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BGH, Urt. v. 14.03.12 VIII ZR 93/11 Zahlungsklage E.ON Hanse gegen Gas- Sonderkunde
RR-E-ft:
Urteilstext BGH Az. VIII ZR 93/11 veröffentlicht
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 93/11, juris Rn. 30:
Unter Berücksichtigung dieser im Senatsurteil vom heutigen Tage (VIII ZR 113/11 aaO) näher dargestellten Interessenlage hätten sich die Parteien nach Ansicht des Senats zu einer Regelung des Inhalts bereitgefunden, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
--- Ende Zitat ---
Leider verweisen die Entscheidungsgründe auf die Entscheidungsgründe in der bis heute unveröffentlichten Entscheidung BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 113/11
Warum sich die Parteien nach Auffassung des Senats gerade zu einer Regelung solchen Inhalts bereitgefunden hätten, ist deshalb nicht ersichtlich.
Der Satz hängt bisher wie eine stumpfe Behauptung in der Entscheidung.
uwes:
These:
Ich verstehe die Entscheidung so:
Anzuwenden ist diese Entscheidung dann, wenn Preiserhöhungen bis zum Jahre 2003 in Rede stehen, die vom Kunden - mangels Widerspruch - nicht bis zum Jahre 2006 gerügt wurden.
Ab da an hat es für Energieversorgungsunternehmen Anlass gegeben, die Verträge mit den Kunden zu überprüfen und ggfs zu kündigen. (RdNr. 36)
Das bedeutet, dass in keinem Fall eines Sonderkunden, der sich auf die Unwirksamkeit einer Preiserhöhung beruft, ein höherer Preis als derjenige, der 2003 galt, der Abrechnung zugrundegelegt werden kann.
RR-E-ft:
--- Zitat ---Original von uwes
These:
Ich verstehe die Entscheidung so:
Anzuwenden ist diese Entscheidung dann, wenn Preiserhöhungen bis zum Jahre 2003 in Rede stehen, die vom Kunden - mangels Widerspruch - nicht bis zum Jahre 2006 gerügt wurden.
Ab da an hat es für Energieversorgungsunternehmen Anlass gegeben, die Verträge mit den Kunden zu überprüfen und ggfs zu kündigen. (RdNr. 36)
Das bedeutet, dass in keinem Fall eines Sonderkunden, der sich auf die Unwirksamkeit einer Preiserhöhung beruft, ein höherer Preis als derjenige, der 2003 galt, der Abrechnung zugrundegelegt werden kann.
--- Ende Zitat ---
Meine Gegenthese lautet:
Die Entscheidung ist schwer bis gar nicht zu verstehen, dafür aber einfach zu glauben.
Gemeint ist es wohl so, wie es geschrieben steht, nämlich dass ein unwirksam einseitig erhöhter Preis dann nicht mehr als solcher und mithin als unwirksam gelten soll, wenn der betroffene Kunde diejenige Verbrauchsabrechnung, welche diesen einseitig erhöhten Preis erstmals auswies, vorbehaltlos vollständig bezahlt hatte und nicht innerhalb von drei Jahren ab Zugang dieser Rechnung Widerspruch erhoben hatte, so dass dieser einseitig unwirksam erhöhte Preis danach fortan als wirksamer Preis behandelt wird und von Anfang an zu gelten haben soll.
Sonderkunden, die noch keinen Widerspruch eingelegt hatten und immer vollständig zahlten, können demnach heute nur noch die Unwirksamkeit desjenigen Preises geltend machen, der in einer am 13.04.09 zugegangenen Verbrauchsabrechnung erstmals zur Abrechnung gestellt wurde, wofür der wirksame Zugang eines entsprechenden Widerspruches beim Versorger am heutigen Tage notwendig sei.
Drei Jahre trug der Versorger die Erbschuld daran, dass seine Preisänderungsklausel nicht wirksam einbezogen oder unwirksam war, ebenso wie die darauf beruhende einseitige Preiserhöhung unwirksam war, so dass er dem betroffenen Kunden die Rückzahlung des überzahlten Betrages gem. § 812 BGB schuldete. Soweit wohl leicht nachvollziehbar und verständlich. Wunderbarer Weise gibt der Senat wohl in vollkommener Erkenntnis dann jedoch dem betroffenen Kunden die Schuld daran, dass er nicht innerhalb von drei Jahren Widerspruch erhoben hatte und deshalb für die Vergangenheit und die Zukunft den erhöhten Preis dem Versorger doch noch vertraglich schuldet. Und selbst, wenn er nicht schuld sei (weil er einen entsprechenden Widerspruch schon nicht schuldete), soll er die Schuld jedenfalls tragen.
Wohl schlagartig Punkt Mitternacht drei Jahre nach Rechnungszugang tauschen sich wohl dann die Rollen, wer Gläubiger und wer Schuldner eines entsprechenden Zahlungsanspruches ist.
Der betrofffene Kunde, der eben noch Gläubiger eines entsprechenden Rückforderungsanspruches war, soll plötzlich fortan der Schuldner sein und seine Schuld tragen müssen.
Auch der betroffene Verbraucher sollte wohl eben nicht mit dem Verstande danach trachten, zu erkennen, was er in so einem Augenblick mitmacht.
\"Wie wird mir...?\" Die meisten betroffenen Kunden werden wohl in ihrem Schlaf davon überrascht werden.
Die demnach schlagartige rück- und vorwirkende Wandlung eines bisher unwirksam einseitig erhöhten, unwirksamen Preises in einen wirksamen Preis drei Jahre nach Rechnungszugang bedarf möglicherweise eines sehr starken, unmissverständlichen geoffenbarten Dogmas, ähnlich immaculata conceptio
--- Zitat ---Papst Pius IX. schließlich verkündete am 8. Dezember 1854 in seiner Bulle (auch Päpstliche Bulle) Ineffabilis Deus (‚Der unbegreifliche Gott‘) das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariens:
„Zur Ehre der Heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit, zur Zierde und Verherrlichung der jungfräulichen Gottesgebärerin, zur Erhöhung des katholischen Glaubens und zum Wachstum der christlichen Religion, in der Autorität unseres Herrn Jesus Christus, der seligen Apostel Petrus und Paulus und der Unseren erklären, verkünden und bestimmen Wir in Vollmacht unseres Herrn Jesus Christus, der seligen Apostel Petrus und Paulus und in Unserer eigenen:
Die Lehre, dass die seligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch einzigartiges Gnadengeschenk und Vorrecht des allmächtigen Gottes, im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechts, von jedem Fehl der Erbsünde rein bewahrt blieb, ist von Gott geoffenbart und deshalb von allen Gläubigen fest und standhaft zu glauben.
Wenn sich deshalb jemand, was Gott verhüte, anmaßt, anders zu denken, als es von Uns bestimmt wurde, so soll er klar wissen, dass er durch eigenen Urteilsspruch verurteilt ist, dass er an seinem Glauben Schiffbruch litt und von der Einheit der Kirche abfiel, ferner, dass er sich ohne weiteres die rechtlich festgesetzten Strafen zuzieht, wenn er in Wort oder Schrift oder sonstwie seine Auffassung äußerlich kundzugeben wagt.“
--- Ende Zitat ---
Kanonisches Recht von nun an und in Ewigkeit.
Aber die meisten haben ja heutzutage ganz anderes Recht studiert.
Bestimmte Lehren sind nicht weiter zu hinterfragen.
Es steht wohl zu besorgen, dass sich wieder Ketzer finden, die den Zugang der demnach maßgeblichen Verbrauchsabrechnung in Abrede stellen wollen.
Ein Dogma von der Metamorphose eines unwirksamen in einen wirksamen Energiepreis mit dem dritten Jahrestag des maßgeblichen Rechnungszugangs ändert nichts daran, dass dem Versorger im betroffenen mit der o.g. Erbschuld belasteten Vertragsverhältnis kein Recht zur einseitigen Preisänderung zusteht, so dass er allenfalls über sich wiederholende wundersam anmutende Metamorphosen an höhere Preisforderungen gegenüber dem betroffenen Kunden gelangen kann.
uwes:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Sonderkunden, die noch keinen Widerspruch eingelegt hatten und immer vollständig zahlten, können demnach heute nur noch die Unwirksamkeit desjenigen Preises geltend machen, der in einer am 13.04.09 zugegangenen Verbrauchsabrechnung erstmals zur Abrechnung gestellt wurde, wofür der wirksame Zugang eines entsprechenden Widerspruches beim Versorger am heutigen Tage notwendig sei.
--- Ende Zitat ---
Das sehe ich nicht so, denn der BGH hat seine Rechtsprechung zur ergänzenden Vertragsauslegung nicht völlig revidiert. Nur dann und so lange der Versorger keinen Grund hatte, mittels Kündigung den mit einer unwirksam erscheinenden Preisanpassungsklausel versehenen Sondervertrag zu beenden, kann für die Zeiten davor diese neue und - natürich unverständlich erscheinende - Auffassung herangezogen werden. Ab 2006 hätte der Versorger jedoch die Problematik wegen der vom VIII. Senat selbst zitierten Entscheidungen erkennen können und müssen. Ab da an trägt er das Risiko, dass sich die Klausel später als unwirksam erweist. (BGH a.a.O. Rd-Nr 36)
RR-E-ft:
Der Senat stellt dafür, ob der Versorger Veranlassung hatte, eine Beendigung des Vertragsverhältnisses in Betracht zu ziehen, wohl allein darauf ab, ob der betroffene Kunde Widerspruch eingelegt hatte.
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 93/11 juris Rn. 32 ff.
Während einer vorausgegangenen Vertragslaufzeit von über sieben Jahren hat der Beklagte die Preiserhöhungen und Jahresabrechnungen dagegen ohne Beanstandungen hingenommen, so dass für den Energieversorger zuvor keine Veranlassung bestanden hat, eine Beendigung des (Norm-)Sondervertragskundenverhältnisses in Erwägung zu ziehen. Die Klägerin kann mithin nicht an dem bei Vertragsschluss vereinbarten Preis festgehalten werden.
b) Welchen Arbeitspreis die Klägerin ihrem Zahlungsanspruch zugrunde legen kann, hängt davon ab, wann dem Beklagten die einzelnen Jahresabrechnungen der Klägerin zugegangen sind und gegen welche der darin enthaltenen Preiserhöhungen der Widerspruch des Beklagten vom 12. Juli 2005 somit noch rechtzeitig innerhalb der bezeichneten Dreijahresfrist erfolgt ist. Hierzu hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.
c) Anders als die Revision meint, kommt eine noch weitergehende Vertragsauslegung dahin, dass der Beklagte sich auch auf die Unwirksamkeit späterer Preiserhöhungen nicht berufen könne, weil die Klägerin vor Ende des Jahres 2009 keinen Anlass zur Kündigung des Versorgungsvertrages gehabt habe, nicht in Betracht.
--- Ende Zitat ---
Rn. 34 ff. betreffen die Meinung der Revision des Versorgers, trotz des mit Schreiben vom 12.Juli 2005 erhobenen Widerspruchs noch keinen Anlass zur Kündigung des Vertrages gehabt zu haben, sondern erst mit dem Urteil des BGH vom 29.04.2008 (KZR 2/07, BGHZ 176, 244 ff.). Daraus kann wohl entgegen Rn. 32 f. nicht darauf geschlossen werden, dass der Versorger auch ohne Widerspruch Veranlassung zur Kündigung gehabt habe, allein aufgrund der Rechtsprechung zur Unwirksamkeit von Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen. Rn. 36 verweist auf das Senatsurteil vom 13.12.06 Az. VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054. Jenes verweist jedoch selbst in Rn. 20 auf viel länger bestehende Senatsrechtsprechung.
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 13.12.06 Az. VIII ZR 25/06 juris Rn. 20, 25, 30:
Kostenelementeklauseln, die wie die hier in Rede stehenden Klauseln eine Preisanpassung wegen und auf der Grundlage sich verändernder Kosten vorsehen, sind im Grundsatz nicht zu beanstanden (BGHZ 93, 252, 258]. Sie sind ein geeignetes und anerkanntes Instrument zur Bewahrung des Gleichgewichts von Preis und Leistung bei langfristigen Lieferverträgen. Kostenelementeklauseln dienen dazu, einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher, ihn belastender Kostensteigerung zu sichern, und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Verwender mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht (Senatsurteil vom 21. September 2005 aaO, unter II 2; Senatsurteil vom 12. Juli 1989 - VIII ZR 297/88, WM 1989, 1729 = NJW 1990, 115, unter II 2 b).
....
Die Schranke des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist nicht eingehalten, wenn die Preisanpassungsklausel dem Verwender ermöglicht, über die Abwälzung konkreter Preis- oder Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis uneingeschränkt anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (Senatsurteil vom 12. Juli 1989 aaO unter II 2 b).
....
Die Auswirkungen einer unangemessen benachteiligenden Preisanpassungsklausel werden nicht hinreichend kompensiert, wenn dem Kunden das Recht zur Lösung vom Vertrag nicht spätestens gleichzeitig mit der Preiserhöhung, sondern erst nach deren Wirksamwerden zugebilligt wird (vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79, WM 1980, 1120 = NJW 1980, 2518, unter II 3). Ein angemessener Ausgleich setzt voraus, dass der Kunde vorab über die beabsichtigte Preiserhöhung informiert wird und sich vom Vertrag lösen kann, bevor sie wirksam wird (Schöne, WM 2004, 262, 268; ders. in Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Stromlieferverträge, Stand: März 2006, Rdnr. 86; vgl. auch Wolf, ZIP 1987, 341, 349).
--- Ende Zitat ---
Schließlich ist auch ersichtlich, dass der Senat mit dieser geoffenbarten neuen Lehre einen bestimmten Zweck verfolgt, obschon sich eine ergebnisorientierte Rechtsanwendung und -erkenntnis eigentlich verbieten sollte.
Es ist schon nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung im konkreten Fall überhaupt geprüft wurden.
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 13.01.10 Az. VIII ZR 81/08 juris Rn. 29:
Soweit die Beklagte in der Revisionsinstanz geltend macht, es sei mit Rückforderungsansprüchen von Sonderkunden der Beklagten in erheblicher Höhe zu rechnen, die zu einer Existenzbedrohung für die Beklagte führen könnten, zeigt sie entsprechenden Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen nicht auf, obwohl dazu Anlass bestanden hätte, nachdem das Landgericht die Preisanpassungsklausel gemäß § 307 Abs. 1 BGB als unwirksam angesehen hat. Es kann deshalb offen bleiben, ob ein sich aus dem Abschluss einer Vielzahl gleich lautender Verträge ergebender wirtschaftlicher Nachteil überhaupt geeignet sein kann, eine nicht mehr hinnehmbare einseitige Verschiebung des im Individualprozess zu beurteilenden konkreten Vertragsgefüges zulasten des Verwenders zu begründen (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 37).Da es somit schon an den Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung fehlt, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Art und Weise der Vertragsergänzung.
--- Ende Zitat ---
Selbst wenn man eine Vertragslücke und eine dadurch bewirkte unzumutbare Härte für den Versorger annehmen wollte, bleibt weiter fraglich, warum die vom Senat laut Rn. 30 gefundene Lösung die einzig denkbare Variante sein soll.
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 28.10.09 Az. VIII ZR 320/07 juris Rn. 46:
Diese Rechtsprechung lässt sich aber auf die vorliegende Fallgestaltung schon deshalb nicht übertragen, weil die Parteien im Streitfall keinen von vornherein variablen Preis vereinbart haben. Bei dieser Preisänderungsklausel geht es vielmehr um die in vollem Umfang der AGB-Inhaltskontrolle unterliegende Befugnis der Beklagten zur nachträglichen Änderung eines ursprünglich vereinbarten (festen) Preises (dazu vorstehend unter II 2 a), so dass es bereits an einer in bestimmte Richtung weisenden Grundsatzentscheidung der Parteien zur interessengerechten Schließung der Vertragslücke fehlt.
--- Ende Zitat ---
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