Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Billigkeit von Strompreisen
RR-E-ft:
--- Zitat ---Original von tangocharly
Und es gibt noch ein weiteres gewichtiges Argument:
Der BGH wird sich auch künftig kaum von seiner \"Geisterfahrer-Vereinbarungs-Theorie\" lösen, selbst dann nicht, wenn der EuGH das Preis-Änderungsmodell auf der Grundlage der AVB\'s/GVV\'s nach Strich und Faden über den Jordan schicken sollte.
Merke: \"Alle Räder stehen still, wenn dein Widerspruch es will\"
--- Ende Zitat ---
@tangocharly
Hier geht es nicht um die Mindermeinung, die man auch vertreten kann, sondern darum, was sich nach der derzeit herrschenden Meinung auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH ergibt.
Denn auf jener Grundlage hat ein Anwalt zu beraten.
Der Anwalt sollte getrost auch auf die Mindermeinung hinweisen, muss dann aber auch die Risiken benennen, die sich aus der Abweichung zur herrschenden Meinung für den Mandanten ergeben können.
Es ist eher nicht anzunehmen, dass der EuGH auf die Vorlagefrage dem BGH entsprechend unserer Mindermeinung auswirft, dass mit § 4 AVBEltV/ § 5 StromGVV dem Versorger gar kein Preisänderungsrecht eingeräumt wurde, ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vielmehr aus der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG folgt.
Zunächst bleibt abzuwarten, ob der EuGH die Vorlagefrage überhaupt annimmt und wie er im Falle einer Annahme darüber entscheidet.
Sollte der EuGH auf die Vorlage des EuGH erkennen, dass mit §§ 4 AVBEltV/ § 5 StromGVV dem Versorger kein Preisänderungsrecht wirksam eingeräumt wurde, müssen dann sicherlich nationale Gerichte darüber befinden, ob ggf. die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung vorliegen und wenn sie vorliegen sollten, wie eine ergänzende Vertragsauslegung dann zu erfolgen hat, die sich - selbstverständlich - im Ergebnis selbst nicht als europarechtswidrig erweisen darf.
berghaus:
--- Zitat ---von berghaus
Wie konnte es denn diese Anwältin verantworten, ihren Mandanten als Tarifkunde so viele Jahre nur den Preis von 2004 zahlen zu lassen?
Die nachteiligen Urteile des BGH und fast aller anderen Gerichte bei Tarifkunden gibt es doch schon ein paar Jahre!
--- Ende Zitat ---
--- Zitat ---von marten an berghaus
Welchen Preis hätte ich denn Ihrer Meinung zahlen sollenl?
--- Ende Zitat ---
Das ist eine Frage des Mutes und der Höhe der möglichen Einsparungen.
Negativ sind die Urteile für Tarifkunden ja nicht nur generell (z.B. Sockelpreis), sondern auch bei tatsächlicher Billigkeitskontrolle (firmeneigene Gutachter und Zeugen, Gutachtenkosten usw.)
Es mag auch Strom- und Gasrebellen geben, die es sich leisten können, mit Verlust zu siegen oder dies zu versuchen, um der Rebellion zum Erfolg zu verhelfen.
In diesem Zusammenhang die Frage an marten:
Grundversorgt ist man bei Strom und Gas doch nur bei geringem Verbrauch (Stichwort: Oma mit Kochgas zahlt die höchsten Preise, auch bei der Telekom).
Wie hoch waren bei Ihnen die Kürzungen bei Strom und Gas im Verhältnis zu den Kosten des Schutzbriefes von 2 x 69,00 EUR/Jahr?
Frage 2: Hat Ihnen Ihre Anwältin nicht auch geraten, ganz schnell die gekürzten Beträge an den Versorger zu zahlen, oder hofft man auf Verjährung?
berghaus 13.02.12
RR-E-ft:
@berghaus
Ihre Beiträge muten komisch an.
Es kann doch wohl keine Frage des Mutes und der möglichen Einsparungen sein, auf welchen Preis man kürzt.
Wer eine reine Mutprobe sucht, der ist vielleicht besser beim Rummelboxen aufgehoben.
Unzutreffend ist bereits, dass man nur mit geringem Verbrauch grundversorgt sei. Denn grundversorgt wird jeder Haushaltskunde im Sinne des § 3 Nr. 22 EnWG, der die Energie nicht für berufliche oder gewerbliche Zwecke bezieht, und keinen anderweitigen Energielieferungsvertrag im Sinne des § 41 EnWG abgeschlossen hat, also auch derjenige Haushaltskunde, der mit Strom oder Gas das gesamte Haus, die Veranda, die Dachterasse, die Garage und den Swimmingpool im Keller ganzjährig beheizt.
Es wurde doch umfassend dargestellt, welche Rechtslage sich für die Grundversorgung nach der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt.
Auf diese muss der Anwalt hinweisen und jene hat er grundsätzlich seiner Beratung zu Grunde zu legen.
Rät der Anwalt deshalb, bisher rechtmäßig gekürzte Beträge zu zahlen, so haftet er dem Mandanten ggf. für den sich daraus ergebenden Vermögensschaden.
Soweit man den Fall richtig verstanden hat, sind wohl auch Ansprüche des Versorgers, sollten sie denn überhaupt jemals begründet gewesen sein, bereits verjährt, weil zum Beispiel die verjährungshemmende Wirkung eines Mahnantrages gem. § 204 Abs. 2 BGB zwischenzeitlich bereits wieder entfallen war. Es ist darüber hinaus nicht auszuschließen, dass auch weitere Ansprüche des Versorgers ebenso verjähren können.
In der Praxis zeigt sich, dass Versorgerklagen gegen grundversorgte Kunden auch ohne gerichtliches Sachverständigengutachten abgewiesen werden.
Ferner haben auch schon Gerichte entschieden, dass sich der betroffene Tarifkunde unter bestimmten Voraussetzungen auch auf § 93 ZPO berufen kann. Voraussetzung dafür ist, dass der Versorger auf entsprechendes Verlangen des Kunden vorprozessual eine nachvollziehbare Darlegung der Tatsachen, die die Billigkeit begründen sollen (Kostenanstieg unter Einschluss aller Preisbildenden Kostenfaktoren des konkreten Preissockels), nicht erbracht hatte.
Das wiederum lässt sich oft erst dann entscheiden, wenn man überhaupt erst einmal verklagt wurde und die Anspruchsbegründung gesehen hat. Erst aus dieser lässt sich ersehen, ob die Klage schlüssig ist und für den Fall, dass allen Beweisangeboten nachgegangen und diese die Behauptungen des Versorgers vollständig bestätigen würden, begründet wäre.
Klar ist aber wohl auch, dass ein Anwalt einem betroffenen Kunden, der den Preisänderungen [seit langem] [jeweils in angemessener Frist] widersprochen, die wirksame Einräumung eines Preisänderungsrechts und die Billigkeit der Preisänderung/ des geänderten Preises bestritten und entsprechende Darlegungen zur Kostenentwicklung verlangt und hiernach Abschläge und Rechnungsbeträge entsprechend gekürzt hatte, nicht zur Zahlung der deshalb streitigen Beträge zuraten kann, ohne sich gegenüber dem Mandanten wegen des daraus resultierenden Vermögensschadens schadensersatzpflichtig zu machen, bevor der Versorger die Kostenentwicklung überhaupt nachvollziehbar und prüffähig dargestellt hatte.
Klar ist auch, dass ein Anwalt ergebnisoffen berät und dass die Höhe des Honorars grundsätzlich nicht davon abhängen kann, wie sich die Erfolgsaussichten des betroffenen Kunden danach beurteilen.
Für 69 EUR bzw. ca. 60 EUR nettto kann man realistisch nicht erwarten, dass sich ein Anwalt mit der Sache mit allem drum und dran länger als 20 Minuten befasst, die gesamte Prüfung der gesamten Unterlagen und die Erörterung mit dem Mandanten sowie ggf. die Fertigung entsprechender Schreiben eingeschlossen.
Viele grundversorgte Kunden, die entsprechend kürzen, wurden bisher überhaupt nicht verklagt, selbst wenn sie bereits seit sieben Jahren widersprechen und Rechnungsbeträge kürzen!
Wenn schließlich ein Dritter die Deckungszusage für eine entsprechende Rechtsberatung und Rechtsstreit gibt, zB. eine Rechtsschutzversicherung, dann stellt dieser Dritte selbstverständlich nicht das Geld dafür zur Verfügung, um eine zweifelhafte Rechnung des Versorgers zu begleichen.
Welche Kosten eines Rechtsstreits sich anhand des streitigen Hauptsachebetrages ergeben kann, kann jeder hier ersehen:
Prozesskostenrechner
Dabei sieht man, dass bei einem geringen Streitwert das Prozesskostenrisiko im Verhältnis zum Gegenstandswert relativ hoch ist, so dass man eher nicht um einen einzelnen Euro streiten sollte.
Beim Streit um einen einzelnen Euro unter Beteiligung von zwei Anwälten betragen die gerichtlichen Kosten 253,50 EUR. Wird die Berufung zugelassen, können in der Berufung noch einmal 299,92 EUR hinzukommen. Ein gerichtlicher Vergleich lohnt sich beim Streit um einen einzelnen Euro auch nicht, da sich die gerichtlichen Kosten dabei sogar auf 274,90 EUR belaufen. Die gleichen Kosten entstehen, wenn man sich nur um 50 Cent streitet. Bei höheren Streitwerten bessert sich das Verhältnis des Prozesskostenrisikos zum Streitwert jedoch deutlich.
Das ändert jedoch nichts daran, dass bei einem gerichtlichen Streit um 3.000 EUR unter Beteiligung von zwei Anwälten der Unterlegene gem. § 91 ZPO nach der ersten Instanz gerichtliche Kosten in Höhe von 1.439,16 EUR zu tragen hat.
Ein entsprechendes Risiko geht der Versorger ein, der eine Klage erhebt, die er nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr einseitig zurücknehmen kann.
Hinzutreten können die Kosten eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, wenn es der betroffene Kunde auf ein solches ankommen lässt, worüber der betroffene Kunde jedoch selbst entscheidet.
Geht ein solches Gutachten zu Lasten des Versorgers aus, kann dessen Risiko über den Einzelfall hinaus noch deutlich steigen.
Man hat schon Verfahren gesehen, dass Versorger wegen 45 EUR geklagt haben, dann das Verfahren jedoch nicht weiterbetrieben haben und die Ansprüche, sollten sie je begründet gewesen sein, verjähren ließen.
Ebenso habe ich schon Verfahren erlebt, wo der Versorger nach der Klageerwiderung seine Klage unverzüglich zurückgenommen hat.
Ebenso hat man schon gesehen, dass sich ca. 190 Verbraucher zusammentaten, um den Versorger wegen der Feststellung der Unwirksamkeit von dessen Preisänderungen zu verklagen, es dabei auf ein gerichtliches Sachverständigengutachten ankommen ließen, welches sie gegenbeweislich zu all den Zeugenaussagen der Mitarbeiter des Versorgers aufboten, hierfür 15.000 EUR Kostenvorschuss einzahlten und der Versorger, nachdem das Gutachten endlich vorlag, die Klageansprüche anerkannt hat.
Didakt:
@ marten
Nur noch eine kurze Anmerkung als rechtsunkundiger Mitleser der letzten Beiträge zu Ihrer Sache.
Beherzigen Sie die vorstehenden Ausführungen von RR-E-ft zur aktuellen Rechtslage und damit auch zu Ihrer ursächlichen Fragestellung. Besser kann man diese einem Nichtjuristen gar nicht vermitteln.
Lassen Sie sich durch weitere Hinterfragungen nicht verunsichern. Sie müssen darauf auch nicht antworten.
Ganz wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang der folgende Textanteil zu § 93 ZPO. Diese aufschluss- und hilfreiche Interpretation habe ich in dieser Deutlichkeit bislang an anderer Stelle im Forum noch nicht gelesen oder sie evtl. überlesen. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, steht es einem Zahlungsbeklagten offen, sich ggf. relativ kostenfrei aus dem Klageverfahren zu verabschieden.
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Ferner haben auch schon Gerichte entschieden, dass sich der betroffene Tarifkunde unter bestimmten Voraussetzungen auch auf § 93 ZPO berufen kann. Voraussetzung dafür ist, dass der Versorger auf entsprechendes Verlangen des Kunden vorprozessual eine nachvollziehbare Darlegung der Tatsachen, die die Billigkeit begründen sollen (Kostenanstieg unter Einschluss aller Preisbildenden Kostenfaktoren des konkreten Preissockels), nicht erbracht hatte. Das wiederum lässt sich zumeist jedoch erst dann entscheiden, wenn man überhaupt erst einmal verklagt wurde und die Anspruchsbegründung gesehen hat. Erst aus dieser lässt sich ersehen, ob die Klage schlüssig ist und für den Fall, dass allen Beweisangeboten nachgegangen und diese die Behauptungen des Versorgers vollständig bestätigen würden, begründet wäre.
--- Ende Zitat ---
marten:
@RR-E-ft
Sie haben mir ja jetzt erläutert, dass die Zahlungsansprüche aus dem gerichtlichen Mahnbescheid von 2008, dem ich widersprochen habe verjährt sind.
In der Sache, war ich bisher unsicher gewesen, da meine Anwältin dazu andere Aussagen getroffen hat.
In diesem Zusammenhang sprach Sie von dem Begriff Verwirkung.
Anbei ein Link, wo diese Thematik auch erläutert wird.
http://www.anwalt.de/rechtstipps/anwendungsbereich-der-verwirkung-nach-der-reform-des-verjaehrungsrechts_002146.html[/URL]
Zitat daraus:
\"Eine Verwirkung ist daher dann ausgeschlossen, wenn er durch Mahnung, Widerspruch oder in sonstiger Weise zu erkennen gegeben hat, dass er auf seinem Recht beharrt. Die Kenntnis des Berechtigten vom Bestehen des Rechts ist nicht erforderlich. Es genügt, wenn der Berechtigte bei objektiver Beurteilung Kenntnis hätte haben können.\"
Das schliesst dann eine Verwirkung vollkommen aus.
Das würde dann bedeuten.
Hat der Versorger einen gerichtlichen Mahnbescheid an seinen Kunden geschickt, die dieser widerspricht, und lässt der Versorger die durch den gerichtlichen Mahnbescheid erhaltene Hemmung der Verjährung von 6 Monaten verstreichen, so tritt die Verjährung ein wenn der Kunde bei einer später erhaltenen Zahlungsklage die Einrede der Verjährung stellt.
Für welche mögliche Fälle z.B. kommt denn überhaupt noch eine Verwirkung in Frage?
gruss
marten
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