Das Urteil des OLG Zweibrücken liegt zwischenzeitlich vor!
Entgegen der Ankündigung des Senats wurde die Revision nicht zugelassen, dies mit sehr guter Begründung anhand des Urteil des BGH vom 14.07.2010.
Rechtlich ist für das Versorgungsgebiet der Beklagten damit geklärt, dass die Beklagte in ihren Sondervertragsverhältnissen sich nicht auf die einseitige Preisänderungsbefugnis aus § 4 AVBGasV berufen kann, weil sie diese im Regelfall nicht wirksam in die Sondervertragsverhältnisse einbezogen hat.
Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken hat insoweit in dem ersten Urteil, VII ZR 148/10 festgestellt,
1.
bei den streitgegenständlichen Versorgungsverträgen im Tarif Visavi M der Klägerin handelt es sich um Normsonderverträge, wobei streitgegenständlich bisher immer der Tarif Visavi M war. ( Gleiches gilt allerdings für die in der Tarifstruktur abgebildeten Tarife Visavi L und XL)
2.
Soweit ein schriftlicher Vertrag zwischen den Parteien nicht vorliegt, spreche die Einordnung des Tarifes in die Tarifstruktur der Beklagten für ein Normsonderkundenverhältnis.
3.
Für solche Normsonderverträge gelten die Regelungen der Verordnungen der AVBGasV bzw. der GasGVV ab 2006 nicht unmittelbar, sondern nur dann, wenn diese als allgemeine Geschäftsbedingungen in den Vertrag einbezogen worden sind (so auch zuletzt BGH NJW 2011, 1342 mwN).
4.
Voraussetzung für die Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen ist, dass der Verwender die andere Vertragspartei bei Vertragsschluss ausdrücklich auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen hinweist und der Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen und zwar bevor der Kunde sich durch eine auf Einbeziehung der AGB gerichtete Erklärung bindet (vgl. auch BGH NJW 2010, 864).
Hierzu ist eine Übergabe vor dem jeweiligen Abschluss der Versorgungsverträge
erforderlich (Seite 13 von 26 des Urteils).
5.
Soweit die Pfalzgas GmbH sich auf „Erstanschlussverträge“ zur Herstellung eines Gashausanschlusses beruft, reicht eine eventuelle Übergabe der AVBGasV bei Herstellung des Gashausanschlusses nicht aus, um bei einem späteren Beginn des Dauerschuldverhältnisses über den Gasbezug von einer wirksamen Einbeziehung der AVBGasV in das Vertragsverhältnis in Form des Dauerschuldverhältnisses auszugehen.
6.
Dies gilt insbesondere deswegen, da durch die Herstellung des Gashausanschlusses kein Dauerschuldverhältnis begründet wird, dass es dem Kunden nahe liegt, dass eine beim Gashausanschluss übergebene AVBGasV auch für spätere Handlungen noch von Bedeutung ist.
7.
Der Hinweis auf die Möglichkeit einer kostenlosen Übersendung der AVBGasV in den Versorgungsverträgen ist nicht ausreichend. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen bereits dem Angebot beigefügt sein, da der Versorgungsnehmer vor dem Vertragsschluss die Möglichkeit zur Kenntnisnahme der einzubeziehenden allgemeinen Geschäftsbedingungen haben muss.
8.
Soweit die Versorgerin in den Prozessen sich darauf berufen hat, dass die AVBGasV quasi automatisch einbezogen sei, da es sich um eine Rechtsnorm handelt, verneint dies das OLG, da es sich bei der Gasversorgung und der AVBGasV um ein Sonderrechtsgebiet handele, dessen Rechtsverordnungen nicht allgemein bekannt sind.
9.
Auch durch Hinweise auf späteren Rechnungen und Jahresrechnungen oder sonstigen Schriftstücken der Versorgerin auf die AVBGasV erfolgte keine wirksame Einbeziehung in das jeweilige Vertragsverhältnis und aus dem fortgesetzten Gasbezug des Versorgungsnehmers erfolgte insoweit auch keine Zustimmung des Versorgungsnehmers zu einer Vertragsänderung in Form einer Einbeziehung der AVBGasV in den Versorgungsvertrag.
10.
Auch durch einseitige Schreiben der Beklagten vom 29.12.2006 bzw. 24.03.2007 erfolgte keine wirksame Einbeziehung der neuen gesetzlichen Grundlage für Tarifkundenverhältnisse, der GasGVV. Hierzu müsste die Versorgerin zuerst nachweisen, dass diese Schreiben den jeweiligen Versorgungsnehmern überhaupt zugegangen sind. Beweisaufnahmen durch Zeugeneinvernahmen von Zeugen, die der Versorger insoweit benennt, über den Versand der Schreiben sind insoweit nicht ergiebig, da damit der Beweis des konkreten Zugangs nicht geführt werden kann.
11.
Eine ergänzende Vertragsauslegung, die angeblich aus Sicht der Versorgerin immer notwendig ist, durch nachträgliche Einbeziehung einer solchen Preisänderungsklausel scheiterte.
Es liegt keine Lücke vor, die sich nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt und zu einem Ergebnis führt, dass den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt und das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebt. Hierauf beruft sich die Versorgerin in den Verfahren. Eine derartige ergänzende Vertragsauslegung hat das OLG Zweibrücken ebenfalls abgelehnt (Seite 16 von 26).
12.
Die Versorgerin hat die Möglichkeit gehabt, nachträglich durch Kündigung und Neubegründung für eine ordnungsgemäße Einbeziehung der AVBGasV bzw. der GasGVV zu sorgen.
13.
Eine konkludente Einigung auf eine Preisänderung durch Ausgleich der jeweiligen Jahresrechnungen, wie von Versorgerseite immer behauptet, kann ebenfalls nicht angenommen werden. Die Übersendung der Jahresrechnung stellt kein Angebot der Versorgerin zum Abschluss einer Vertragsänderung dar. In der bloßen Übersendung einer Rechnung kann ein solcher Wille zu einer Vertragsänderung gerade nicht angenommen werden. Dort war für die Versorgungsnehmer jeweils nicht erkennbar, dass mit Zusendung der Jahresrechnung eine Vertragsänderung angestrebt gewesen sein soll.
14.
Es ist auch nicht treuwidrig, wenn die Versorgungsnehmer sich auf die fehlende Preisänderungsbefugnis berufen. Ein schützenswertes Vertrauen der Pfalzgas darauf, dass die gewollte Einbeziehung einer einseitigen Preisänderungsklausel in dem Vertrag wirksam ist, besteht nicht.
15.
Daher könne grundsätzlich von den Versorgungsnehmern verlangt werden, dass den Jahresrechnungen der Gaspreis zugrunde gelegt wird, der bei Abschluss der Versorgungsverträge vereinbart wurde. Allerdings müssen sich die Versorgungsnehmer daran festhalten lassen, wenn sie zu einem höheren Preis erstvereinbart haben und danach die Preise fallen. Dann gilt der auch höhere, erstvereinbarte Preis bei Berechnung eines Rückforderungsanspruches.
16.
Offen gelassen hat das OLG, wie es urteilen wird, wenn auf sehr alter Preisbasis, die vertraglich oder durch Jahresrechnungen nachgewiesen werden kann, abgerechnet wird und der Rückforderungsanspruch so auf einem sehr niedrigen Preisniveau berechnet wird.
17.
Die erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch, maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist die Entstehung des Rückforderungsanspruches und die Kenntnis des Rückforderungsgläubigers von den den Anspruch begründenden Umständen (Seite 19 von 26).
Schon die Entstehung der Rückzahlungsansprüche ist nicht mit der Zahlung der Abschläge anzunehmen, sondern erst mit der Erteilung der Jahresrechnung. Das OLG wendet dann eine dreijährige Verjährungsfrist an und setzt sich mit der Frage, ob die spätere Kenntnis des Rückforderungsgläubigers eine Rolle spielt, in diesem Urteil nicht auseinander, weil es sich damit hier nicht auseinandersetzen musste. Allerdings sind Rechtsstreite anhängig, bei denen das OLG insoweit eine Entscheidung treffen muss.
18.
Sehr aufschlussreich sind auch die Feststellungen des OLG Zweibrücken zu der Entscheidung, die Revision nicht zuzulassen. Entsprechend der Argumentation der Versorgungsnehmer in den Prozessen hat das OLG festgehalten, dass sich gerade aus dem Urteil des BGH vom 14.07.2010 und aus dem Vorlagebeschluss vom 09.02.2011 ergebe, dass der BGH eine bloße Bezugnahme auf die AVBGasV nicht für ausreichend erachte. Eine Zurückverweisung zur Prüfung einer wirksamen Einbeziehung macht nämlich dann keinen Sinn, wenn der BGH eine bloße Bezugnahme für ausreichend erachtet hätte. Die Beklagte hat genau anders argumentiert und aus dieser Entscheidung herausgelesen, die bloße Bezugnahme sei zulässig !
Soviel zur rechtlichen Wertung des jetzt nach jahrelangem Rechtsstreit vorliegenden Urteils des OLG Zweibrücken.
Es wird dem BdEv übersendet zur Veröffentlichung.
18.11.2011
mathaub