Energiepreis-Protest > HanseWerk
Terminsberichte BGH VIII ZR 113/11 und BGH VIII ZR 93/11 vom 14.12.2011
bolli:
--- Zitat ---Original von ESG-Rebell
Vielleicht sollten Sie vor Ihrem Frohlocken nochmal die Äußerungen von Herrn Ball insgesamt lesen.
Es hat den Anschein, dass der Senat sich anschickt, eine Zeitschranke von drei Jahren zum Schutze der Energieversorger einzurichten. Alle älteren Preise sollen dann Schnee von Gestern sein; es sei denn sie waren höher als der \"Sockelpreis aus der Mitte\", wenn es nach Dr. Tüngler geht.
--- Ende Zitat ---
Die Diskussion um den \"Preis aus der Mitte\" sehe ich ähnlich kritisch wie Sie, aber diese war doch nach der Formulierung der BGH-Entscheidung vom 14.07.2010 - VIII ZR 246/08 Rdnr. 52 abzusehen.
--- Zitat ---BGH-Urteil vom 14.07.2010 - VIII ZR 246/08 Rdnr. 52
Offen bleiben kann, ob eine andere Beurteilung geboten ist, wenn es sich um ein langjähriges Gasversorgungsverhältnis handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat (vgl. dazu auch unten unter II 1) und nunmehr auch für länger zurück liegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen (durch Feststellungsklage oder durch Klage auf Rückzahlung geleisteter Entgelte) geltend macht. Sind in einem solchen Fall die Gestehungskosten des Gasversorgungsunternehmens erheblich gestiegen und ergibt sich daraus für die betroffenen Zeiträume ein erhebliches Missverhältnis zwischen dem Wert der von dem Unternehmen zu erbringenden Leistung und dem vereinbarten Preis, lässt sich die Annahme eines nicht mehr interessenge-rechten Ergebnisses jedenfalls hinsichtlich der länger zurück liegenden Zeitabschnitte nicht ohne weiteres mit der Begründung verneinen, dass eine Kündigungsmöglichkeit bestand. Denn für das Versorgungsunternehmen bestand in einem solchen Fall zunächst kein Anlass, eine Kündigung des Vertrages in Erwägung zu ziehen.
--- Ende Zitat ---
Aber interessant ist, dass man zwar höhere Preise akzeptieren will, nicht aber, wenn der \"Preis der Mitte\" unter dem Vertragsanfangspreis liegt. Da sagt man bei uns: \"Da wrd der Hund in der Pfanne verrückt.\"
Kampfzwerg:
Zunächst - und vor allem - meinen ehrlichen Dank an ESG-Rebell!
--- Zitat ---Original von ESG-RebellVerhandlungen am 14.12.11 von 9:07 bis 10:50 Uhr.8. Zivilsenat: Ball, Dr. Frellesen, Dr. Milger, Dr. Hessel, Dr. Achilles, Dr. Schneider
[...]
Die Unwirksamkeit dieser Preisanpassungsklausel ist in der Revision unstrittig.
[...]
Der Versorger hat mehrfach die Preise erhöht und der Kunde hat weiterhin Gas bezogen und die Rechnungen bezahlt ohne Widerspruch einzulegen.
[...]
Eine konkludente Zustimmung zu Preisänderungen durch den Kunden hat der Senat in diesen Fällen bislang abgelehnt. Es fehlt schon an den Voraussetzungen auf der Angebotsseite. Auf die Reaktion des Kunden kommt es daher schon nicht an. Die Bekanntgabe einer Preiserhöhung ist kein Angebot für eine Vertragsänderung.
Die Klägerin meint, sie habe den Kunden aber doch persönlich angeschrieben. Der Senat bezweifelt allerdings sehr, dass dies schon ausreicht, um von der Unterbreitung eines Angebots auf Vertragsänderung zu sprechen.
Zur ergänzenden Vertragsauslegung fehlte es in den bisher entschiedenen Fällen bereits an den Voraussetzungen dafür, denn der Versorger hatte stets die Möglichkeit, sich durch Kündigung aus den Verträgen zu lösen. Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass eine Vertragslücke entsteht, die nicht durch dispositives Recht geschlossen werden kann und durch die sich das Vertragsgleichgewicht völlig zugunsten des Kunden verschiebt.
Möglicherweise ist dies aber anders zu beurteilen, wenn ein Vertrag lange besteht und ein lange zurückliegend vereinbartes Preisanpassungsrecht angegriffen und der ursprünglich vereinbarte Preis verlangt wird. Dies könnte zu einer starken Verschiebung des Vertragsgleichgewichts führen.
[...]
Diese Sichtweise ist auf den vorliegenden Fall ggf. anwendbar um die Möglichkeit zur rückwirkenden Geltendmachung von Rückforderungen wegen Preiserhöhungen zu beschränken.
--- Ende Zitat ---
Hinsichtlich der Äußerungen des Richters Ball erscheint mir wieder einmal eine insgesamt ausgesprochen sorgfältige und differenzierte Lesart angebracht!
Auch hinsichtlich eines von der Gegenseite ins Spiel gebrachte \"Sockelpreises aus der Mitte\".
Eine Formulierung der Versorgeranwälte, die nach meiner Meinung nur deren Verzweiflung symbolisiert. Und ebenfalls einen Versuch, dem Senat \"hilfreich zur Seite\" zu stehen bzw. ggf. erneut eine Fluchtmöglichkeit durch die Hintertüre zu offerieren...
Erstens:
Im Falle der Normsondervertragskunden erscheinen mir vorhergehende Informationen sehr hilfreich und auch gegen selbige Kunden nicht grundsätzlich negativ anzuwenden!
Dagegen stehen auch nicht die Einschränkungen, die, wie Ball angemerkt hat, möglicherweise und ggf. bei der rückwirkenden Geltendmachung von Ansprüchen anwendbar wären!
Es gibt nämlich sehr viele Kunden, die selbst bisher noch gar keine Ansprüche in Gestalt einer Klage geltend gemacht haben! (Allenfalls haben sie gekürzt und/oder aufgerechnet.)
Die jedoch zur Zeit vom Versorger auf Zahlung verklagt werden.
Auf diese Sonderkunden scheinen mir die Einschränkungen nicht zutreffend, soll heissen nicht anwendbar, zu sein.
Zweitens:
Sehr interessant erscheinen ebenfalls die Äußerungen Balls hinsichtlich der Verjährungsfristen.
Der Umstand, dass diese eigentlich (wieder einmal) \"ohne Not\" geäußert wurden, erscheint mir um so bedeutsamer!
Insgesamt betrachtet versucht der Senat hier scheinbar, eine \"eierlegende Wollmichsau\" zu erfinden, um den Versorgern nicht allzusehr auf die Füße zu treten und andererseits den berechtigten Verbraucherinteressen nicht allzusehr nachzugeben.
Das heiss bei uns \"Eiertanz\" oder auch, vornehmer ausgedrückt, \"Tanz auf der heissen Herdplatte.\"
Beides kann einen geneigten Zuschauer durchaus auch belustigen.
Spannend ist es allemal.
Allerdings hat das Motto \"Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass\" wohl noch nie funktioniert.
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