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Autor Thema: Hat Anwalt Mist gebaut?  (Gelesen 8078 mal)

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Offline Neuling

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Hat Anwalt Mist gebaut?
« am: 19. Mai 2011, 02:18:36 »
Hallo zusammen,

ich bräuchte mal dringend Hilfe zu folgendem Fall.

Mein Anwalt hatte bzgl. meiner Rückforderungsansprüche aus einem Gassondervertrag am 22.12.2010 gegen meinen Versorger einen Mahnbescheid beantragt. Dieser wurde auch erlassen und dem Versorger zugestellt, der daraufhin gegen den Mahnbescheid Widerspruch einlegte. Mein Anwalt wurde darüber am 04.01.2011 vom Mahngericht unterrichtet und aufgefordert, zur Abgabe an das Streitgericht nun ein entsprechenden Antrag zu stellen und die Gerichtsgebühren einzuzahlen.

Wie ich nun erfahre, hat mein Anwalt die Abgabe an das Streitgericht unter Einzahlung der Gerichtsgebühren erst am 25.02.2011 veranlasst. Nach Aussage eines juristisch vorgebildeten Bekannten von mir sei das jedoch viel zu spät. Denn nach einem BGH-Beschluss vom 28. 2. 2008 (III ZB 76/ 07; OLG Karlsruhe) sei der Antragsteller zum Erhalt der Rückwirkungsfiktion des § 696 III ZPO verpflichtet, nach Mitteilung des Widerspruchs ohne schuldhafte Verzögerung die Abgabe an das Streitgericht zu veranlassen. In der Regel sei von ihm binnen eines Zeitraums von zwei Wochen nach Zugang der Mitteilung des Widerspruchs zu erwarten, dass er die restlichen Gerichtsgebühren einzahlt und den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens stellt.

Mit anderen Worten: da mein Anwalt die Abgabe an das Streitgericht nicht innerhalb von 14 Tagen, sondern erst nach deutlich über einem Monat veranlasst hat, ist laut meinem Bekannten das streitige Verfahren nicht \"alsbald\" i.S.d. § 696 III ZPO eingeleitet worden, wodurch das Verfahren in Stillstand geraten ist und damit die Verjährung nach Überschreiten der 14-Tage-Frist wieder zu laufen begonnen hat. Da bis zum Eintritt der Verjährung in meinem Fall nach dem 22.12.2010 nur noch 9 Tage verblieben, ist mit dem Weiterlaufen der Verjährung also nach 14 Tagen + 9 Tagen, also 23 Tage nach der Benachrichtigung über den Widerspruch die Verjährung meiner Ansprüche aus 2007 vollendet worden. Schöne Bescherung!

Was kann ich da jetzt machen? Sollte mein Anwalt da tatsächlich geschlampt haben? Dann müsste er für seine Nachlässigkeit doch eigentlich haften und mir schadensersatzpflichtig sein, oder?

Offline RR-E-ft

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Hat Anwalt Mist gebaut?
« Antwort #1 am: 19. Mai 2011, 10:26:28 »
Juristisch vorgebildete Bekannte - wer hat die nicht - können einen schon mal gehörig um den Schlaf bringen.

Zum Glück gibt es Rechtsanwälte, in der Regel Volljuristen.


Fraglich, wann der Mahnbescheid zugestellt wurde. Dies muss vor der Einlegung des Widerspruches und die Mitteilung hierüber am 04.01. erfolgt sein.

Die Zustellung des Mahnbescheides im Mahnverfahren hemmt gem. § 204 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die Verjährung.

Gem. § 204 Abs. 2 ZPO endet die Hemmung nach sechs Monaten, wobei auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in welchem das Verfahren in Stillstand geriet.

Wurde der Mahnbescheid vor dem 31.12. zugestellt, dürfte die Verjährung noch gehemmt sein, § 204 Abs. 2 Satz 3 ZPO.

Ob es zu einer alsbaldigen Abgabe iSv. 696 Abs. 3 ZPO kommt, ist für die Hemmung der Verjährung ohne Bedeutung (vgl. Zöller- Vollkommer, ZPO, 26.A., § 693 Rn. 3c).

Wurde der Mahnbescheid erst im neuen Jahr zugestellt, konnte die Hemmung der Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gleichwohl eingetreten sein.

Die Wirkungen der Zustellung des MB werden auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Erlass eines MB zurückbezogen, wenn der MB \"demnächst\" zugestellt wird, § 167 ZPO.

Erfolgte die Zustellung des jedenfalls vor Ablauf des 31.12. beantragten Mahnbescheides  erst im neuen Jahr, jedoch vor dem 04.01., so erfolgte die Zustellung des Mahnbescheides \"demnächst\" im Sinne von § 167 ZPO und konnte folglich die Verjährung durch Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hemmen.

Wie haftet eigentlich der juristisch vorgebildete Bekannte, wenn der einen gehörig um den Schlaf bringt und zudem das Vertrauensverhältnis zum eigenen Anwalt stört?


Zitat
Original von Neuling

Mit anderen Worten: da mein Anwalt die Abgabe an das Streitgericht nicht innerhalb von 14 Tagen, sondern erst nach deutlich über einem Monat veranlasst hat, ist laut meinem Bekannten das streitige Verfahren nicht \"demnächst\" gem. § 167 ZPO bzw. \"alsbald\" i.S.d. § 696 III ZPO eingeleitet worden, wodurch das Verfahren in Stillstand geraten ist und damit die Verjährung nach Überschreiten der 14-Tage-Frist wieder zu laufen begonnen hat. Da bis zum Eintritt der Verjährung in meinem Fall nach dem 22.12.2010 nur noch 9 Tage verblieben, ist mit dem Weiterlaufen der Verjährung also nach 14 Tagen + 9 Tagen, also 23 Tage nach der Benachrichtigung über den Widerspruch die Verjährung meiner Ansprüche aus 2007 vollendet worden. Schöne Bescherung!

Zitat
Original von Neuling
Wie ich nun erfahre, hat mein Anwalt die Abgabe an das Streitgericht unter Einzahlung der Gerichtsgebühren erst am 25.02.2011 veranlasst. Nach Aussage eines juristisch vorgebildeten Bekannten von mir sei das jedoch viel zu spät.

Das ist Mist!

Offline tangocharly

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Hat Anwalt Mist gebaut?
« Antwort #2 am: 19. Mai 2011, 11:28:39 »
siehe auch BGH, NJW 1996, 2152
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline RR-E-ft

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Hat Anwalt Mist gebaut?
« Antwort #3 am: 19. Mai 2011, 11:32:09 »
Zitat
Original von tangocharly
siehe auch BGH, NJW 1996, 2152

So schreibt es auch Vollkommer in der Kommentierung Zöller ZPO am angegebenen Ort unter Verweis auch auf Ebert, NJW 2003, 733 und: anders bei Ausschlussfristen.  ;)

Aber nicht jeder juristisch vorgebildete Bekannte hat gleich die NJW Jahrgang 1996 im Regal.  :D

BGH NJW 1996, 2152

Offline Neuling

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Hat Anwalt Mist gebaut?
« Antwort #4 am: 19. Mai 2011, 13:16:30 »
Besten Dank für Ihre Antworten!

Ich habe das Thema auch noch mal selbst im Detail recherchiert, mit dem Ergebnis, dass ich heute abend meinem juristisch wohl eher ungebildetem als vorgebildetem Bekannten gehörig den Kopf waschen werde!

Denn das, was er da von sich gegeben hat (dass bei Stillstand des Verfahrens die Verjährungsfrist sofort wieder zu laufen beginne), ist tatsächlich größter Mist.

Zitat
Original von RR-E-ft
Gem. § 204 Abs. 2 ZPO endet die Hemmung nach sechs Monaten, wobei auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in welchem das Verfahren in Stillstand geriet.

Entgegen der Aussage meines Bekannten ist es also so, dass, wenn das Verfahren dadurch in Stillstand gerät, dass die Parteien es nicht betreiben, die Hemmung gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 BGB erst sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle endet. Erst dann beginnt also auch die Verjährung wieder zu laufen und nicht schon mit Stillstand des Verfahrens.

Gottseidank habe ich meinem Anwalt noch nichts von der verqueren Rechtsmeinung meines Bekannten erzählt und insofern zum Glück noch kein Vertrauensporzellan zerschlagen. Aber eine teilschlaflose Nacht habe ich tatsächlich hinter mir. Na, der betreffende Herr darf sich heute abend warm anziehen!

Offline superhaase

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Hat Anwalt Mist gebaut?
« Antwort #5 am: 19. Mai 2011, 14:55:52 »
Seien Sie nicht so streng - er hat es sicher nur gut gemeint. ;)
8) solar power rules

Offline Neuling

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Hat Anwalt Mist gebaut?
« Antwort #6 am: 19. Mai 2011, 14:59:20 »
Zitat
Original von superhaase
Seien Sie nicht so streng - er hat es sicher nur gut gemeint. ;)

Es bewahrheitet sich immer wieder: \"Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.\"

Offline tangocharly

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Hat Anwalt Mist gebaut?
« Antwort #7 am: 19. Mai 2011, 20:53:40 »
Zitat
Na, der betreffende Herr darf sich heute abend warm anziehen!

..... vielleicht könnten auch Boxhandschuhe die ggf. eintretenden Schwellungen an den Fäusten dämpfen
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