Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Billigkeit von Strompreisen  (Gelesen 76520 mal)

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Offline marten

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Billigkeit von Strompreisen
« Antwort #75 am: 12. Februar 2012, 15:26:42 »
@Didakt

Solange ich die Abschläge gekürzt habe( seit ca. 7 Jahren ) habe ich den Preis der damals galt bezahlt bwz. hat mir meine Anwältin die zu zahlenden Abschläge ausgerechnet.
Deshalb  sah ich bisher keine Veranlassung meinen Versorger zu wechseln, da ich bei einem neuen Versorger einen höheren Anfangspreis gezahlt hätte.
Das sieht natürlich jetzt für mich anders aus.

Trotz der guten rechtlichen Argumente von Herrn Fricke, dessen Arbeit hier im Forum ich sehr schätze, und der Unterstützung von Mitstreitern,  besonders von kampfzwerg, der mich zum weitermachen bewegen wollte, habe ich letztendlich mit meiner Familie entschieden, zukünftig die Abschläge nicht zu kürzen und auch nicht unter Vorbehalt zu zahlen.
Somit faktisch den Protest aufzugeben.

Neben der rechtlichen Empfehlung die ich erhalten habe. gibt es persönliche Gründe dafür.

Daneben wurde mein Vertrauen in den letzten Tagen nachhaltig gestört.
Das gab letzendlich den Auschlag, für meine Entscheidung die ich zusammen mit meiner Familie getroffen habe.
Das wars.

Offline tangocharly

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Billigkeit von Strompreisen
« Antwort #76 am: 12. Februar 2012, 15:37:38 »
In seiner Entscheidung vom 28.03.2007 grenzte sich der VIII. Senat von der Kartellsenatsentscheidung vom 18.10.2005 ab. Soweit ersichtlich interessierte sich der VIII. Senat nicht für seine frühere Meinung aus 2003. Erwähnt wird ein Senatsurteil vom 30. April 2003 – VIII ZR 279/02, NJW 2003, 3131, unter II 1 a m.w.N.). Diese Entscheidung vom 30.04. beschäftigt sich durchaus mit der Senatsentscheidung vom 05.02.2003 (VIII ZR 111/02).
Aber, bei näherer Betrachtung ging es dem Senat nicht um die mögliche Nichtanwendung des § 315 BGB auf den \"gebildeten Preis\" :

Zitat
III.
Nachdem das Berufungsgericht demnach zu Unrecht die vom Beklagten erhobenen Einwendungen gegen die Preisbestimmung der Klägerin für das geforderte Entgelt für die Wasserversorgung und die Entwässerungsleistungen ungeprüft gelassen und den Beklagten hierfür auf einen Rückforderungsprozeß verwiesen hat, ist das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, damit eine Billigkeitsprüfung nach Zurückverweisung der Sache unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin zu dem Zustandekommen ihrer (genehmigten) Tarife (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2003 aaO unter II 1 d) nachgeholt werden kann.

Auch in der Entscheidung vom 30.04.2003 vermißt man jeglichen Hinweis darauf, dass sich der Senat von seiner früher geäußerten Auffassung verabschieden wollte (wozu in der Regel auch eine Begründung zählt, die sich von der früheren Auffassung abgrenzt, was wiederum auch nicht ersichtlich ist).

In diesem Zusammenhang ist es halt doch eben immer noch die alte Leyer:

Der VIII. Senat grenzt sich vom Kartellsenat ab; der Kartellsenat grenzt sich vom VIII. Senat ab - wohl bis sie denn dann gestorben sind. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Die gegenseitigen Abgrenzungen kennen wir ja auch schon von der Wärmemarkt-Abgrenzungs-Entscheidung des Kartellsenats (Az.: KZR 29/06).
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline Didakt

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Billigkeit von Strompreisen
« Antwort #77 am: 12. Februar 2012, 19:48:32 »
@ marten

Mein volles Verständnis für Ihre Entscheidung bestätige ich Ihnen. Es ist zwar unmaßgeblich, aber immerhin. Ich denke da vor allem an Ihre Gefühlslage.
Ihnen bleibt ja folgendes unbenommen, was ich schon einmal ausführte, und ein(e) RA/in Ihrer Wahl wird Sie ggf. dann sicherlich kompetent über das weitere Vorgehen beraten:
„Bisherigen Preisanpassungen, deren Angemessenheit Sie bezweifelten, sind Sie bislang zu Recht mit Widersprüchen unter Hinweis auf § 315 (3) BGB begegnet. Eine Zahlungsklage bezüglich dieser Altfälle ist bisher ausgeblieben. Sie kann noch kommen, soweit Forderungen nicht verjährt sind. Hier gilt es Ihrerseits, an der bisherigen Strategie festzuhalten. Abwarten und Tee trinken. Die Entscheidung des EuGH steht ja auch noch aus.“

Was mich dennoch interessiert, ist die Frage nach der Höhe der jetzt geltenden Preiskonditionen für Tarifkunden Ihres Versorgers.

Offline marten

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Billigkeit von Strompreisen
« Antwort #78 am: 12. Februar 2012, 20:23:51 »
@Didakt

Danke für das wohlwollende Verständnis.

Zurzeit zahle ich für Strom: 20,50 ct/kwh
                           bei  Gas :   5,33 ct/kwh

alle preise plus mwst.

gruss

marten

Offline Didakt

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Billigkeit von Strompreisen
« Antwort #79 am: 12. Februar 2012, 22:41:33 »
@ marten

Preise: Habe ich mir vorher schon fast gedacht. Zu teuer, falls noch Grundgebühren hinzukommen.
Ich rate zu einem schnellen Wechsel, aber keinesfall zu einem billigen Jakob! Das bringt nichts.
Das hätten Sie angesichts der jetzigen Marktsituation schon eher tun sollen, ohne Ihre alten Widersprüche aufzugeben. :)

Offline berghaus

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Billigkeit von Strompreisen
« Antwort #80 am: 13. Februar 2012, 00:25:08 »
Zitat
von marten
Solange ich die Abschläge gekürzt habe( seit ca. 7 Jahren ), habe ich den Preis, der damals galt, bezahlt bwz. hat mir meine Anwältin die zu zahlenden Abschläge ausgerechnet.

Wie konnte es denn diese Anwältin verantworten, ihren Mandanten als Tarifkunde so viele Jahre nur den Preis von 2004 zahlen zu lassen?

Die nachteiligen Urteile des BGH und fast aller anderen Gerichte bei Tarifkunden gibt es doch schon ein paar Jahre!

berghaus 13.02.12

Offline bolli

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Billigkeit von Strompreisen
« Antwort #81 am: 13. Februar 2012, 08:25:06 »
Zitat
Original von berghaus
Wie konnte es denn diese Anwältin verantworten, ihren Mandanten als Tarifkunde so viele Jahre nur den Preis von 2004 zahlen zu lassen?

Die nachteiligen Urteile des BGH und fast aller anderen Gerichte bei Tarifkunden gibt es doch schon ein paar Jahre!

berghaus 13.02.12
Man sollte es mal gut sein lassen. Die Parteien haben (weitestgehend) ihre Argumente mehr oder minder deutlich vorgebracht. Da wird sich nichts mehr dran ändern, auch wenn man noch so sehr darauf rumhackt.

Das die Grundversorgung eine deutlich schwierigere Materie darstellt als der Sondervertrag, insbesondere dank der \"denkwürdigen BGH-Rechtssprechung des VIII. Senats bezüglich Sockelpreis\" ist bekannt und bedarf ebenfalls keiner weiteren Erläuterung.

Schwierig wird\'s nur für protestwillige Kunden in der Grundversorgung im Zweifelsfall auf die Schnelle (bei Klageeingang) einen kompetenten und willigen Anwalt zu finden, der bereit ist, einen zu vertreten. Denn die scheinen mittlerweile dünn gesäht zu sein. Vielleicht sollte der BdEV seine Anwaltsliste um das Attribut \"auch in der Grundversorgung\" erweitern, um dieser Differenzierung Rechnung zu tragen.

Offline marten

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Billigkeit von Strompreisen
« Antwort #82 am: 13. Februar 2012, 09:03:44 »
@berghaus

Welchen Preis hätte ich denn ihrer Meinung zahlen sollenl?

Offline RR-E-ft

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Billigkeit von Strompreisen
« Antwort #83 am: 13. Februar 2012, 10:59:25 »
Zitat
Original von berghaus
Zitat
von marten
Solange ich die Abschläge gekürzt habe( seit ca. 7 Jahren ), habe ich den Preis, der damals galt, bezahlt bwz. hat mir meine Anwältin die zu zahlenden Abschläge ausgerechnet.

Wie konnte es denn diese Anwältin verantworten, ihren Mandanten als Tarifkunde so viele Jahre nur den Preis von 2004 zahlen zu lassen?

Die nachteiligen Urteile des BGH und fast aller anderen Gerichte bei Tarifkunden gibt es doch schon ein paar Jahre!

berghaus 13.02.12

Folgt man der Preisneuvereinbarungsthese, die der 8. Zivilsenat des BGH seit seinem Urteil vom 13.06.07 Az. VIII ZR 36/06 in st. Rechtsprechung vertritt, so gilt bei  grundversorgten Tarifkunden nicht nur der Anfangspreis als vereinbart (so die These seit BGH, Urt. v. 28.03.07 Az. VIII ZR 144/06), sondern auch ein einseitig erhöhter Preis, der darauf beruht, dass der Versorger in Ausübung eines wirksam eingeräumten Rechts den Preis einseitig erhöht hatte, und dieser einseitig geänderte Preis dadurch zum vereinbarten Preis wurde, dass der betroffene Kunde der Preisänderung oder der darauf beruhenden Verbrauchsabrechnung nicht in angemessener Frist widersprochen hatte.  

Alle einseitigen Preisänderungen, denen man in angemssener Frist widersprochen hatte, wurden demnach nicht zum vereinbarten Preis und können für den Kunden nur dann verbindlich sein, wenn dem Versorger zum einen ein Preisänderungsrecht wirksam eingeräumt worden war und darüber hinaus die darauf gründenden einseitigen  Preisänderungen jeweils auch der Billigkeit entsprachen, § 315 Abs. 3 BGB (vgl. BGH, B. v. 18.05.11 Az. VIII ZR 71/10 Rn. 6 ff. und B. v. 29.06.11 Az. VIII ZR 211/10).

Hatte man etwa allen Stromtarifpreisänderungen, die ab 01.01.05 erfolgten, und darauf basierenden Verbrauchsabrechnungen jeweils in angemessener Frist widersprochen, wäre denach nur der 2004 geltende Stromtarifpreis als vereinbart anzusehen und soweit die vom Versorger geforderten Preise darüber liegen, käme es zunächst darauf an, ob dem Versorger überhaupt ein Preisänderungsrecht  wirksam eingeräumt wurde und ob diese einseitigen Preisänderungen darüber hinaus  jeweils der Billigkeit entsprachen (vgl. BGH, aaO.).

Daran hat sich nichts geändert (vgl. BGH, B. v. 18.05.11 Az. VIII ZR 71/10 und B. v. 29.06.11 Az. VIII ZR 211/10).

Die Gerichte orientieren sich weit überwiegend an dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH, so dass auch Rechtsanwälte diese ihrer Beratung zu Grunde zu legen haben.

§ 17 Abs. 1 Satz 3 StromGVV macht klar, dass sich der Kunde auf § 315 BGB berufen kann.
§ 19 Abs. 2 StromGVV macht klar, dass wegen solcher Zahlungskürzungen die Versorgung nicht eingestellt werden darf.

Kürzt man die vom Versorger geforderten Abschläge nicht entsprechend, kommt es folglich zwangsläufig zu Überzahlungen, die man allenfalls aufgrund einer erfolgreichen Rückforderungsklage zurückerlangen kann, da gem. § 17 StromGVV ein Aufrechnungsverbot besteht.

Bereits oben wurde ausführlich dargestellt, dass sich die Position des betroffenen Kunden dabei verschlechtert, weil er dann selbst  innerhalb der Verjährungsfrist Klage erheben muss, nicht auf Verjährung hoffen kann,  und ihm dabei - anders als bei einer Zahlungsklage des Versorgers bestimmte Optionen (wie etwa ein sofortiges Anerkenntnis gem. § 93 ZPO) jedenfalls nicht zur Verfügung stehen.

Die bisherige Mindermeinung Fricke, ZNER 15/2/2011 S. 130 ff. lehnt die Preisvereinbarungsthesen des BGH deutlich ab und plädiert wegen einer gesetzlichen Preisbestimmungspflicht der Grundversorger gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG dafür, dass der Gesamtpreis der Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB unterliege.

Offline tangocharly

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Billigkeit von Strompreisen
« Antwort #84 am: 13. Februar 2012, 20:35:43 »
Und es gibt noch ein weiteres gewichtiges Argument:

Der BGH wird sich auch künftig kaum von seiner \"Geisterfahrer-Vereinbarungs-Theorie\" lösen,  selbst dann nicht, wenn der EuGH das Preis-Änderungsmodell auf der Grundlage der AVB\'s/GVV\'s nach Strich und Faden über den Jordan schicken sollte.

Merke: \"Alle Räder stehen still, wenn dein Widerspruch es will\"
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Offline RR-E-ft

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Billigkeit von Strompreisen
« Antwort #85 am: 13. Februar 2012, 23:40:42 »
Zitat
Original von tangocharly
Und es gibt noch ein weiteres gewichtiges Argument:

Der BGH wird sich auch künftig kaum von seiner \"Geisterfahrer-Vereinbarungs-Theorie\" lösen,  selbst dann nicht, wenn der EuGH das Preis-Änderungsmodell auf der Grundlage der AVB\'s/GVV\'s nach Strich und Faden über den Jordan schicken sollte.

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@tangocharly

Hier geht es nicht um die Mindermeinung, die man auch vertreten kann, sondern darum, was sich nach der derzeit herrschenden Meinung auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH ergibt.
Denn auf jener Grundlage hat ein Anwalt zu beraten.
Der Anwalt sollte getrost auch auf die Mindermeinung hinweisen, muss dann aber auch die Risiken benennen, die sich aus der Abweichung zur herrschenden Meinung für den Mandanten ergeben können.

Es ist eher nicht anzunehmen, dass der EuGH auf die Vorlagefrage dem BGH entsprechend unserer Mindermeinung auswirft, dass mit § 4 AVBEltV/ § 5 StromGVV dem Versorger gar kein Preisänderungsrecht eingeräumt wurde, ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vielmehr aus der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG folgt.  

Zunächst bleibt abzuwarten, ob der EuGH die Vorlagefrage überhaupt annimmt und wie er im Falle einer Annahme darüber entscheidet.

Sollte der EuGH auf die Vorlage des EuGH erkennen, dass mit §§ 4 AVBEltV/ § 5 StromGVV dem Versorger kein Preisänderungsrecht wirksam eingeräumt wurde, müssen dann sicherlich nationale Gerichte darüber befinden, ob ggf. die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung vorliegen und wenn sie vorliegen sollten, wie eine ergänzende Vertragsauslegung dann zu erfolgen hat, die sich - selbstverständlich -  im Ergebnis selbst nicht als europarechtswidrig erweisen darf.

Offline berghaus

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« Antwort #86 am: 13. Februar 2012, 23:45:53 »
Zitat
von berghaus
Wie konnte es denn diese Anwältin verantworten, ihren Mandanten als Tarifkunde so viele Jahre nur den Preis von 2004 zahlen zu lassen?
Die nachteiligen Urteile des BGH und fast aller anderen Gerichte bei Tarifkunden gibt es doch schon ein paar Jahre!
Zitat
von marten an berghaus
Welchen Preis hätte ich denn Ihrer Meinung zahlen sollenl?

Das ist eine Frage des Mutes und der Höhe der möglichen Einsparungen.
Negativ sind die Urteile für Tarifkunden ja nicht nur generell (z.B. Sockelpreis), sondern auch bei tatsächlicher Billigkeitskontrolle (firmeneigene Gutachter und Zeugen, Gutachtenkosten usw.)

Es mag auch Strom- und Gasrebellen geben, die es sich leisten können, mit Verlust zu siegen oder dies zu versuchen, um der Rebellion zum Erfolg zu verhelfen.

In diesem Zusammenhang die Frage an marten:

Grundversorgt ist man bei Strom und Gas doch nur bei geringem Verbrauch (Stichwort: Oma mit Kochgas zahlt die höchsten Preise, auch bei der Telekom).

Wie hoch waren bei Ihnen die Kürzungen bei Strom und Gas im Verhältnis zu den Kosten des Schutzbriefes von 2 x 69,00 EUR/Jahr?

Frage 2: Hat Ihnen Ihre Anwältin nicht auch geraten, ganz schnell die gekürzten Beträge an den Versorger  zu zahlen, oder hofft man auf Verjährung?

berghaus 13.02.12

Offline RR-E-ft

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« Antwort #87 am: 13. Februar 2012, 23:53:27 »
@berghaus

Ihre Beiträge muten komisch an.
Es kann doch wohl keine Frage des Mutes und der möglichen Einsparungen sein, auf welchen Preis man kürzt.
Wer eine reine Mutprobe sucht, der ist vielleicht besser beim Rummelboxen aufgehoben.

Unzutreffend ist bereits, dass man nur mit geringem Verbrauch grundversorgt sei. Denn grundversorgt wird jeder Haushaltskunde im Sinne des § 3 Nr. 22 EnWG, der die Energie nicht für berufliche oder gewerbliche Zwecke bezieht, und keinen anderweitigen Energielieferungsvertrag im Sinne des § 41 EnWG abgeschlossen hat, also auch derjenige Haushaltskunde, der mit Strom oder Gas das gesamte Haus, die Veranda, die Dachterasse, die Garage und den Swimmingpool im Keller ganzjährig beheizt.

Es wurde doch umfassend dargestellt, welche Rechtslage sich für die Grundversorgung nach der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt.
Auf diese muss der Anwalt hinweisen und jene hat er grundsätzlich seiner Beratung zu Grunde zu legen.
Rät der Anwalt deshalb, bisher rechtmäßig gekürzte Beträge zu zahlen, so haftet er dem Mandanten ggf. für den sich daraus ergebenden Vermögensschaden.

Soweit man den Fall richtig verstanden hat, sind wohl auch Ansprüche des Versorgers, sollten sie denn überhaupt jemals begründet gewesen sein, bereits verjährt, weil zum Beispiel die verjährungshemmende Wirkung eines Mahnantrages gem. § 204 Abs. 2 BGB zwischenzeitlich bereits wieder entfallen war. Es ist darüber hinaus nicht auszuschließen, dass auch weitere Ansprüche des Versorgers ebenso verjähren können.

In der Praxis zeigt sich, dass Versorgerklagen gegen grundversorgte Kunden auch ohne gerichtliches Sachverständigengutachten abgewiesen werden.

Ferner haben auch schon Gerichte entschieden, dass sich der betroffene Tarifkunde unter bestimmten Voraussetzungen auch auf § 93 ZPO berufen kann. Voraussetzung dafür ist, dass der Versorger auf entsprechendes Verlangen des Kunden vorprozessual eine nachvollziehbare Darlegung der Tatsachen, die die Billigkeit begründen sollen (Kostenanstieg unter Einschluss aller Preisbildenden Kostenfaktoren des konkreten Preissockels), nicht erbracht hatte.

Das wiederum lässt sich oft erst dann entscheiden, wenn man überhaupt erst einmal verklagt wurde und die Anspruchsbegründung gesehen hat. Erst aus dieser lässt sich ersehen, ob die Klage schlüssig ist und für den Fall, dass allen Beweisangeboten nachgegangen und diese die Behauptungen des Versorgers vollständig  bestätigen würden, begründet wäre.

Klar ist aber wohl auch, dass ein Anwalt einem betroffenen Kunden, der den Preisänderungen [seit langem] [jeweils in angemessener Frist] widersprochen, die wirksame Einräumung eines Preisänderungsrechts und die Billigkeit der Preisänderung/ des geänderten Preises bestritten und entsprechende Darlegungen zur Kostenentwicklung verlangt und hiernach Abschläge und Rechnungsbeträge entsprechend gekürzt hatte, nicht zur Zahlung der deshalb streitigen Beträge zuraten kann, ohne sich gegenüber dem Mandanten wegen des daraus resultierenden Vermögensschadens schadensersatzpflichtig zu machen, bevor der Versorger die Kostenentwicklung überhaupt nachvollziehbar und prüffähig dargestellt hatte.  

Klar ist auch, dass ein Anwalt ergebnisoffen berät und dass die Höhe des Honorars grundsätzlich nicht davon abhängen kann, wie sich die Erfolgsaussichten des betroffenen Kunden danach beurteilen.
Für 69 EUR bzw. ca. 60 EUR nettto kann man realistisch nicht erwarten, dass sich ein Anwalt mit der Sache mit allem drum und dran länger als 20 Minuten befasst, die gesamte Prüfung der gesamten Unterlagen und die Erörterung mit dem Mandanten sowie ggf. die Fertigung entsprechender Schreiben eingeschlossen.

Viele grundversorgte Kunden, die entsprechend kürzen, wurden bisher überhaupt nicht verklagt, selbst wenn sie bereits seit sieben Jahren widersprechen und Rechnungsbeträge kürzen!

Wenn schließlich ein Dritter die Deckungszusage für eine entsprechende Rechtsberatung und Rechtsstreit  gibt, zB. eine Rechtsschutzversicherung, dann stellt dieser Dritte selbstverständlich  nicht das Geld dafür zur Verfügung, um eine zweifelhafte Rechnung des Versorgers zu begleichen.

Welche Kosten eines Rechtsstreits sich anhand des streitigen Hauptsachebetrages ergeben kann, kann jeder hier ersehen:

Prozesskostenrechner

Dabei sieht man, dass bei einem geringen Streitwert das Prozesskostenrisiko im Verhältnis zum Gegenstandswert relativ hoch ist, so dass man eher nicht um einen einzelnen Euro streiten sollte.

Beim Streit um einen einzelnen Euro unter Beteiligung von zwei Anwälten betragen die gerichtlichen Kosten 253,50 EUR. Wird die Berufung zugelassen, können in der Berufung noch einmal 299,92 EUR hinzukommen. Ein gerichtlicher Vergleich lohnt sich beim Streit um einen einzelnen Euro auch nicht, da sich die gerichtlichen Kosten dabei sogar auf 274,90 EUR belaufen. Die gleichen Kosten entstehen, wenn man sich nur um 50 Cent streitet. Bei höheren Streitwerten bessert sich das Verhältnis des Prozesskostenrisikos zum Streitwert jedoch deutlich.

Das ändert jedoch nichts daran, dass bei einem gerichtlichen Streit um 3.000 EUR unter Beteiligung von zwei Anwälten der Unterlegene gem. § 91 ZPO nach der ersten Instanz gerichtliche Kosten in Höhe von 1.439,16 EUR zu tragen hat.

Ein entsprechendes Risiko geht der Versorger ein, der eine Klage erhebt, die er nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr einseitig zurücknehmen kann.  

Hinzutreten können die Kosten eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, wenn es der betroffene Kunde auf ein solches ankommen lässt, worüber der betroffene Kunde jedoch selbst entscheidet.
Geht ein solches Gutachten zu Lasten des Versorgers aus, kann dessen Risiko über den Einzelfall hinaus noch deutlich steigen.

Man hat schon Verfahren gesehen, dass Versorger wegen 45 EUR geklagt haben, dann das Verfahren jedoch nicht weiterbetrieben haben und die Ansprüche, sollten sie je begründet gewesen sein, verjähren ließen.
Ebenso habe ich schon Verfahren erlebt, wo der Versorger nach der Klageerwiderung seine Klage unverzüglich zurückgenommen hat.

Ebenso hat man schon gesehen, dass sich ca. 190 Verbraucher zusammentaten, um den Versorger wegen der Feststellung der Unwirksamkeit von dessen Preisänderungen zu verklagen, es dabei auf ein gerichtliches Sachverständigengutachten ankommen ließen, welches sie gegenbeweislich zu all den Zeugenaussagen der Mitarbeiter des Versorgers aufboten, hierfür 15.000 EUR Kostenvorschuss einzahlten und der Versorger, nachdem das Gutachten endlich vorlag, die Klageansprüche anerkannt hat.

Offline Didakt

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« Antwort #88 am: 14. Februar 2012, 11:09:23 »
@ marten

Nur noch eine kurze Anmerkung als rechtsunkundiger Mitleser der letzten Beiträge zu Ihrer Sache.

Beherzigen Sie die vorstehenden Ausführungen von RR-E-ft zur aktuellen Rechtslage und damit auch zu Ihrer ursächlichen Fragestellung. Besser kann man diese einem Nichtjuristen gar nicht vermitteln.

Lassen Sie sich durch weitere Hinterfragungen nicht verunsichern. Sie müssen darauf auch nicht antworten.

Ganz wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang der folgende Textanteil zu § 93 ZPO. Diese aufschluss- und hilfreiche Interpretation habe ich in dieser Deutlichkeit bislang an anderer Stelle im Forum noch nicht gelesen oder sie evtl. überlesen. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, steht es einem Zahlungsbeklagten offen, sich ggf. relativ kostenfrei aus dem Klageverfahren zu verabschieden.

Zitat
Original von RR-E-ft
Ferner haben auch schon Gerichte entschieden, dass sich der betroffene Tarifkunde unter bestimmten Voraussetzungen auch auf § 93 ZPO berufen kann. Voraussetzung dafür ist, dass der Versorger auf entsprechendes Verlangen des Kunden vorprozessual eine nachvollziehbare Darlegung der Tatsachen, die die Billigkeit begründen sollen (Kostenanstieg unter Einschluss aller Preisbildenden Kostenfaktoren des konkreten Preissockels), nicht erbracht hatte. Das wiederum lässt sich zumeist jedoch erst dann entscheiden, wenn man überhaupt erst einmal verklagt wurde und die Anspruchsbegründung gesehen hat. Erst aus dieser lässt sich ersehen, ob die Klage schlüssig ist und für den Fall, dass allen Beweisangeboten nachgegangen und diese die Behauptungen des Versorgers vollständig bestätigen würden, begründet wäre.

Offline marten

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« Antwort #89 am: 14. Februar 2012, 11:09:24 »
@RR-E-ft

Sie haben mir ja jetzt erläutert, dass die Zahlungsansprüche aus dem gerichtlichen Mahnbescheid von 2008, dem ich widersprochen habe verjährt sind.

In der Sache, war ich bisher unsicher gewesen, da meine Anwältin dazu andere Aussagen getroffen hat.

In diesem Zusammenhang sprach Sie von dem Begriff  Verwirkung.

Anbei ein Link, wo diese Thematik auch erläutert wird.

http://www.anwalt.de/rechtstipps/anwendungsbereich-der-verwirkung-nach-der-reform-des-verjaehrungsrechts_002146.html[/URL]

Zitat daraus:
\"Eine Verwirkung ist daher dann ausgeschlossen, wenn er durch Mahnung, Widerspruch oder in sonstiger Weise zu erkennen gegeben hat, dass er auf seinem Recht beharrt. Die Kenntnis des Berechtigten vom Bestehen des Rechts ist nicht erforderlich. Es genügt, wenn der Berechtigte bei objektiver Beurteilung Kenntnis hätte haben können.\"


Das schliesst dann eine Verwirkung vollkommen aus.
Das würde dann bedeuten.

Hat der Versorger einen gerichtlichen Mahnbescheid an seinen Kunden geschickt, die dieser widerspricht, und lässt der Versorger die durch den gerichtlichen Mahnbescheid erhaltene Hemmung der Verjährung von 6 Monaten verstreichen, so tritt die Verjährung ein wenn der Kunde bei einer später erhaltenen Zahlungsklage die Einrede der Verjährung stellt.


Für welche mögliche Fälle z.B. kommt denn überhaupt noch eine Verwirkung in Frage?

gruss
marten

 

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