich dann die entsprechenden Überzahlungen für die einzelnen Abrechnungszeiträume ergeben.

ETE sollte hiernach unter Fristsetzung zur Rückzahlung der selben
aufgefordert werden. Nach fruchtlosem Fristablauf wäre Klage geboten.

 

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