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Autor Thema: Vor dem Landgericht Duisburg zeichnet sich wieder Erfolg für Gasrebell Wrede ab  (Gelesen 13120 mal)

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Offline RR-E-ft

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Vor dem LG Duisburg zeichnet sich wieder Erfolg für Gasrebell Wrede ab


Zitat
Die Verkündung des Urteils findet am Donnerstag, 21. April, 9.30 Uhr, in Saal 207 des Duisburger Landgerichts statt.
Toi, toi, toi.

Offline Alexander Heyers

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Darlegungszeitraum
Das Gericht hat zu erkennen gegeben, dass es die Darlegung der Bezugspreisentwicklung sowie der entsprechenden Kostenseite seit der letzten \"vereinbarten\" Preisanpassung zum 10.01.2003 für erforderlich hält.
Die Stadtwerke Dinslaken sind hingegen davon ausgegangen, dass mit der laufenden Abschlagszahlung bis zum Preiswiderspruch quasi monatlich die interne Berechnung anerkannt wird. Und es also nur notwendig ist, die Preisentwicklung ab der ersten widersprochenen Preisanpassung darzulegen.
Entsprechend lagen dem Gericht die Zahlen seit Januar 2003 nicht vor. Und alle Zeugen durften unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen, da sie nichts zu bezeugen hatten.
Das Gericht hatte die Auffassung, dass es das Zahlenwerk seit Januar 2003 für erforderlich hielt, den Parteien im Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 15. November 2010 mitgeteilt:
\"Die Beklagte müsste demnach alle Änderungen ihrer Bezugspreise ab dem 10.01.2003 unter Beweis stellen, damit das Äquivalenzverhältnis, auf das sich die Parteien mangels Widerspruchs des Klägers im Hinblick auf die Preisanpassung zum 10.01.2003 geeinigt haben, beibehalten wird.\"
Herr Rechtsanwalt Dr. Hempel meinte, er habe erst in diesem Termin (31.03.2011)! verstanden, was das Gericht damit meint, dass die Stadtwerke nämlich die Änderung ihrer Bezugspreise darzulegen hätten, und beantragte Schriftsatznachlass zur Darlegung der Bezugspreise seit dem 10.01.2003. Dieser Antrag wurde noch im Termin abgelehnt.
Damit wird am 21. April die Widerklage abgewiesen werden. Das Gericht überlegt, ob es die Revision zulassen wird.  

kein Sondervertrag
Hinsichtlich der Wider-Widerklage hielt das Gericht den Vortrag, es handele sich bei dem Vertrag des Klägers um einen Sondervertrag, für verspätet. Dieser Vortrag erfolgte (nach Prozessbevollmächtigtenwechsel) tatsächlich erst in der Zurückweisungsinstanz, allerdings hat sich mE die Rechtsprechung auch erst kürzlich in die Richtung entwickelt, dass Verträge außerhalb des geringsten Tarifs nicht zur Grundversorgung gehören. Hier ist das letzte (BGH)Wort auch noch nicht gesprochen, ich gehe aber grundsätzlich davon aus, dass es so sein wird.

Derzeit verhält es sich mit dieser Frage jedoch so wie mit der Frage, wann eine Preisänderungsvereinbarung wirksam ist. Hier meinte der BGH ja, dass eine Klausel, die nicht von der Regelung für Grundversorgungskunden abweicht, wirksam ist. Und alle Versorger schreien Juppheidi und verweisen auf die Regelung in der AVBGasV und denken, dies sei ausreichend. Das ist natürlich Unfug, und wurde vom BGH ja auch nicht bestätigt (im Gegenteil), ist den Gerichten aber üblicherweise fast nicht klarzumachen.
So denken die meisten derzeit, wenn das \"Tarifkunde\" (oder Grundversorgungskunde) draufsteht, ist auch Tarifkunde drin, denn dann ist ja für den Verbraucher erkennbar, dass er ein Tarifkunde ist, denn die Abgrenzung erfolgt ja danach, als was er aus seiner Sicht einzustufen ist.

Dankenswerterweise hat der BGH zumindest klargestellt, dass sich ein ehemaliges Tarifkundenverhältnis im Laufe der Jahre zu einem Sondervertragsverhältnis wandeln kann. Das bringt einen zumindest über die erste Hürde (\"aber Sie haben ja damals einen Tarifvertrag abgeschlossen, das kann ja nun kein Sondervertrag sein\"). Ich erhoffe mir von der Entscheidung im Mai weitere Klärung der Abgrenzungsfrage.

Derivate
Hinsichtlich der Offenlegung erwähnenswert ist der Umstand, dass  das Gericht weiteren Vortrag zum Thema Derivate für erforderlich hielt und die Stadtwerke die Absicherung über Derivate ab dem Jahr 2010 oder 2011 (der Vortrag wechselte) tatsächlich eingeräumt hat!

Folgejahre
Das könnte alles noch relevant werden, denn im Rahmen der Widerklage hat die Beklagte bislang die Abschläge für 2006 eingeklagt, das hatte sich mit Abrechnung des Jahres 2006 (vor vielen vielen Jahren) erledigt, so dass es hier nur und ausschließlich um die Preise des Jahres 2005 ging. Für das Jahr 2006 wurden dem Kläger und seiner Ehefrau Mahnbescheide zugestellt, diese sind (nach Widerspruch) bisher noch nicht begründet worden.

Wir sind also gespannt, denn auch für 2006 und 2007 und 2008 und 2009 und 2010 und 2011 müsste dann die Preisentwicklung seit 10.01.2003 dargelegt werden ;-).

Offline Black

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Zitat
Original von Simone Heyers
Hier meinte der BGH ja, dass eine Klausel, die nicht von der Regelung für Grundversorgungskunden abweicht, wirksam ist. Und alle Versorger schreien Juppheidi und verweisen auf die Regelung in der AVBGasV und denken, dies sei ausreichend. Das ist natürlich Unfug, und wurde vom BGH ja auch nicht bestätigt (im Gegenteil),

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 14.07.2010, VIII ZR 246/08 festgestellt, dass auch die pauschale Einbeziehung der AVBGasV zur wirksamen Begründung eines vertraglichen Preisanpassungsrechtes genügt.

Zitat
BGH, 14.07.2010, VIII ZR 246/08

In der Zeit vor dem 1. April 2007 verwendete die Beklagte Auftragsformulare und Vertragsbestätigungen, in denen - ohne ausdrückliche Formulierung eines vertraglichen Preisanpassungsrechts - insgesamt auf die AVBGasV Bezug genommen wurde.

(...)

Die durch vollständige Einbeziehung des Wortlauts der AVBGasV erfolgte Übernahme des in § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV geregelten Preisänderungsrechts des Versorgungsunternehmens in die zwischen den Parteien be-stehenden Sonderkundenverträge hält der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB stand.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline Alexander Heyers

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Ja, und mit der wirksamen Einbeziehung hat er sich (ja so ein Glück) nicht beschäftigen müssen.

\"Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob eine den Anforderungen des § 305 Abs. 2 BGB genügende Einbeziehung der AVBGasV in alle im Streit stehenden Vertragsverhältnisse erfolgt ist, und hat dies für die weitere Prüfung unterstellt. Deshalb ist - wie die Revision der Beklagten mit Recht geltend macht - die Einbeziehung der AVBGasV einschließlich der ein gesetzliches Preisänderungsrecht im Tarifkundenverhältnis begründenden Vorschriften des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV (BGHZ 172, 315, Tz. 13 ff.) auch für das Revisionsverfahren zu unterstellen.\"

Das Berufungsgericht konnte das unterstellen, da es zu keinem wirksamen Preisänderungsrecht gekommen ist, ansonsten würde ich das (selbst hier) mal nicht für so ohne Weiteres gegeben ansehen.

Ansonsten hat das hier nur durch die vollständige Einbeziehung der gesamten AVBGasV funktioniert, einschließlich Kündigungsrecht und insbesondere keiner sonstigen Regelung. Das zeigte sich ja an der Folgeregelung :-).

Offline RR-E-ft

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Ekkehard Wrede obsiegt, erneute Revision nicht zugelassen.

Herzlichen Glückwunsch an den wackeren Streiter und seine Anwältin.
Dass Kollege Dr. Hempel zu spät verstanden haben soll, worum es geht, erwähnen die Stadtwerke in ihrer Stellungnahme gegenüber der Presse wohl nicht.

Sofern die Stadtwerke auf einen gerichtlichen Hinweis nicht die Kostenentwicklung seit der vorhergehenden Tariffestsetzung vollständig vorgetragen hatten, konnte es tatsächlich auf eine Zeugenvernehmung für die bestrittene Billigkeit nicht mehr ankommen. Insoweit wäre es vollkommen verfehlt, in diesem Zusammenhang von einem Fehlurteil zu reden. Vielmehr würde sich die Stellungnahme der Stadtwerke zur getroffenen Gerichtsentscheidung sich als Fehlurteil darstellen.

Bemerkenswert ist, dass die Stadtwerke nach ihrem Obsiegen vor dem Amtsgericht Dinslaken noch versucht haben sollen, die Kosten für ein Privatgutachten, welches lediglich substantiierten Parteivortrag darstellen konnte, in Höhe von 13.000 EUR gegen den Beklagten festsetzen zu lassen. Nun haben sie wohl die Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich Rechtszug vor den BGH selbst zu tragen.

Offline DieAdmin

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Das Urteil LG Duisburg v. 21.04.11 - Az: 5 S 76/06

 neu in der Entscheidungssammlung:

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