Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: BGH Urt. v. 06.04.11 VIII ZR 31/09 Aufrechnungsverbot bei Entscheidungsreife über Gegenanspruch  (Gelesen 4053 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline RR-E-ft

  • Moderator
  • Forenmitglied
  • *****
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
BGH, Urt. v. 06.04.11 Az. VIII ZR 31/09  - Wirkung eines gesetzlichen Aufrechnungsverbots bei Entscheidungsreife über Gegenanspruch


Zitat
BGH VIII ZR 31/09 Rn. 14

Zwar kann es bei vertraglichen Aufrechnungsverboten treuwidrig sein, sich auf dieses Verbot im Prozess zu berufen, wenn die einander gegenüber stehenden Forderungen, obwohl bestritten, entscheidungsreif sind (Senatsurteil vom 15. Februar 1978 - VIII ZR 242/76, WM 1978, 620 unter II 1; BGH, Urteil vom 17. Februar 1986 - II ZR 285/84, WM 1986, 477 unter 3; Beschluss vom 25. September 2003 - IX ZR 198/02, juris Rn. 4; jeweils mwN).

Eine solche Treuwidrigkeit liegt hier aber nicht vor.

Abgesehen davon, dass das Aufrechnungsverbot bereits in den Vorinstanzen von Amts wegen hätte berücksichtigt werden müssen (BGH, Urteil vom 18. Juni 2002 - XI ZR 160/01, WM 2002, 1654 unter II 1), besteht sein Zweck gerade darin zu verhindern, dass der Anlagenbetreiber sich wegen einer vom Netzbetreiber geltend gemachten Gegenforderung in eine Klägerrolle gedrängt sieht, um seine Einspeisevergütung realisieren zu können. Es ist deshalb nicht treuwidrig, wenn sich die Klägerin auf das ihr vom Gesetzgeber zu ihrem Schutz zugebilligte Aufrechnungsverbot beruft, nachdem die Beklagte sie durch ihre § 12 Abs. 4 Satz 1 EEG 2004 zuwiderlaufende Aufrechnung in die Lage gebracht hat, die Einspeisevergütung in einem Aktivprozess geltend machen zu müssen (ähnlich auch Altrock/Theobald, aaO, § 12 Rn. 78].

Die Frage kann sich auch bei Energielieferungsverträgen stellen, in denen entsprechend  § 17 GVV ein Aufrechnungsverbot besteht.
Die Klägerin befindet sich ja  bereits in der Klägerrolle, kann also nicht erst in eine solche gedrängt werden.

M. E. ist die vom BGH gegebene Erklärung dafür, dass das Berufen auf das Aufrechnungsverbot auch bei Entscheidungsreife über den bestrittenen Gegenanspruch nicht treuwidrig sei, nicht überzeugend.

Sie führt - zwangsläufig - dazu, dass die Aufrechnung im Zahlungsprozess unberücksichtigt bleibt, was zur Folge hat, dass über den (unzulässig zur Aufrechnung gestellten) Gegenanspruch ein neuer Prozess anhängig zu machen ist, obschon im Erstprozess auch bezüglich des Gegenanspruchs bereits Entscheidungsreife vorliegt.

Dies erscheint mit den Grundsätzen über die Prozessökonomie jedenfalls nur schwer vereinbar, da sie zwangläufig zu neuen Prozessen führt, obschon der Streit vom Gericht bereits ingesamt durchentschieden werden könnte.

Anders verhält es sich freilich, wenn der bestrittene Gegenanspruch, der entgegen einem bestehenden Aufrechnungsverbot zur Aufrechnung gestellt wird, selbst noch nicht entscheidungsreif ist.

Im Falle eines bestrittenen Gegenanspruches muss für den Fall, dass die Aufrechnung ausgeschlosen sein sollte, deshalb wohl an die Erhebung einer entsprechenden Eventualwiderklage gedacht werden.
Über Klage und Widerklage könnte dabei durch jeweils eigenständige Urteile entschieden werden.

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz