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Autor Thema: Urteil LG Frankenthal, 2 S 257/10  (Gelesen 8194 mal)

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Offline mathaub

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Urteil LG Frankenthal, 2 S 257/10
« am: 14. März 2011, 13:31:02 »
Urteil LG Frankenthal, 2 S 257/10
Das LG Frankenthal (Pfalz) hat mit Berufungsurteil vom 09.03.2011, Az. 2 S 257/10 eine Zahlungsklage der Pfalzgas GmbH gegen zwei Versorgungsnehmer rechtskräftig abgewiesen. Das Landgericht Frankenthal gibt mit dem Urteil seine bisher sehr verbraucherunfreundliche Rechtssprechung auf. Das Gericht urteilt, dass ein allgemeiner Hinweis auf die AVBGasV im Vertragsformular aus 1993 nicht ausreichend sei. Das besondere an diesem Fall war, dass der allgemein gehaltene Satz zur Einbeziehung der AVBGasV nach dem eigentlichen Vertragstext aufgeführt war. Diese besondere Ausgestaltung des Vertragsformulares war jetzt der erste Einstieg für das Landgericht Frankenthal, eine Klage abzuweisen. Allerdings sind die allgemeinen Ausführungen zur Einbeziehung der AVBGasV so deutlich, dass diese Wertungen auch auf alle anderen Vertragskonstellationen übernommen werden müssen.
Die Formulierung im streitgegenständlichen Vertrag lautete wie folgt:
\"Die Gasversorgung erfolgt nach den allgemeinen Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGas) vom 21.06.1979 in der jeweils neuesten Fassung. Die Gastarife und -preise für die Vollversorgung werden öffentlich bekannt gegeben. Sie liegen zur Einsicht in der Geschäftsstelle aus. Sofern Ihnen die AVBGasV noch nicht vorliegt, sind wir gerne bereit, Ihnen diese zu schicken, wenn Sie hier ankreuzen\"
In diesem besonderen Fall war diese Formulierung nach der Vertragsunterschrift auf einem an die Versorgerin zurückzureichenden Abschnitt enthalten.

Eine spätere Einbeziehung der GasGVV über einseitige Schreiben der Versorgerin vom 29.12.2006 und 24.03.2007 ist nach Wertung des LG FT ebenfalls nicht möglich, da es keine zweiseitig vereinbarten Vertragsänderungen gab. Diese Wertung des LG FT ist besonders wichtig für ca. 50 anhängige weitere Rechtsstreitigkeiten. In diesem Prozess war mit Rückforderungsansprüchen nur die Primäraufrechnung erklärt worden und diese nicht durch Widerklage geltend gemacht worden.
Im Ergebnis waren alle Preisänderungen der Versorgerin seit Vertragsabschluss 1993 unwirksam. Das Urteil wird dem BdEV zur Verfügung gestellt. Die Pfalzgas GmbH hat einiges versucht, um die Verkündung des Urteils zu verhindern. So wurde die Klage einen Tag vor dem vorgesehen Verkündungstermin zurückgenommen. Dieser Klage hatte die Erstinstanz, AG Speyer noch zugesprochen. Das Urteil wurde jedoch verkündet, da die Versorgungsnehmer mit der Klagerücknahme nicht einverstanden waren.

Aktuell sind die drei Urteile des LG Landau, die den Versorgungsnehmern recht gegeben hatten und Rückforderungsansprüche - sei es im Wege der Primäraufrechnung oder der Widerklage - zugesprochen hatten, vor dem OLG Zweibrücken in der Berufungsinstanz. Dort ist noch kein Termin bestimmt. Insgesamt ein äußerst positives Urteil für die Versorgungsnehmer der Pfalzgas GmbH aus dem Bereich der Gerichte in Rheinland-Pfalz.

14.03.2011
mathaub

Offline Zeus

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Urteil LG Frankenthal, 2 S 257/10
« Antwort #1 am: 14. März 2011, 17:23:39 »
@mathaub

Verstehe nicht Ihre Bemerkung \" Das Landgericht Frankenthal gibt mit dem Urteil seine bisher sehr verbraucherfreundliche Rechtssprechung auf \".
Sie stellen doch selbst fest, dass es sich \"insgesamt um ein äußerst positives Urteil für die Versorgungsnehmer der Pfalzgas\" handelt.

Offline Ralleph

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Urteil LG Frankenthal, 2 S 257/10
« Antwort #2 am: 14. März 2011, 18:02:07 »
Mal richtig lesen \"verbraucherUNfreundliche\" Rechtssprechung :rolleyes:

Offline Stubafü

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Urteil LG Frankenthal, 2 S 257/10
« Antwort #3 am: 14. März 2011, 20:50:05 »
@mathaub

Gratulation zu diesem Erfolgserlebnis; da ich mit der Pfalzgas GmbH
seit 4 Jahren im Clinch bin (2 Jahre AG Speyer, danach nach diesseitiger
Richterablehnung Verweisung an die 2. Handelskammer LG FT) liegt die
Frage nahe, wie eine Handelskammer am gleichen Landgericht bei gleicher
Vertragskonstellation (so wie ich es dem Beitrag entnehme)
eine entgegengesetzte Rechtsauffassung zu der Zivilkammer vertreten
kann (es ergäbe sich das Preisanpassungsrecht aus AVBGasV, auch wenn
diese bei Vertragsschluss nicht vorgelegen hat, mit Hinweis auf § 305
Abs 2, Nr 2 BGB) und an dieser merkwürdigerweise immer noch festhält.

Deshalb merkwürdig, da die widerborstige vorsitzende Richterdame der 2.
Handelskammer des LG FT immer noch von einem Tarifvertrag in meinem
Fall ausgeht, obgleich die Handelskammer des LG Landau in 3 Urteilen
bestätigt hat, dass bei der von Ihnen geschilderte Vertragskonstellation
es sich um einen Sondervertrag handelt und die Pfalzgas-Rechtsanwältin
numehr nach 4 Prozessjahren dieses in meinem Fall auch selbst einräumt.

Hat in der von Ihnen jetzt geschilderten Zivilkammer-Entscheidung der
LG-Präsident Hr. Nax womöglich mitgewirkt ?

Wenn ja, wie konnten Sie ihn davon überzeugen, dass es sich um einen
Sondervertrag und nicht um einen Tarifvertrag bei der von Ihnen
geschilderten Vertragskonstellation handelt und wie konnten Sie die
Zivilkammer davon überzeugen, von der Einholung unsinniger Gefälligkeits-
Gutachten (zur nicht gebotenen Billigkeitsüberprüfung) Abstand zu nehmen?

Ist die von Ihnen geschilderte Entscheidung revisionsfähig und wenn ja
wurde diese auch zugelassen?

14.03.2011
Stubafü

Offline mathaub

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Urteil LG Frankenthal, 2 S 257/10
« Antwort #4 am: 15. März 2011, 00:31:54 »
1.
Jeder Spruchkörper eines Gerichtes ist generell unabhängig.
Auch die Vorsitzende der 2. Handelskammer ist übrigens mittlerweile der - korrekten - Ansicht, daß die Pfalzgas GmbH-Tarife visavi Tarife eines Normsonderkundenverhältnisses sind. Nicht im Einklang mit der Rechtsprechung ist die weitere Auffassung, zur wirksamen Einbeziehung genüge die Rechtsnorm-Qualität der AVBGasV.
2.
Nein, der genannte Richter hat nicht mitgewirkt.
3.
Zur Billigkeitsüberprüfung kam die Kammer folgerichtig deshalb nicht, weil ja schon die einseitige Preisänderungsbefugnis fehlte. Die 2. Kammer für Handelssachen muß zur Billigkeitsüberprüfung - unnötigerweise - kommen, weil das Bestehen einer solchen einseitigen Preisänderungsbefugnis bejaht wird.
4.
Die Entscheidung ist nicht revisionsfähig. Revision wurde auch nicht zugelassen.
Die 2. Berufungskammer hat den ganzen Sachverhalt wohl als etwas einzigartig gewertet, was nur auf den konkreten Vertragsschluss zutrifft. Die rechtlichen Erwägungen der Kammer zu § 305 II BGB und zur späteren Vertragsänderung über die Einbeziehung der GasGVV sind jedoch so eindeutig, daß  das LG FT auch in anderen Vertragskonstellationen daran nicht mehr vorbeikommt. Der Wortlaut zur gewollten Einbeziehung in der besonderen Vertragskonstellation ist gleich dem Wortlaut zu allen anderen Vertragskonstellationen über Vertragsbestätigung oder separaten Vertrag aus allen Fallgestaltungen 1990-2006.

15.03.2011.
mathaub

Offline DieAdmin

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Urteil LG Frankenthal, 2 S 257/10
« Antwort #5 am: 15. März 2011, 19:26:47 »
Das Urteil ist nun in der Entscheidungssammlung:

http://www.energieverbraucher.de/de/site/Preisprotest/site/site__2809/

Offline Rebell77

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Urteil LG Frankenthal, 2 S 257/10
« Antwort #6 am: 19. März 2011, 15:36:13 »
Herzlichen Glückwunsch mathaub!

Der jahrelange Kampf hat sich gelohnt. Hoffen wir auf weitere Erfolge von Prozessen, die u. a. vor langer Zeit am LG Frankenthal begonnen hatten...

Viele Grüße aus dem sonnigen und mandelblühenden Neustadt an der Weinstraße

rebell77
Viele Grüße,
rebell77


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