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Autor Thema: BKartA legt Abschlussbericht Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel vor  (Gelesen 16412 mal)

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Offline RR-E-ft

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BKartA legt Abschlussbericht Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel vor
« Antwort #15 am: 15. September 2011, 11:00:57 »
Der Thread hier betrifft die Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel des BKartA.

Der Bund der Energieverbraucher hatte insoweit methodische Mängel an der Vorgehensweise des Bundeskartellamtes moniert.
Die Monopolkommission setzt sich aktuell auch kritisch mit der Sektorenuntersuchung auseinander.

Neben dem eigentlichen Thema liegen deshalb die Verweise auf das Gutachten der Monopolkommission zur Rekommunalisierung/ kommunalen Tätigkeit im Energiebeereich.
Dazu merkt die Kommission an, dass die Grundversorgungstarife der Stadtwerke durchweg höher liegen als andere Angebote.
Dies wird entweder auf eine vergleichsweise teure Beschaffung oder auf gesteiegerte Profitinteressen der Kommunen zurückgeführt.
Ein Grund könnte ggf. auch darin liegen, dass Stadtwerke in größeren Städten tätig sind und dort - abhängig von der Einwohnerzahl - höhere Konzessionsabgaben zu zahlen sind.
Aber das ist nicht das Thema dieses Threads.

Offline Lothar Gutsche

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BKartA legt Abschlussbericht Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel vor
« Antwort #16 am: 07. November 2011, 20:26:43 »
Die Anwaltskanzlei Becker-Büttner-Held hat im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ DIE GRÜNEN ein Kurzgutachten zur Sektoruntersuchung des Bundeskartellamtes „Stromerzeugung Stromgroßhandel“ verfasst. Laut dem Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL vom 6.11.2011 sollen \"die großen Stromversorger E.on, RWE, EnBW und Vattenfall dem Bundeskartellamt \'massiv falsche Informationen\' geliefert und damit mögliche Sanktionen gegen die Unternehmen verhindert haben\". Weiter schreibt DER SPIEGEL unter http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/0,1518,796148,00.html, die Energiekonzerne hätten \"wohl falsche Daten und Begründungen über Kapazitäten geliefert, die seitens der Behörde nicht nachgeprüft wurden\".

Die Kanzlei Becker-Büttner-Held (BBH) verlautbart dazu am 7.11.2011 in einer Pressemitteilung unter http://www.beckerbuettnerheld.de/de/news/kurzgutachten-sektoruntersuchung-des-bundeskartellamtes-stromerzeugung-stromgrosshandel.html:  
Zitat
Im Kurzgutachten hat sich BBH unter anderem mit der sog. physischen Kapazitätszurückhaltung der Kraftwerke befasst. Diese führt zu einem knapperen Angebot und damit nach allgemeinen ökonomischen Grundsätzen zu einem höheren Marktpreis. Ca. 25% der verfügbaren Nettokapazitäten werden nach den Erkenntnissen des BKartA nicht auf dem Markt angeboten. Trotzdem sieht das Amt hierin kein missbräuchliches Verhalten, auch wenn Branchenkenner schon allein diesen Umstand als problematisch einordnen. Richtig ist: Im Hinblick auf den Kraftwerksnichteinsatz kann es sachliche Rechtfertigungsgründe (Netzrestriktionen, Kapazitätsvorhaltung für Regelenergie etc.) geben. Hierzu hat das Amt die Unternehmen aber lediglich „abgefragt“. Nach eigener Aussage (S. 135 des Berichtes des BKartA vom Januar 2011) haben die Untersucher „die sachliche Richtigkeit der durch die Unternehmen gemachten Angaben … nicht detailliert geprüft“

Die Wirtschaftswoche präzisiert die Vorwürfe aus dem BBH-Kurzgutachten in dem Beitrag \"Energiemarkt: Stromkonzerne sollen Preise manipuliert haben\" vom 7.11.2011 etwas:
Zitat
Die Kanzlei macht den Kraftwerksbetreibern den Vorwurf, ein Viertel der verfügbaren Nettokapazitäten nicht dem Markt zur Verfügung zu stellen. Hintergrundgespräche mit Branchenkennern hätten ergeben, dass im Regelfall 15 bis 18 Prozent der Kapazitäten brach lägen, anstatt zwischen 22 und 29 Prozent, wie es die Sektoruntersuchung ergeben hat. \"Dies legt den Verdacht nahe, dass die Kraftwerksbetreiber dem Bundeskartellamt massiv falsche Informationen geliefert haben\", heißt es in dem Gutachten weiter.

Die Anwaltskanzlei BBH, die Journalisten, aber auch die energiewirtschaftliche Sprecherin der Grünen, Ingrid Nestle kritisieren in dem Zusammenhang die mangelhafte Arbeit des Bundeskartellamtes. Die Behörde ist personell überhaupt nicht ausreichend ausgestattet, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Meiner Ansicht nach hat die Behörde nur eine Alibifunktion, es handelt sich um ein Feigenblatt, welches das politische Versagen und den mangelhaften Verbraucherschutz in Deutschland tarnen soll.  

Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de

Offline Lothar Gutsche

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BKartA legt Abschlussbericht Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel vor
« Antwort #17 am: 08. November 2011, 21:40:52 »
Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/ DIE GRÜNEN hat am 7.11.2011 eine Pressemitteilung unter dem Titel \"Überwachung des Strommarktes ist überfällig\" herausgegeben. Darin heißt es:

Zitat
Eine kritische Überprüfung der Kartellamtsuntersuchung durch die Anwaltskanzlei Becker Büttner Held (BBH) kommt jetzt allerdings zu dem Schluss, dass die Sektoruntersuchung überarbeitet werden muss. Die Gutachter kritisieren unter anderem, dass das Bundeskartellamt die Daten der Energieversorger nicht überprüft hat. Auch die ungewöhnlich hohen Angaben, dass ein Viertel der Kraftwerke ständig brach liege, hat die Behörde nicht stutzig gemacht - obwohl dadurch offensichtlich der Verdacht besteht, dass die Kraftwerksbetreiber dem Bundeskartellamt massiv falsche Informationen geliefert haben. Nach Meinung der Gutachter hätten genügend Anhaltspunkte bestanden, um ein Missbrauchsverfahren einzuleiten.

Außerdem haben die GRÜNEN das 23-seitige Kurzgutachten der Rechtsanwälte Dr. Dörte Fouquet, Angela Seidenspinner und Priv.-Doz. Dr. Jens Füller von der Anwaltskanzlei Becker Büttner Held unter http://www.gruene-bundestag.de/cms/energie/dokbin/395/395782@de.pdf komplett veröffentlicht. Darin finden sich mehrere schallende Ohrfeigen für die angeblich unabhängige, aber fachlich überforderte Behörde:

Zitat
Seite 13 des Kurzgutachtens unten
Das durch die Gutachter hervorgehobene Zitat lässt an der sachlichen Rechtfertigung der Ergebnisse der Sektoruntersuchung starke Zweifel aufkommen. Gerade die Frage, ob Kapazitätszurückhaltungen tatsächlich sachlich gerechtfertigt sind, darf nämlich nicht durch die Unternehmen beantwortet werden, sondern hätte durch das Bundeskartellamt ermittelt und geprüft werden müssen. Dies ist auch keinesfalls unmöglich, denn auch der externe Berater der Europäischen Kommission, London Economics, konnte im Rahmen der Sektoruntersuchung fehlende oder unstimmige Daten durch weitere Befragungen vervollständigen oder korrigieren

Auf Seite 10 kritisieren die Gutachter, dass das Bundeskartellamt die sogenannte \"finanzielle Kapazitätszurückhaltung\" nicht analysiert hat. Auf Seite 11 - 12 stellen die Gutachter fest, dass die Behörde ein mangelhaftes Grundverständnis von der Preisbildung in Strommärkten zeigt. Denn anders als das Bundeskartellamt glauben machen will, können in Spitzenlastzeiten schon mengenmäßig geringe Angebotsmanipulationen große Auswirkungen auf die Strompreise ausüben.  Auf Seite 18 wird bemängelt, dass das Bundeskartellamt die beobachteten Kapazitätszurückhaltungen als missbräuchlich kennzeichnen müsste, eben weil kein sachlicher Grund für die Kapazitätszurückhaltung erkennbar war. Selbst für die Zukunft der Markttransparenzstelle lässt das Gutachten der Anwälte von BBH nichts Gutes erwarten, vgl. Seite 19 des Guachtens.

Das vernichtende Urteil des Gutachtens lässt nur einen Schluss zu: Mit der Sektoruntersuchung hat das Bundeskartellamt die Chance versäumt, zu Gunsten des Bundeshaushalts eine Milliardensumme wegen massiver Verstöße gegen das Kartellrecht bei den Stromerzeugern und Stromgroßhändelern Deutschlands abzuschöpfen. Die GRÜNEN sollten allerdings in ihrer Pressemitteilung vom 7.11.2011 nicht zu laut das Versagen der Bundesregierung anprangern. Denn 1998 - 2005 unter der rot-grünen Bundesregierung ist das Bundeskartellamt auch nicht gerade massiv zum Schutz von Wettbewerb und Verbrauchern ausgebaut worden. Geradezu verräterisch ist, dass z. B. mit Gerhard Schröder und Joschka Fischer frühere Spitzenfunktionäre der SPD und der GRÜNEN heute im Dienst der Energiekonzerne stehen.

Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de

 

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