Tz 39
Der Beklagten steht gemäß Nr. 2 Satz 3 der Bedingungen das Recht zu, sich mit einer Kündigungsfrist von einem Monat vom Vertrag zu lösen. In einem solchen Fall ist ihr, auch wenn sie bis zum Ablauf der Kündigungsfrist an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden bleibt, ein Festhalten am Vertrag zu den bestehenden Bedingungen nicht ohne Weiteres unzumutbar (vgl. Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 51; vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO Rn. 37; jeweils mwN). Der Kläger hat am 20. Dezember 2004 erstmals Widerspruch gegen eine Preiserhöhung der Beklagten erhoben und in der Folgezeit durch Erhebung der vorliegenden Klage deutlich gemacht, dass er mit den weiteren Preisänderungen durch die Beklagte nicht einverstanden ist. Für die Beklagte bestand deshalb seither Anlass, auch eine Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Vertrages etwa mit dem Ziel der Rückkehr in ein Tarifkundenverhältnis in Betracht zu ziehen, um auf diese Weise einer unbefriedigenden Erlössituation zu begegnen.
Die Problematik, welche an der Erhebung des Widerspruchs festgemacht wird, ist so überflüssig wie unnötig.
Es hat den Anschein, als ob es hierzu gälte, wiederum an einem Kuckucks-Ei für die (Sondervertags-)Nester der Verbraucher zu basteln und - von hinten durch die Brust ins Auge - das angesichts der Schuldrechtsmodernisierung überwundene Problem der Verwirkung in dieser
Auseinandersetzung wieder zu beleben.
Es geht hierbei schlicht um die Frage, ob Rückforderungsansprüche der Verjährung unterfallen, was gem. §§ 195 , 199 BGB sicher zu bejahen ist.
Darauf, ob weiter Energie bezogen wurde oder ob nicht, kommt es überhaupt nicht an, solange der Energiekunde nicht einmal weiß, dass er überteuerte Preise gezahlt hat.
Ab seiner Kenntnis tickt die Verjährungsuhr.
Sodann kommt es auch nicht darauf an, ob der Energiekunde einen Widerspruch erhoben hat oder ob nicht. Allenfalls läßt sich aus der Erhebung des Widerspruchs Kenntnis des Kunden ableiten.
In Tz. 39 der Entscheidung vom 09.02.11 wird zwar nicht ausdrücklich dieser Begriff angesprochen, es scheint aber darauf hinaus zu laufen, dass der BGH mit einer \"Klagepflicht des Energiekunden\" liebäugelt.
Dennoch ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (30.04.2003, Az.: VIII ZR 279/02; 15.07.09,
Az.: VIII ZR 56/08, Tz. 36; 21.04.10, Az.: VIII 97/09 ;) auch dieses Problem überwunden, in dem
Sinne, dass keine Pflicht zur Klageerhebung seitens des Energiekunden besteht.
Wenn die in Tz. 39 der Entscheidung vom 09.02.11 angesprochene Klage der Verjährungshemmung
diente, dann ist dies völlig o.k.
Wenn aber ausgedrückt werden sollte, dass der Energiekunde seine Rechte verwirken könne, wenn er nach Widerspruchserhebung nicht rechtzeitig -ohne drohende Verjährung- Klage erhoben hat, dann
ist dies bedenklich.
Der Kartellsenat des BGH entschied erst am 20.07.2010, Az.: EnZR 23/09, dass der regelmäßiger
Verjährungsfrist unterliegende Rückforderungsanspruch (wegen der nun geltenden kurzen
Verjährungsfrist von drei Jahren) nur noch unter besonderen Umständen einer weiteren Verkürzung
unterliegen könne (siehe auch BGH, 13.01.1988, Az.: IVb ZR 7/87, BGHZ 103, 62,68, BGH,
17.02.1969, Az.: II ZR 30/65;).
Man muß ja nicht unbedingt \"Kaffeesatzlesen\". Deshalb könnte man sich auch darauf beschränken, aus der Textziffer 39 heraus zu lesen, dass der BGH meinte, aus der Untätigkeit des Versorgers
rechtliche Auswirkungen ableiten zu müssen.
Ob man aber, wenn weder widersprochen noch geklagt wurde, aus der Unwissenheit des Versorgers, die Rechte der Energiekunden auf Rückforderung ohne Rechtsgrund gezahlter Energieforderungen
beschränkend, eine Vertragsergänzung hervor zaubern können soll, um des Versorgers Erlössituation
zu retten, das überschreitet m.E. die Grenzen von §§ 313, 314 BGB.