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Autor Thema: Verfassungsklage wegen sinkender Fördersätze?  (Gelesen 5827 mal)

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Offline RR-E-ft

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Verfassungsklage wegen sinkender Fördersätze?
« Antwort #15 am: 11. April 2012, 19:05:46 »
Das EGG ist ein klassisch begünstigendes Gesetz für die Anlagenbetreiber.
Es räumt ihnen überhaupt erst einen Anspruch auf Abnahme des erzeugten Stroms und Vergütung des selben zu marktunüblich hohen Preisen ein.
Diesen Anspruch hat der Herr (der Gesetzgeber) den Anlagenbetreibern von diesen unverdient gegeben und verdient teilweise genommen, indem die gesetzliche Vergütung herabgesetzt wurde.

Niemand hat die Investoren geschädigt.
Der Schaden ergibt sich daraus, dass sich ihre wirtschaftliche Erwartung, die darauf gründet, dass sich die sie begünstigende Gesetzeslage nicht ändert, nicht erfüllt.

Eine solche Erwartung, dass sich eine begünstigende Gesetzeslage nicht ändert,  ist nicht geschützt.
Dass sich solche Erwartungen nicht erfüllen, ist wohl Teil des allgemeinen unternehmerischen Risikos.
Dafür ist man Unternehmer geworden.

Die im Gesetzgebungsverfahren einzuhaltenden Fristen ergeben sich bekanntermaßen aus dem Grundgesetz, Art. 76 ff. GG.
Wenn der Bundesrat mitspielt, ist es wohl möglich, Gesetze am selben Tage einzubringen, zu beschließen und auszufertigen, so dass sie noch am selben Tage in Kraft treten können.
Solche Eile ist etwa geboten, wenn es darum geht, das Geld der Bürger zu retten. Eine Vorwarnfrist ist nicht vorgesehen.

Die finanzielle Belastung, die durch eine Übergangsregelung entstünde, ist für den einzelnen Bürger wohl so unnötig wie ein Kropf.
Vielleicht meinen Sie, ein Kropf tue nicht weh und deshalb sollte jeder einen haben. ;)

Offline superhaase

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Verfassungsklage wegen sinkender Fördersätze?
« Antwort #16 am: 11. April 2012, 19:50:00 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Die wirtschaftliche Belastung, die durch eine Übergangsregelung entstünde, ist für den einzelnen Bürger wohl so unnötig wie ein Kropf.
Warum?
Wo ist der Unterschied zu der wirtschaftlichen Belastung die durch das EEG vor oder nach der Gesetzesänderung entsteht?
Es geht hier ja nur um eine Frage des Zeitpunkts des Inkrafttretens der Gesetzesänderung, der völlig willkürlich ist.

Es sollte m.E. nicht unterschätzt werden, dass auch ein Verlust des Vertrauens in das deutsche Gesetzgebungsgebaren (hier insbesondere bzgl. der begünstigenden Gesetze und Subventionen) auch indirekt negative Auswirkungen auf den einzelnen Bürger hätte.
Stichwort: Beschädigung des Investitionsstandorts Deutschland.
Würden dadurch nicht die Möglichkeiten der Lenkungswirkung des Staates durch solche Gesetze und Subventionen beeinträchtigt, wenn sich die Investoren denken \"interessiert mich nicht, kann man sich ja eh nicht darauf verlassen\"?
Davon würde der einzelne Bürger sicher nicht profitieren.

Insofern ist es sicher eine Interessenabwägung des Vertrauensschutzes für den Investor einerseits und für den Bürger andererseits.
Zumindest politisch lässt sich das durchaus zugunsten einer Übergangsregelung begründen.
Die Eile zur Rettung des Geldes der stromverbrauchenden Bürger ist sicher nicht mehr geboten als die Wahrung der \"Zurechnungsfähigkeit\" des Gesetzgebers zur Rettung des Geldes von investierenden Bürgern.

Der eine Bürger ist wohl nicht weniger Wert als der andere Bürger.

Unter Juristen herrscht offenbar nicht die einhelige Meinung, dass ein Vertrauensschutz unbegründet wäre. Siehe die angebliche Kollision mit dem Baurecht in dem Artikel.

Zitat
Niemand hat die Investoren geschädigt.
Der Schaden ergibt sich daraus, dass sich ihre wirtschaftliche Erwartung, die darauf gründet, dass sich die sie begünstigende Gesetzeslage nicht ändert, nicht erfüllt.
Ist das so zu sehen?
Der Schaden ergibt sich daraus, dass die Investoren dem Wunsch des Gesetzgebers folgend Geld ausgegeben haben und dann unerwartet durch eine Gesetzesänderung einen Verlust erleiden. Es geht also nicht um einen verminderten Gewinn oder dergleichen, sondern um einen echten wirtschaftlichen Schaden, der in diesem Fall unnötig, vermeidbar und vorsätzlich vom Gesetzgeber herbeigeführt wird. Das könnte man mit einer unnötigen Enteignung vergleichen.
Keine Chance auf Schadensersatzanspruch - kein Fall für eine \"Staatshaftung\"?

ciao,
sh
8) solar power rules

Offline RR-E-ft

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Verfassungsklage wegen sinkender Fördersätze?
« Antwort #17 am: 11. April 2012, 20:36:30 »
Zitat
Original von superhaase
Zitat
Original von RR-E-ft
Die wirtschaftliche Belastung, die durch eine Übergangsregelung entstünde, ist für den einzelnen Bürger wohl so unnötig wie ein Kropf.
Warum?
Wo ist der Unterschied zu der wirtschaftlichen Belastung die durch das EEG vor oder nach der Gesetzesänderung entsteht?

Sie sagen doch selbst, dass es eine Übergangsregelung geben sollte, um auch den Nochnicht- Anlagenbetreibern noch finanzielle Vorteile einzuräumen, die sie ohne eine solche Übergangsregelung jedenfalls nicht hätten.

Die potentiellen Investoren haben möglicherweise eine Baugenehmigung beantragt, über die bisher möglicherweise noch nicht entschieden wurde. Der entsprechende Antrag und die zu Grunde liegende Planung mögen in noch überschaubarem Rahmen Geld gekostet haben. Selbst wenn die Baugenehmigung bereits bewilligt wurde, nehmen sie jetzt vielleicht vom Investitionsvorhaben Abstand, weil sie die Rendite, die sie sich aufgrund der bisherigen für sie besonders  günstigen Gesetzeslage versprochen hatten, nicht mehr realisieren können.

Einen wirtschaftlichen Schaden in erheblichem Umfange könnten sie hingegen dann erleiden, wenn sie entsprechend bisheriger Planungen ihre Investitionsvorhaben unverändert umsetzen, dann jedoch durch die Gesetzesänderung geringere Einnahmen erzielen. Das wäre jedenfalls unternehmerisch selbst verschuldet.

Sie können jedoch unternehmerisch entsprechend wirtschaftlicher Einsicht handelnd ihr Investitionsvorhaben auch vollständig aufgeben und die bereits entstandenen - überschaubaren -  Kosten abschreiben.
Die überschaubaren Verluste, die sie dadurch erleiden, können sie wohl steuermindernd beim Finanzamt geltend machen, wenn sie denn in Deutschland überhaupt besteuert werden.  

Ziel der Gesetzesänderung ist es doch gerade, den bisher falsch angereizten Zubau abzubremsen, also Nochnicht- Anlagenbetreiber von deren etwaig bisher  beabsichtigten Zubau wieder abzubringen.
Das ist erklärtermaßen das Ziel der Übung: Abreizung.

Wenn sich wirtschaftliche Erwartungen, die unter das allgemeine unternehmerische Risiko fallen, nicht realisieren, ist wohl kein Staatshaftungsanspruch begründet.

Die (verhinderten) Investoren haben nicht dem Wunsch des Gesetzgebers folgend Geld ausgegeben. Sonst reicht im EEG vielleicht der gesetzgeberische Wunsch
\"Aus Erzeugungsanslagen erneuerbarer Energien soll Strom in das Netz eingespeist werden...\" und alles andere Gedöns (Abnahmepflicht der Netzbetreiber und gesetzliche Vergütungssätze) kann entfallen.

Es wurden Investitionen geplant, weil man sich bei der Fortgeltung der bisher besonders begünstigenden gesetzlichen Regelungen selbst eine entsprechende Rendite versprach.

Gewinne und Renditen hatten sie sich dabei vollkommen alleine ausgemalt.
Das war ja gerade ihre unternehmerische Idee, mit der sie erst Geld verdienen wollten.
Der Gesetzgeber selbst hatte ihnen schon keine Rendite versprochen oder auch nur einen Gewinn garantiert.
Wie bei jeder Unternehmung waren Verluste von Anfang an möglich.
Man musste also auch mit solchen rechnen.
Oder?

Offline superhaase

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Verfassungsklage wegen sinkender Fördersätze?
« Antwort #18 am: 14. April 2012, 20:23:57 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Der entsprechende Antrag und die zu Grunde liegende Planung mögen in noch überschaubarem Rahmen Geld gekostet haben.
Sicher geht es bei dem möglicherweise entstandenen wirtschaftlichen Schaden, dessen Ersatz beansprucht werde könnte, meist nur um einen Bruchteil der beabsichtigten Investitionssumme. Klar.

Aber wenn man Ihren oben dargestellten Extremfall annimmt, dass ein geändertes Gesetz an einem Tag vorgestellt, durch die Bundestagslesungen gepeitscht und am selbigen Tag verabschiedet wird und in Kraft tritt, dann wäre es auch möglich, dass ein PV-Investor schon den kompletten PV-Park installiert hat und einem Tag vor dem Netzanschluss mit dem neuen Gesetz, dass wie jetzt vorgeschlagen ab 10 MWp Anlagenleistung aufwärts gar keine EEG-Vergütung mehr in Aussicht stellt, womoglich schon die kompletten Kosten der Investition aufgelaufen, die dann zu einem nicht mehr abzuwendenden Kapitalverlust von vielleicht mehr als 50% führt.
So etwas unter \"allgemeines unternehmerisches Risiko\" verbuchen zu wollen, geht wohl am Grundverständnis eines Rechtsstaats vorbei.

Zitat
Selbst wenn die Baugenehmigung bereits bewilligt wurde, nehmen sie jetzt vielleicht vom Investitionsvorhaben Abstand, weil sie die Rendite, die sie sich aufgrund der bisherigen für sie besonders  günstigen Gesetzeslage versprochen hatten, nicht mehr realisieren können.
Ein Klärung des Einzelfalls, ob sich noch eine positive Rendite ergeben hätte, und welche Kosten zur Vorbereitung des Projekts angemessen und nicht vermeidbar waren etc., und ob somit überhaupt und in welcher Höhe ein Anspruch auf Schadensersatz zu begründen wäre, wäre wohl im Zuge eines Gerichtsverfahrens oder eines Schiedsverfahrens zu klären. Sicher kein Ding der Unmögichkeit. Auch die in der Realität bei dem derzeit diskutierten Gesetzesvorschlag (und mit den Vorlaufzeiten zwischen der ersten Ankündigung einer Gesetzesänderung und dem Inkrafttreten von doch zumindest 3 oder 4 Monaten) würden sich die zu letztendlich anzuerkennenden Entschädigungzahlungen wohl in einem recht überschaubaren Rahmen halten.

Insofern sähe ich es durchaus als angemessen an, keine Übergangsfristen vorzusehen und eventuelle Schadensersatzklagen abzuwarten oder gar gleich eine Schiedsstelle zur Abwicklung solcher Forderungen einzurichten. Das käme den Stromverbrauchern jedenfalls billiger. Und die Kosten für die Staatskasse wären wohl - wie oben erwähnt - recht überschaubar.

Zitat
Einen wirtschaftlichen Schaden in erheblichem Umfange könnten sie hingegen dann erleiden, wenn sie entsprechend bisheriger Planungen ihre Investitionsvorhaben unverändert umsetzen, dann jedoch durch die Gesetzesänderung geringere Einnahmen erzielen. Das wäre jedenfalls unternehmerisch selbst verschuldet.
Logo!

Zitat
Sie können jedoch unternehmerisch entsprechend wirtschaftlicher Einsicht handelnd ihr Investitionsvorhaben auch vollständig aufgeben und die bereits entstandenen - überschaubaren -  Kosten abschreiben.
Die überschaubaren Verluste, die sie dadurch erleiden, können sie wohl steuermindernd beim Finanzamt geltend machen, wenn sie denn in Deutschland überhaupt besteuert werden.
So etwas steuermindernd geltend machen zu können, ist für den einzelnen Investor oft nicht möglich. Außerdem heißt \"steuermindernd geltend machen\" ja nicht, dass sie dann ohne finanziellen Schaden davonkommen.

Zitat
Ziel der Gesetzesänderung ist es doch gerade, den bisher falsch angereizten Zubau abzubremsen, also Nochnicht- Anlagenbetreiber von deren etwaig bisher  beabsichtigten Zubau wieder abzubringen.
Das ist erklärtermaßen das Ziel der Übung: Abreizung.
Verringerung des Anreizes ist erklärtermaßen das Ziel. Richtig.
Das wird aber auch erreicht (nur etwas später), wenn man angemessene zeitliche Fristen einhält.
Es sollen also weniger oder evtl. gar keine Investoren mehr zu Investitionen angereizt werden.
Völlig in Ordnung.

Das Ziel kann aber nicht sein, Investoren, die durch den vorher staatlich gesetzten Anreiz bereits zu Investitionen veranlasst worden sind, nun durch unerwartbare und plötzliche Änderung der gesetzlichen Grundlagen einen nicht mehr vermeidbaren finanziellen Verlust zuzufügen.

Zitat
Wenn sich wirtschaftliche Erwartungen, die unter das allgemeine unternehmerische Risiko fallen, nicht realisieren, ist wohl kein Staatshaftungsanspruch begründet.
Richtig.
Allerdings stellt sich hier halt die Frage, was unter das allgemeine unternehmerische Risiko fällt, und was nicht.
Bei vermeidbarer und vorsätzlicher Schädigung von Investoren, wie hier diskutiert, wäre eine Staatshaftung wohl zu begründen.

Zitat
Wie bei jeder Unternehmung waren Verluste von Anfang an möglich.
Man musste also auch mit solchen rechnen.
Oder?
Ja, sicher.
Es gibt auch etliche \"EEG-Investoren\", die aufgrund des allgemeinen unternehmerischen Risikos solche Verluste ihres eingesetzten Kapitals. Auch bis hin zum Totalverlust (wie ich selbst schon bei zwei Projekten).

Die unerwartete und aufgrund der extremen Kurzfristigkeit unternehmerisch nicht mehr zu vermeidende gesetzliche Entziehung der Geschäftsgrundlage gehört m.E. ganz offensíchtlich nicht mehr zum allgemeinen unternehmerischen Risiko, das man in einem Rechtsstaat als Unternehmer von Anfang an mit einkalkulieren muss. So etwas erwartet man allenfalls in einer Bananenrepublik.
Ich wünsche mir nicht, dass Deutschland für Investoren die Attraktivität einer Bananenrepublik erlangt.

ciao,
sh
8) solar power rules

 

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