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Autor Thema: BGH, mdl. Verh. am 13. Juli 2011 - VIII ZR 339/10 - Fernwärme  (Gelesen 7123 mal)

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Offline ESG-Rebell

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Von der Verhandlung um 10:00 in der Sache VIII ZR 342/09 - XXX gegen EVM Energie-Versorgung GmbH - habe ich nichts erfahren.
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Verhandlung am 13. Juli 2011 von 12:00 bis 12:24 Uhr.
8. Zivilsenat: Ball, Dr. Milger, Dr. Achilles, Dr. Schneider, Dr. Fetzer

VIII ZR 339/10

LG Zwickau - Urteil vom 17. November 2009 – 5 O 66/09
OLG Dresden - Urteil vom 30.November 2010 – 9 U 64/10

Kläger: Wohnungseigentümergemeinschaft, RA Keller, Dr. Mennemeyer, Dr. Herzog
Beklagte: envia THERM GmbH, RA Dr. Semmler, RA Adolf Topp (AGFW)

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Aus den Terminhinweisen des Bundesgerichtshofs:

Die Klägerin ist ein Energieversorgungsunternehmen. Sie verlangt von der Beklagten, einer Wohnungseigentümergemeinschaft, restliche Zahlung für die Lieferung von Fernwärme für die Jahre 2006 bis 2008. Die Klägerin erhöhte in diesem Zeitraum sowohl den Grundpreis als auch den Arbeitspreis wiederholt, dem trat die Beklagte entgegen und nahm Zahlungen nur auf der Basis der 2005 gültigen Preise vor. Die Parteien streiten im vorliegenden Rechtsstreit vorrangig um die Frage, ob die von der Klägerin vorgenommenen Preisänderungen wirksam sind. Insoweit heißt es in dem zwischen den Parteien geschlossenen Fernwärmeliefervertrag:

\"...
5. Preisanpassung

Der Grundpreis (=Nennpreis) gemäß Ziffer 1 ändert sich nach folgender Formel:

GP = GP0 x (0,21+0,43 x L/L0 + 0,36 x I/I0 )

Die Arbeitspreise (=Nennpreise) gemäß Ziffer 2 ändern sich nach folgender Formel:

AP= AP0 x (0,3 x L/L0 + 0,5 x H/H0 + 0,2 x G/G0 )

Darin bedeuten:

GP = Grundpreis in DM/kW
L = Anfangsvergütung (Stufe 0) der Ecklohngruppe 6 des Tarifvertrages für Beschäftigte des Arbeitgeberverbandes energie- und versorgungswirtschaftlicher Unternehmen e.V. Berlin (AVEU)
AP = Arbeitspreis der jeweiligen Zone in Pf/kWh
...\"

Bei dem mit H bezeichneten Faktor handelt es sich um den vom Statistischen Bundesamt monatlich veröffentlichten Preis für leichtes Heizöl der so genannten Rheinschiene (dies entspricht dem Durchschnitt aus den Preisen für Düsseldorf, Frankfurt am Main und Mannheim/Ludwigshafen). Der Faktor G kennzeichnet den Gaspreisindex, der Faktor I den Erzeugerpreisindex für gewerbliche Produkte, welche ebenfalls vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht werden. Die jeweiligen mit „0“ bezeichneten Faktoren bezeichnen die Ausgangswerte.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt: Die in dem Vertrag verwandte Preisanpassungsklausel sei wirksam, sie verstoße weder gegen § 307 Abs. 1 BGB* noch gegen § 24 Abs. 3 Satz 2 und 3 AVBFernwärmeV** [aF]. Insbesondere benachteilige die Verwendung der von der Klägerin gewählten Faktoren in der Preisanpassungsformel die Beklagte nicht, denn es handele sich um nachvollziehbare und objektive Kriterien, die sowohl die Kostenentwicklung der Klägerin als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt aufgriffen. Zwar stellten die Formeln nicht auf die konkreten Kosten der Klägerin ab, dieses sei aber nicht zu beanstanden, denn die Berücksichtigung der ständigen Veränderungen unterworfenen tatsächlichen Kosten der Klägerin ließe sich nur schwer in eine transparente Formel fassen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
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----- 12:00 ----------------------------------------------------------------------
Ball:
Leitet in den Sachverhalt ein, siehe oben.

Die Verwendung verschiedener Indexe in einer Preisanpassungsklausel kann problematisch sein im Hinblick auf die Erfordernisse des § 24 Abs. 3 Satz 2 und 3 AVBFernwärmeV.

Der Senat hat sich nach dem OLG-Urteil mit Preisanpassungsklauseln in Fernwärmelieferverträgen befasst. Diese unterliegen den speziellen Anforderungen des (damligen) § 24 Abs. 3 Satz 3 AVBFernwärmeV. Danach sind die tatsächlichen Kosten angemessen zu berücksichtigen. Für die Preisanpassungsklausel ist sowohl ein Kosten- als auch ein Marktelement erforderlich.

Das Berufungsgericht betrachtete ein Marktelement als nicht erforderlich weil der Anbieter auf dem regionalen Markt eine Monopolstellung innehabe. Dem kann der Senat nicht folgen. Gerade bei einem Monopolisten ist doch ein Marktelement erforderlich um ausgleichend einzuwirken. Ggf. muss ein weiter gefasster Markt in den Vergleich einbezogen werden.

Das Berufungsgericht beurteilt das Kostenelement als hinreichend transparent. Der Senat vertritt die Auffassung, dass Indexwerte nur dann als Teil einer Preisanpassungsklausel geeignet sind, wenn ihre Entwicklung die Entwicklung der tatsächlich entstehenden Kosten wiedergibt. Auf den ersten Blick genügen die o.g. Klauseln dem jedenfalls nicht.

----- 12:08 ----------------------------------------------------------------------
Keller:

Führt kurz aus, dass die Preisanpassungsklausel nicht hinreichend transparent ist.
Überlässt dem Gegner das Wort und wird ggf. auf dessen Ausführungen erwidern, falls das dann noch erforderlich sein sollte.

----- 12:10 ----------------------------------------------------------------------
Semmler:

Die Investitionskosten sind nicht berücksichtigt, stecken aber im Index mit drin. Dies hat der Senat aber nicht thematisiert. Investitionskosten machen ohnehin nur einen vergleichsweise kleinen Anteil aus.
Ebenso hat der Senat mögliche Kosten und Einkünfte aus der Kraft-Wärme-Kopplung nicht thematisiert. Zur damaligen Zeit waren diese aber auch noch nicht absehbar.

In der Preisanpassungsklausel sind die Brennstoffkosten über einen Index anderer Brennstoffe berücksichtigt.
Derselbe Index stellt aber auch das benötigte Marktelement dar.

Der Brennstoffkostenindex ist zudem mit dem Vorlieferanten vereinbart. Es handelt sich um rein durchlaufende Kosten.
Daher bildet der Index die Entwicklung der Bezugskosten ab, sodass diese hinreichend berücksichtigt sind.
Entscheidend ist bei der Fernwärme die Kostennähe, nicht die Kostenechtheit.

Er verweist auf ein BGH-Verfahren der Stadtwerke Lübeck.

Der genannte Index bietet drei Vorteile:
* er fungiert auch als Marktelement,
* er bildet die tatsächlichen Kosten als durchlaufenden Posten ab,
* er ist verständlicher

----- 12:15 ----------------------------------------------------------------------
Der Senat beginnt nun eine recht lebhafte Diskussion mit Dr. Semmler.

Es ist doch nicht einmal bekannt, mit welchem Brennstoff die Fernwärme erzeugt worden ist. Wurden bspw. Öl und Gas eingesetzt dann müssten sich Kostenelemente in der Formel finden lassen, die das tatsächlich verwendete Verhältnis Öl/Gas angeben. Nur dann wären die Kostenbestandteile hinreichend berücksichtigt.

Ebenfalls nicht bekannt ist ob der Vorlieferant Fernwärme- oder Brennstofflieferant ist. Es taucht nur irgendeine ominöse Schwesterfirma der Beklagten auf.

Der Index stellt zudem nur auf die Kostenentwicklung, nicht die tatsächlichen Kosten ab. Mit diesen dürftigen Angaben können wir nicht operieren.

Die Diskussion geht weiter. Der Senat bemängelt die fehlende Identifizierbarkeit der tatsächlich entstandenen Kosten in der Klausel.

Ein einzelnes Element, dass sowohl als Markt- wie auch als Kostenelement fungiert, ist problematisch.

Das Berufungsgericht hat nicht geurteilt, dass die Kosten tatsächlich durchlaufend sind.

Nicht die Anwendung einer Klausel sondern der Inhalt der Klausel selbst ist entscheidend.

Die Klausel hat nur dann eine Chance zu bestehen, wenn sie sowohl die Markt- als auch die Kostenverhältnisse wiedergibt.

----- 12:24 ----------------------------------------------------------------------
Ball an Keller gewandt:
\"Meinen Sie dass der Senat hinreichend beeindruckt ist oder wollen Sie noch erwidern?\"

Keller: \"Dem brauche ich wohl nichts mehr hinzuzufügen.\"

Ball:
Eine Entscheidung wird noch heute ergehen.
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Gruss,
ESG-Rebell.

Offline RR-E-ft

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BGH, mdl. Verh. am 13. Juli 2011 - VIII ZR 339/10 - Fernwärme
« Antwort #1 am: 13. Juli 2011, 15:15:14 »
@ESG-Rebell

Vielen Dank für diesen schnellen Bericht in gewohnt ausgezeichneter Qualität!

 

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