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Autor Thema: Gasanbieter legt offen-was tun?  (Gelesen 6717 mal)

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Offline Menace

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Gasanbieter legt offen-was tun?
« am: 31. August 2005, 17:01:16 »
Mein Gasanbieter (ESTW, in Bayern unter den ersten 20 teuersten Anbietern) hat nach Widerspruch zu den zweistelligen Gaserhöhungen (alle Punkte beachtet, Musterbriefe etc. und Überweisung nach altem Tarif) bei einem Gespräch glaubhaft versichert, er hätte kein Problem mit einer Offenlegung der Kalkulation. Warum andere Versorger dies nicht tun sei ihnen schleierhaft, man habe nichts zu verbergen. Mit vielen Tabellen (Anteile von Kosten für Gasbezug und interne Kosten) und einem Gutachten eines \"unabhängigen\" Wirtschaftsprüfers wurde mir dargelegt, das man nur die Erhöhung der eigenen Kosten weitergegeben hat. Das kann ich als Aussenstehender natürlich kaum überprüfen. Man würde dies auch vor Gericht so offenlegen, da nur eine etwaige Kalkulation abgegeben werden müsste. Habe ich also keine Chance meine immense Gasrechnung zu kürzen, oder bin ich hier schlichtweg verarscht worden? Bitte Hilfe.

Offline RR-E-ft

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Gasanbieter legt offen-was tun?
« Antwort #1 am: 31. August 2005, 17:36:30 »
@Menace

Einige solcher Gutachten verschiedenster Gesellschaften sind bekannt.
Bisher alles nicht zu gebrauchen.

Der Versorger muss klagen und seine Preiskalkulation vollständig  offen legen. Das will er ja auch, vollkommen ohne Angst vor der scharfen Konkurrenz der Heizölhändler wie bei E.ON Westfalen Weser....

Dabei gibt es sehr viel zu beachten, was ich an dieser Stelle nicht alles darlegen kann.

Lesen Sie den Thread, wie die Billigkeitskontrolle vor Gericht funktioniert:

Wie erfolgt Gas- Billigkeitskontrolle vor Gericht ?


Erst nachdem der Versorger alle Fakten in seinem Schriftsatz vorgetragen hat, kann das Gericht ggf. einen Sachverständigen bestellen.

Die vorgetragenen Fakten können Sie betreiten, dann muss der Versorger alles beweisen:

Wann er welches Rohr zu welchem Preis gekauft hat, wie dieses bewertet und abgeschrieben wurde, wieviel Rabatt es im Konzerneinkauf gab etc. pp.

Das ist schon nicht nur spannend...

Zudem:

Der Gasbezusvertrag muss offen gelegt werden. Den kann man dann gleich darauf prüfen, ob der etwa schon längst kartellerchtswidrig und somit nichtig ist. Dann können Preiserhöhungen nicht auf deren Durchführung gestützt werden.

Das macht man nicht allein, sondern legt den Vertrag einfach aufs Fax an die freundlichen Damen und Herren vom Bundeskartellamt, die schnell einen kurzen Blick drauf werfen mögen....

Dann bestreitet man noch den Brennwert und die Umrechnung und läßt sich das haarklein nachweisen. Es soll ja schon wirkliche Fehler gegeben haben:

EON Westfalen Weser mit neuer Panne

Private  Krankenversicherungen, die allesamt in einem Wettbewerb zueinander stehen, ist es dabei schon nicht gelungen, die Angemessenheit ihrer Prämienerhöhungen nachzuweisen.


Aber erst, nachdem alle Fakten auf dem Tisch liegen - sprich: die  ggf. nach entsprechenden Beweisaufnahmen feststehen -, die einem Gutachten überhaupt zugänglich sind, kann ein gerichtlicher Sachverständiger bestellt werden.

Das Gericht bestellt von sich aus einen unabhängigen Gutachter.

Diesen kann man wegen Befangenheit ablehnen, wenn es Anhaltspunkte gibt... Dann wird jemand anders bestellt.

Der Gutachter bekommt nur die Gerichtsakte übersandt mit den darin enthaltenen Angaben des Versorgers.

Reichen diese Angaben deshalb nicht aus, wird die Klage abgewiesen.

Das Gutachten, welches der Versorger schon in seiner Schublade hat, ist als reines Parteigutachten dabei vollkommen belanglos. Dieses kann er also dort stecken lassen, wo er es gerade hat.

Das Geld dafür hätte man sich auch getrost sparen können.

Dieses Gutachten dient wohl allein dazu, mit irgendwelchen Zahlen, die der einzelne Kunde sowieso nicht gleich überblicken kann, zu beeindrucken.


Immerhin wurde dieses vom Versorger in Auftrag gegeben, bestellt und bezahlt..... Sicherlich bei einer Firma, mit der man schon lange in Geschäftsverbindung steht. Man kennt sich möglicherweise schon lange.

Ein unabhägiges Gutachten sieht anders aus!

Lassen Sie sich doch eine Kopie geben.

Es soll ja kein Geheimnis sein.

Und dann durchleuchten wir das mal.



Sie brauchen keine Angst haben und sich keine Sorgen machen.

Das größte Geheimnis ist, dass es oft gar keine Kalkulation gibt.

Man stelle sich vor, Coca Cola habe gar keine Rezeptur.


Eine Klage können Sie abwarten und dann immer noch innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung- nachdem Sie den Verbraucherverbänden die Klage zur Prüfung gegeben haben, \"sofort\" anerkennen.

Der Versorger spaziert dann mit den Kosten nach Hause.

Denn die \"Kalkulation\" war für Sie ja bisher noch gar nicht prüffähig.
Das braucht Zeit und man muss Ihnen die Zahlen mitgeben.

Also ruhig Blut und nicht bluffen lassen.

Gerade wollte ich den Versorgern eine Hilfestellung leisten und einen entsprechenden Beitrag in den \"Energiewirtschaftlichen Tagesfragen\" veröffentlichen, insbesondere zu den prozessualen Fallstricken und  Nuancen.

Der Verlag glaubt jedoch, das hätte die Leserschaft - also die Energieversorger - weniger interessiert:


Die leisten sich lieber ganz teure Anwälte aus der Premium- Klasse.

Die werden wohl vom BGW und von der Ruhrgas vorgeschickt.

Jedenfalls sieht man immer die gleichen Gesichter.


Wenn alles so einfach wäre, wie ihr Versorger vorgibt, hätten die deutschen Gasversorger schon längst eine Klagewelle gegen 200.000 Kunden losgetreten.

Haben sie aber nicht. Das mag Gründe haben.


Deshalb ist es wohl doch nicht so einfach, wie ihr Versorger glauben machen will.

Der Kläger ist immer mit dem ganzen Risiko eines Prozesses belastet.

Der Beklagte braucht gar nicht soviel zu machen, um erfolgreich zu sein.

Vielleicht kann Ihnen der Prozesskostenfond des Bundes der Energieverbraucher auch weiterhelfen.


Meine Erfahrung ist die, dass ganz wenige Versorger sich mutig getraut haben, zu klagen, dann jedoch ebenso mutig die Klage auch wieder zurückgenommen haben oder es hatte sie der Mut zwischenzeitlich verlassen und sie erschienen als Kläger schon nicht zum Gerichtstermin.


Also selbst wenn der Versorger mutig klagt ist noch nicht gesagt, dass er auch ebenso mutig weitermacht.


Zudem müsste man ja dann annehmen, der Versorger im Mannheimer Prozess habe auf 15.000 EUR leichtfertig verzichtet.

Auch die Heilbronner Gasversorgung mit Herrn Kollegen Dr. Kunth von Freshfields Bruckhaus Deringer an ihrer Seite hätte vollkommen leichtfertig das bekannte Heilbronner Gaspreisurteil kassiert.

Dann wären die aber wohl sehr schlecht beraten gewesen.

Es ist nämlich sehr fraglich, ob in der Berufungsinstanz überhaupt noch etwas zur Preiskalkulation vorgebracht werden kann oder ob ein entsprechender Vortrag nicht vielmehr wegen Präklusion abgeschnitten ist.

In einem Schriftsatz des Kollegen Dr. Hempel soll  zu lesen sein, die Gaskunden, die sich zur Wehr setzen,  würden das politische Ziel verfolgen, das Gaspreisniveau in Deutschland abzusenken.

Als wenn ein Kunde z.B. in Rostock, die Möglichkeit hätte, in Essen für sinkende Gaspreise zu sorgen....

Das funktioniert doch allenfalls umgekehrt!

Da gibt es wohl die Vorstellung von einer Verschwörung der Erdgaskunden oder einer entsprechenden APO.

Da wäre dann aber doch etwas falsch verstanden worden:

Zur Durchsetzung politischer Ziele gibt es das Parlament, die Parteien und ggf. noch Lobby- Verbände, welche auf die Vorgenannten Einfluss nehmen.

Außerdem kann ja niemand außer den Gasversorgern das Preisniveau senken, sondern allenfalls verhindern, dass seine eigenen Gaspreise ganz ohne Notwendigkeit oder aber unangemessen (unbillig) erhöht werden.

Und das ist doch allemal ein lohnendes Ziel.

Siehe auch hier:

\"Testate\" zur Billigkeit der Gaspreise

Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

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