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Wann beginnt Strafbarkeit?

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Maharik:
Folgendes Szenario:

der Versorger hat \'heimlich\', d.h. ohne die Öffentlichkeit zu informieren, seine altes Vertragsmodell ((alle Kunden, die mehr als ...kWh abnehmen, sind Sonderkunden) abgeschafft.

Die Tarife der alten Vertrage tauchen in keinem Preisblatt mehr auf. Vom Stichtag an bietet er andere, günstigere Verträge/Tarife an, natürlich mit Verzicht auf Einrede nach § 315.

Dies geschah am 1. April 2008! Die Altkunden wurden in dem Glauben gelassen, die Verträge liefen weiter und es gäbe nur ein neues, zusätzliches Versorgungsangebot.

Die neuen Tarife waren im Mittel 0,7 Ct günstiger, als die Alttarife. Nun die Frage:

Der Versorger sagt er wahrscheinlich, er habe ein günstigeres Angebot gemacht, um die Kunden zum Wechsel zu bewegen. Die Preisdifferenz von 0,7 Ct ist - wenn man die Rohmarge rausnimmt - aber bezogen auf den Gewinn schon erheblich. Der Versorger ist doch aber eigentliche verpflichtet, allen Kunden billige Preise anzubieten. Jetzt könnte man sagen, für 9 Monate, also bis Ende 2008 ist die Preisdifferenz vertretbar, weil der Anbieter einerseits Kunden behalten und andererseit einen Anreiz schaffen kann.

Aber: der Anbieter hält die Differenz in 2009 aufrecht und gibt 2010 noch einmal ein neues Sonderabkommen heraus, immer mit der gleichen Differenz von einem Ct.

Nun ist es so, dass er über 33 Monate hinweg für die gleiche Lieferung überhöhte Preise nimmt. Ob er die realisiert oder nicht, ist erst einmal unerheblich, denn sie stehen ja auf den Rechnungen. Wenn man das mal in kWh umrechnet, kommt da leicht eine Differenz von 50.000,- Euro zusammen, die dadurch enstehen, dass den Altkunden nicht die günstigst möglichen Preise angeboten, bzw. an diese weiter gereicht werden.

Hier standen ja noch Verfahren aus. Hätte der Versorger gewonnen, hätte er das Geld kassiert. So stehen die Beträge zumindest in den Büchern.

Wenn der Versorger in 2008 weiß, dass diese alten Verträge nicht mehr weiter bedient werden sollen hätte er meiner Meinung nach zum 31.12.2009 spätestens kündigen müssen. Er hat aber mit dem überhöhten Preis für ein weiteres ganzes Jahr die Verträge laufen lassen, um sich entsprechenden Forderungen zu sichern. Seit dem 1.1.2008 wurden die Preise für die Sonderabkommen auch nicht mehr im Internet veröffentlich, d.h. man konnte sich gar keinen Überblick verschaffen, welcher Preis gerade galt.

Gibt\'s dazu schon gerichtliche Entscheidungen oder so?

bolli:

--- Zitat ---Original von Maharik
...der Versorger hat \'heimlich\', d.h. ohne die Öffentlichkeit zu informieren, seine altes Vertragsmodell ((alle Kunden, die mehr als ...kWh abnehmen, sind Sonderkunden) abgeschafft.

Die Tarife der alten Vertrage tauchen in keinem Preisblatt mehr auf. Vom Stichtag an bietet er andere, günstigere Verträge/Tarife an, natürlich mit Verzicht auf Einrede nach § 315.

--- Ende Zitat ---
Hm, etwas undurchsichtig. Sind seine Kunden nun ALLE in der Grundversorgung ? Wenn ja, KANN er den Verzicht auf § 315 nicht in seine Verträge aufnehmen, da sich die Bedingungen der Grundversorgung aus der GVV ergeben. Und da die Preise in der Grundversorgung nun mal einseitig festgesetzt werden, besteht  auch die gesetzliche Möglichkeit des Einwands gem. § 315 BGB.

Bietet er aber weiterhin Sonderverträge an (auch wenn er diese vielleicht nicht so nennt) so kann seine Preise selbst bestimmen. Niemand ist ja gezwungen, solche Verträge abzuschließen. Altverträge in einen neuen zu \"überführen\" ist aber nur mit Zustimmung der Kunden möglich. Liegt diese nicht vor, müsste der Versorger den alten Vertrag kündigen, was beim Sondervertrag möglich ist.
Im Sondervertrag kann man sich sowieso nur auf § 315 BGB berufen, wenn das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht (also einseitig die Preise festzusetzen) in dem Vertrag vereinbart wurde. Andernfalls kommt es auf die Wirksamkeit der Preisanpassungsklauseln an und das ist eine Frage der §§ 305 / 307 BGB.

Ob hier wegen der \"Gewinnmaximierung\" eine Strafbarkeit vorliegt, wage ich zu bezweifeln. Seine Vertragsmodelle kann er übrigens im Sondervertrag so oft ändern wie er will, er muss auch nicht alle SV-Kunden zu den gleichen Bedingungen beliefern.

Maharik:
@bolli

Undurchsichtig ist erst einmal das richtige Wort.

Der Versorger sagt: ich will die Kunden nicht mehr in dem alten Tarif beliefern, bzw. diesen Tarif (Vertrag) nicht mehr anbieten. Mit 1.4.2008 stellt er das Angebot ein, beliefert aber die ‚Altkunden’ in dem Tarif weitere (steht ja auf den Rechnungen).

Das macht er 2 Jahre und 9 Monate lang so (ohne dass der Kunde diese ganzen Ranküne durchschaut). Nun gibt es in den zwei Jahren und 9 Monaten aber mehrere ‚Preisanpassungen’. Was ist für die ‚Altkunden’ der ‚billige Preis’, wenn der Versorger gleichzeitig in Tarifen gleicher Art, nur mit anderem Namen das Gas 12 – 15 % billiger anbietet? Wie kommt für die Altkunden ein ‚billiger Preis’ zustande?


--- Zitat ---Hm, etwas undurchsichtig. Sind seine Kunden nun ALLE in der Grundversorgung ? Wenn ja, KANN er den Verzicht auf § 315 nicht in seine Verträge aufnehmen, da sich die Bedingungen der Grundversorgung aus der GVV ergeben. Und da die Preise in der Grundversorgung nun mal einseitig festgesetzt werden, besteht auch die gesetzliche Möglichkeit des Einwands gem. § 315 BGB.
--- Ende Zitat ---


Nein, die ‚Altkunden’ werden nach dem 1.4.2008 weiter als Sonderkunden beliefert. Die Kündigung kam erst zum 31.12.2010. Die SWST haben den Kunden mehr als 2 Jahre nicht gesagt, dass der Tarif – unabhängig von der Kündigung – schon beendet war. Dennoch haben sie einen Tarif, den sie nicht mehr fortführen, von sich aus (zunächst) nicht gekündigt, was zum 31.12. problemlos gegangen wäre. Für Leute, die z.B. unter Vorbehalt gezahlt haben heißt das, diese wurden das ganze Jahr 2010 über zu Preisen beliefert, die im Mittel 12 % über dem Preis des anderen Vertrages lagen. Die wussten aber im Gegensatz zu den Stadtwerken im Herbst 2009 gar nicht, dass der Tarif gar nicht mehr existiert und die SWST wohl nur abwarten wollten, ob die Gerichtsurteile nicht zu ihren Gunsten ausfallen. Dann wäre das Interesse, die Kunden möglichst lange in dem teureren Vertrag zu halten, aufgegangen.

Noch einmal anders gefragt: Wann endet ein Tarif? Nach meinem Verständnis, wenn er nicht weiter am Markt verfügbar ist und gehandelt wird.

Wann und wer muss einen Tarif, den der Anbieter zurücknimmt, kündigen? Ist der dann nicht automatisch zum Schluss der Laufzeit zu Ende? Also wenn er sich automatisch um ein Jahr verlängert nach der ersten Verlängerung? Ich finde das echt schwierig zu beurteilen.







(Kann sein, dass der Beitrag bei Gelsenwasser nochmal steht. Bin da durcheinander gekommen, sorry.)

bolli:
Wichtig bei Sonderverträgen ist wohl nicht Tarifname. Vielmehr haben Sie mit Ihrem Versorger einen VERTRAG geschlossen, in dem Sie einen bestimmten PREIS vereinbart haben. Diesen schulden Sie bei ordnungsgemäßer Lieferung dem Versorger. Beinhaltet der Vertrag auch eine Preisanpassungsklausel, so stellt sich die Frage, ob sie wirksam in den Vertrag einbezogen wurde und, wenn dieses der Fall ist, ob sie inhaltlich wirksam ist. Wenn beides der Fall ist, darf der Versorger im Rahmen dieser Klausel die Preise anpassen. Wenn er dabei den neuen Preisen neue (Tarif-)Namen gibt, so ist das seine Sache. Für Sie ist der PREIS wichtig.

Der Versorger darf mit neuen Kunden auch neue Verträge abschließen, die andere aktuelle Preise beinhalten, als Ihr Vertrag enthält. Denn an Ihren vertrag ist er gebundenn, solange dieser nicht durch eine der beiden Vertragsparteien ordnungsgemäß gekündigt wird. Und solange gelten die vereinbarten Preise. Was aktuell vereinbart ist ergibt sich aber nicht unbedingt aus der  Meinung (Verlautbarung) des Versorgers sondern aus der Beurteilung der Frage, ob nach dem Anfangspreis überhaupt eine Anpassung des Preises stattfinden durfte und wenn neien, ob dieser zwischendurch möglicherweise trotzdem mal (neu) vereinbart wurde. Nur dadurch, dass Sie etwaigen Preisanpassungen des Versorgers nicht widersprochen haben, gleichwohl die höheren Preise (vielleicht auch nur teilweise) gezahlt haben, begründet laut BGH-Urteil vom 14.07.2010 VIII ZR 246/08 in der Regel keine Preisneuvereinbaung.

Wenn KUNDEN mit den vereinbarten ALTpreisen nicht einverstanden sind, weil die Neukunden günstigere Angebote bekommen, so dürfen auch sie kündigen und ggf. einen neuen Vertrag zu besseren Konditionen, ggf. auch mit einem anderen Versorger, abschließen.

Also nochmals zusammengefasst: Interessant ist nicht der Tarifname sondern die vertraglichen Inhalte nebst dem vereinbarten Preis. Lässt der Vertrag Preisanpassungen zu, dürfen sie im vertraglichen Rahmen vorgenommen werden, wenn nicht, gilt wohl in den meisten Fällen der Vertragsanfangspreis. Beim LG Bonn wurde diesbezüglich im letzten Jahr ein Preis aus dem Jahr 1991 als maßgebend angesetzt (Urteil v. 3.11.2010 - 5 S 218/09). Das der Versorger diesen nicht von sich aus als gültig ansieht, darf in den meisten Fällen vorausgesetzt werden.  ;)

Cremer:
@Maharik,

mit welchem Versorger hat man denn hier zu tun?

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