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Autor Thema: § 315 BGB und das Widerspruchserfordernis  (Gelesen 5452 mal)

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Offline tangocharly

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§ 315 BGB und das Widerspruchserfordernis
« am: 13. März 2011, 16:51:24 »
Die Implikation des VIII. BGH-Senats (wer widerspricht bleibt; wer nicht widerspricht geht) ist im Gesetz nicht geregelt.

Werden aber im Gesetz keine Grundlagen ausfindig gemacht, dann wählt man einen, wenn auch auf Holzkrücken gehend, selbstgestrickten anderen Weg. So ließ der VIII. BGH-Senat für seinen gezogenen Schluß einfach „eine Masche fallen“ und schlußfolgerte, dass der unwidersprochen gebliebene Preis zum Vereinbarten wird.

Er argumentierte am 13.06.2007, unter Berufung auf die Vorgängerentscheidung vom 28.03.2007 (VIII ZR 144/06), jetzt allerdings zur Thematik „Preisänderung“:    
    
Zitat
„Nicht anders kann es liegen, wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer gemäß § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 4 Abs. 2 AVBGasV öffentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versor-gungsunternehmens akzeptiert hat, indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden. In diesem Fall wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis. Er kann deshalb im Rahmen einer weiteren Preiserhöhung nicht mehr gemäß § 315 Abs. 3 BGB auf seine Billigkeit überprüft werden.“ (vgl.  BGH, 13.06.2007, Az.: VIII ZR 36/06, Tz. 36;)
.

Zunächst war es dem VIII. BGH-Senat allerdings nur um den „Anfangs“-Preis (28.03.2007 - VIII ZR 144/06) gegangen. Am 13.06.2007 folgte dann die Geburtsstunde des „Sockelpreises“. Dieser sollte immer dann ins Spiel kommen, sobald der Anfangspreis in der Veränderung der Preisgestaltung durch den Versorger untergehen würde (Az.: VIII ZR 36/06, Tz. 36;).

Wenn diese Annahme (sil.: „nicht anders kann es liegen“) richtig sein sollte, dann hätte diese Annahme des VIII. BGH-Senats folgende weitere Implikation zur Folge (wird weiterhin Energie bezogen, dann sind auch alle späteren Preise vereinbart).

Der Abschluß des Versorgungsvertrages in der Grundversorgung (also ganz zu dessen Beginn) hatte für die Vertragsparteien ab diesem Zeitpunkt die Geltung der Verordnungen (u.a. § 4 Abs. 1 u. 2 AVBGasV/AVBEltV bzw. § 5 Abs. 2 Gas-/StromGVV) zur Folge. Die hieraus dem Versorgungsunternehmen durch Gesetz bezw. Verordnung gestattete Möglichkeit zur einseitigen künftigen Preisänderung bedarf also weder des Abschlusses eines neuen Vertrages, noch zwingt dies zu einer neuen Vereinbarung künftiger Preise.

Folglich bedarf es über den Anfangspreis hinaus schon gar keiner weiteren Vertragserklärungen der Vertragsparteien, wenn der Abnehmer, in einem Dauerschuldverhältnis mit wechselseitigen Pflichten und Rechten stehend, weiterhin Energie bezieht. Durch den fortdauernden Energiebezug wird ja schließlich auch kein neuer Versorgungsvertrag geschlossen.

Wenn aber in der Folgezeit keine weiteren Vereinbarungen der Vertragsparteien erforderlich sind, welche über den schlichten Vertragsschluß hinausgehen, dann bedarf es schon einer Begründung dafür, weshalb geradewegs auch künftige Preisvereinbarungen bereits mit Vertragsabschluß antezipiert werden sollen.

Dieser Vorgriff auf die Zukunft (der durch Auslegung von Willenserklärungen gewonnen werden muß, § 157 BGB) müßte also lauten: wer durch Entnahme von Energie einen Vertrag schließt und dadurch die zu diesem Zeitpunkt geltenden veröffentlichen Tarife vereinbart hat, der will auch für die Folgezeit im Fall des Weiterbezugs sämtliche späteren veröffentlichen Tarifpreise vereinbaren.

Dies kollidiert allerdings mit den Auslegungsregeln der §§ 316, 315 BGB, wonach der einen Seite Rechtsmacht zugestanden wird und der anderen Seite im Gegenzug Kontrollmacht.

Auslegung ist dadurch begrenzt, dass sie auch mit Rücksicht auf die Verkehrssitte nicht gegen Treu und Glauben verstößt (§ 157 BGB).


Welche Argumente hat der VIII. BGH-Senat für seine Auffassung:

(1) Besteht eine Verkehrssitte dahingehend, Energiepreisen der Daseinsvorsorge nicht zu widersprechen ?
(2) Widerspricht es Treu und Glauben, zunächst Energie zu beziehen und später zu widersprechen ?

Selbst wenn diese Kriterien in Betracht zu ziehen wären; nicht jedes widersprüchliche Verhalten ist rechtsmissbräuchlich.

Die Rechtsordnung lässt widersprüchliches Verhalten grundsätzlich zu (vgl. BAG, 4.12.2002, Az.: 5 AZR 556/01 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 104, 86). Widersprüchliches Verhalten ist erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn die andere Seite auf ein Verhalten vertrauen durfte und ihre Interessen vorrangig schutzwürdig erscheinen.

Der Urheber widersprüchlichen Verhaltens muss erkennen können, dass die Gegenpartei sein Verhalten als vertrauensbegründend werten durfte. Auf ein schuldhaftes Verhalten kommt es dabei nicht an.

Maßgeblich ist, ob für den anderen Teil ein schützenswerter Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. BAG, 18.11.2003, Az.: 9 AZR 173/03 - zu II 2 b der Gründe; BAG, 04.12.2002, Az.: 5 AZR 556/01 - zu II 4 b der Gründe, aaO).

Damit stellt sich die Frage, ob ein Versorgungsunternehmen darauf vertrauen kann, dass der Abnehmer als Inhaber (eines gesetzlichen) Kontrollrechts sich an der Festlegung von Zahlungspflichten festhalten lassen will, die über das gesetzlich gebotene Maß hinausgehen (§§ 36 Abs. 1, 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 EnWG) ?

Weiter wäre zu fragen, ob irgendwo Anhaltspunkte dafür existieren, dass Versorgungsunternehmen im Vertrauen auf die Nichtbeanstandung der Jahresschlußrechnung durch den Abnehmer Vermögensdispositionen getroffen oder zu treffen unterlassen haben, die auch für die Zukunft nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig gemacht bzw. nachgeholt werden können ?

Nur in letztgenanntem Fall sind nach der Rechtsprechung des BGH etwaige Nachteile zu ersetzen, die sich in Folge eines relevanten Verhaltens der anderen Partei ergeben haben könnten (vgl. BGH, 03.02.1986, Az.: II ZR 54/85 - zu 1 c der Gründe, AP BetrAVG § 9 Nr. 4; BAG, 29.09.2010, Az.: 3 AZR 546/08, Tz. 20 ff.;).


Kann es überhaupt ein schützenswertes Interesse der Versorgungswirtschaft daran geben, unbillige Preisbildungen zu zementieren, so wie der VIII. BGH-Senat dies sieht ?
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Offline Lothar Gutsche

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§ 315 BGB und das Widerspruchserfordernis
« Antwort #1 am: 20. März 2011, 17:21:37 »
In Heft 39/2010 des Betriebs-Beraters, Seite 2322 - 2327, beschäftigt sich Dr. Sebastian Kolbe, Habilitand am Lehrstuhl für Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht (Professor Dr. Volker Rieble) an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht, mit dem Schweigen eines Verbrauchers auf einseitige Preiserhöhungen.  

Zitat
Zitat aus http://www.betriebs-berater.de/aktuellesheft/pages/show.php?id=74651
Schweigen allein erzeugt keine rechtsgeschäftlichen Bindungen, jedenfalls grundsätzlich nicht. Für die Endkunden der Energieversorger soll das so nicht mehr gelten: Auf der Suche nach dem richtigen Maß für eine Preiskontrolle im Energiesektor schießt der BGH übers Ziel hinaus - und (er-)findet eine neue Ausnahme. Der VIII. Zivilsenat hat seine Ansicht inzwischen mehrfach bekräftigt, zuletzt in der Entscheidung vom 14.7.2010 (VIII ZR 246/08, BBL2010-2322-1 unter http://www.betriebs-berater.de). Seine Argumente überzeugen nicht.

Durch das Zahlen einer Jahresabrechnung kommt keine konkludente Erklärung zustande. Dazu erklärt Herr Dr. Kolbe mit zahlreichen Referenzen vor allem aus BGB-Kommentaren:

Zitat
Indes wäre eine solche Auslegung für den Gasendkunden lebensfremd: Typischerweise werden hier Abschlags- wie Nachzahlungen ohne eigenes Zutun vom Konto abgebucht. Und selbst wenn: Der Kunde zahlt auf die einseitig bestimmte Forderung des Versorgers. Ohne weitere Anzeichen ist allenfalls davon auszugehen, dass er die Leistungsbestimmung als billig und damit verbindlich ansieht. Näher noch liegt die Annahme, dass sich ein Endverbraucher keine Gedanken um die Billigkeit der Preiserhöhung macht - und den erhöhten Betrag zahlt, um eine andernfalls drohende Versorgungssperre abzuwenden. Bereits daran scheitert eine Auslegung als konkludente Bestätigung. Sie setzte voraus, dass der Kunde um die Unbilligkeit weiß; anders gewendet müsste die konkludente Erklärung erkennen lassen, dass der Berechtigte sein einseitiges Bestätigungsrecht kennt. Fraglich ist indes schon, ob jeder Verbraucher überhaupt um die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB weiß. Deshalb rechtfertigt auch das Zusammenspiel von Gasbezug und unterlassener Beanstandung über einen gewissen Zeitraum hinweg nicht, dem Kunden zu unterstellen, er habe \"die Preiserhöhung akzeptiert\". Ebensowenig lässt sich dem Kundenverhalten eine Erklärung auf ein Angebot des Energieversorgers in der Jahresabrechnung entnehmen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass jede Reaktion auf ein solches Angebot fehlt - weil gerade angesichts der nur nachteiligen Folgen einer Einigung hohe Anforderungen an die Erkennbarkeit eines diesbezüglichen Willens zu stellen sind. Daran ändert auch eine unterstellte \"Abwehrlast\" des Gestaltungsopfers nichts. Sie erlaubte allenfalls den Schluss auf eine Heilung der unbilligen Leistungsbestimmung mit Leistung des Schuldners und/oder Zeitablauf, die das Gesetz freilich gerade nicht anordnet. Über einen rechtsgeschäftlichen Willen des Kunden mit Blick auf eine Preisvereinbarung ist damit nichts gesagt.

Dr. Sebastian Kolbe führt aus, dass im Schuldrecht grundsätzlich das Schweigen keine Willenserklärung beinhaltet. Auch § 242 BGB zu Treu und Glauben kann laut Dr. Kolbe keine Pflicht des Verbrauchers zum Widerspruch begründen. Mit Parallelen aus dem Arbeitsrecht und dortigen einseitigen Leistungsbestimmungen geht Dr. Kolbe besonders auf  § 308 Nr. 5 BGB ein:

Zitat
§ 308 Nr. 5 BGB ist Ausdruck des Grundsatzes, dass dem Vertragspartner eine Abrede über den Erklärungswert seines Schweigens nicht einseitig aufgedrängt werden darf (bereits 1.). In AGB darf der Verwender Erklärungen seines Vertragspartners nur unter bestimmten Voraussetzungen fingieren. Das betrifft nicht nur die angemessene Erklärungsfrist und die Hinweispflicht des Verwenders, nach denen § 308 Nr. 5 BGB ausdrücklich verlangt: Der BGH kontrolliert auch die Klausel, die jene Vorgaben einhält, nach § 307 BGB und verwirft mit Rücksicht auf die berechtigten Interessen des Kunden eine Klausel, die Schweigen als Annahme eines Angebotes zur Änderung wesentlicher Vertragsbedingungen fingiert.

An diesen Maßstäben ist auch das \"Jahresabrechnungs-Angebot\" des Energieversorgers (hierzu I.2.b)) zu messen: Um AGB geht es, weil eine vorgefertigte Erklärung - konkret das standardisierte Angebot, einen neuen Gastarif zu vereinbaren - in eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen eingebracht wird. Mit einer Annahmefiktion bei Schweigen des Kunden aber lässt sich dies wegen §§ 308 Nr. 5, 307 BGB nicht kombinieren.

Bevor Herr Dr. Kolbe auf die Besonderheiten des Energiewirtschaftsrechts eingeht, hält er als Ergebnis fest:

Zitat
Prima facie spricht alles gegen den VIII. Senat: Eine konkludente Willensäußerung des Endkunden fehlt und das Gesetz erlaubt nicht, sein Schweigen als Zustimmung zu werten. Gegen die rechtsfortbildende Ausnahme nach § 242 BGB ergeben sich gerade bei \"verschlechternden\" Angeboten durchgreifende Bedenken.

Bemerkenswert ist für mich die Feststellung von Dr. Kolbe noch vor seinem Fazit:
Zitat
Auf seiner Suche nach der \"richtigen\" Preiskontrolle im Energierecht zieht der VIII. Senat inzwischen nicht mehr die Kompetenzen der Regulierungsbehörden an sich (vgl. 1. b)), wohl aber die des Gesetzgebers.

Schließlich fordert Herr Dr. Kolbe, die Rechtsfortbildung des VIII. Zivilsenats aufzugeben, weil sie im Widerspruch zu Sonderregelungen für vergleichbare Fälle der Anpassung von Dauerschuldverhältnissen durch gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht steht, namentlich zu § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG.

Meine Einstellung dazu ist bekannt, wobei ich besonders das Urteil VIII ZR 138/07 vom 19.11.2008 zu den Gaspreisen der Stadtwerke Dinslaken in der Grundversorgung vor Augen habe: Wer als Richter die Grenzen der verfassungsrechtlich zulässigen Rechtsfortbildung überschreitet, indem er sich zum Gesetzgeber aufschwingt, der sollte sich nicht wundern, wenn man sein Verhalten mit § 339 StGB zur Rechtsbeugung bewertet.

Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de

Offline tangocharly

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§ 315 BGB und das Widerspruchserfordernis
« Antwort #2 am: 20. März 2011, 22:03:35 »
Auch wenn Herr Kolbe die Problematik richtig bewertete, so konnte er jedoch mit dem Argument des § 308 BGB dem Zahn nicht auf die Wurzel fühlen.

Dem steht zumal § 310 BGB im Wege, wonach die §§ 308, 309 BGB in diesem Sektor dazu verdammt wurden, nicht einschlägig zu sein (was rechtssystematisch - im System des Verbraucherschutzes - sicherlich zweifelhaft ist, aber dem gesetzgeberischen Willen entspricht).

Aber, und dies zeigt, dass der VIII. BGH-Senat bei dieser Problematik immer noch sehr ohne Netz und doppeltem Boden unter der Zirkuskuppel schwebt, in den GVV\'s findet sich außer § 17 Abs. 1 Satz 3 kein weiterer Hinweis auf den § 315 BGB.

Klar ist, was der Verordnungsgeber damit zum Ausdruck bringen wollte, nämlich dass der Versorger in die Schranken gewiesen werden mußte, falls dieser vermeinte, zur Totschlagskeule greifen zu müssen.

Nichts dazu findet man in den GVV\'s, was der Gaskunde, wie, in welcher Form und wann, zu welchem Zeitpunkt, unternehmen müßte, wenn er auf die Gestaltung der Tarife reagieren möchte (muß).
Überhaupt scheint die GasGVV generell davon auszugehen, dass es schon vom Grundsatz her keine unbilligen Tarife geben kann.

Also, wenn es in den GVV\'s schon kein Widerspruchsbedürfnis gibt und überhaupt, auch kein Bedürfnis für Vereinbarungen auf autonomer Ebene, warum bestand dann ein Bedürfnis für den VIII. BGH-Senat, in diesem Sektor des Verbraucherrechts eine Lücke zu suchen (geschweige denn zu füllen) ?

Soweit in den GVV\'s der Widerspruch auf der Basis gem. § 315 BGB ungeregelt ist, d.h. keine Fristen und keine Form, dann bleibt die Pflicht zur Rüge \"in angemessener Zeit\" im luftleeren Raum hängen. Es dürfte sich auch sogar dann, wenn man ein Rügeerfordernis in den GVV\'s statuiert sähe, die Frage stellen, ob man dies -mangels Legitimation- aus der Eben der subordinierten Rechtsakte in übergeordnetes Recht transformien dürfte.

Der VIII. BGH-Senat scheint dies zu dürfen (und die unteren Instanzen beten dies fromm nach).

Ob, lieber Herr Gutsche, dies schon für eine Rechtsbeugung i.S.v. § 399 StGB ausreichen kann, ist durchaus noch offen. Sie haben sicherlich auch schon die Entscheidungen studiert, wo sich aus dem Umstands- und Zeitmoment Situationen ergeben können, wo die andere Vertragspartei Reaktionen erwarten durfte. Dies sind Ausnahmen, von der Ausnahme der Ausnahme; also Situationen, in denen man schon viel Mühe aufwenden muß, um eine besondere Schutzbedürfnis der Versorger zu entdecken.

Wenn es also nicht ganz abwegig ist, dass man einen derartigen Schluß zieht, dann darf sich auch unser Gas-Ball völlig entspannt zurück lehnen und zuschauen, wie sich die Verbraucher gegen seine Eminenz aufreiben.
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Offline tangocharly

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« Antwort #3 am: 21. März 2011, 10:05:55 »
Zitat
@ Gutsche
Zitat Dr. Kolbe
Daran ändert auch eine unterstellte \"Abwehrlast\" des Gestaltungsopfers nichts. Sie erlaubte allenfalls den Schluss auf eine Heilung der unbilligen Leistungsbestimmung mit Leistung des Schuldners und/oder Zeitablauf, die das Gesetz freilich gerade nicht anordnet. Über einen rechtsgeschäftlichen Willen des Kunden mit Blick auf eine Preisvereinbarung ist damit nichts gesagt.

\"Der Krug geht zum Brunnen bis er bricht\".
Bricht der Krug, dann bleibt sein Inhalt auf der Strecke (für diese Erkenntnis braucht es auch nicht unbedingt v. Kleist\'s Werk).

Nicht so allerdings beim VIII. BGH-Senat.
Bei ihm bricht der Krug (Widerspruch), aber sein Inhalt bleibt im Krug (Anfangspreis / Sockelpreis).

Die zwangsbeglückte Energieversorgungswelt wurde vom VIII. mit Rechtsfrieden beglückt. Frieden, der sich auf dem Richtertisch verwirklicht (??) und viele (enttäuschte) Abnehmer in der Grundversorgung zum Wechsel ihres Versorgers zwingt (die Wahl zwischen Pest und Cholera ?).

Da nützen auch schlaue Sprüche des VIII. (15.07.2009) nicht, wonach der Abnehmer die Wahl habe, seinen Preis über § 315 BGB auf Billigkeit überprüfen zu lassen oder zu wechseln.

Wie erklärt sich die Versorgerwelt denn die Erkenntnis, dass bei den Genossenschaften der Zulauf in letzter Zeit so stark zugenommen hat ?
Bestimmt nicht deshalb, weil dort Schwimmbäder und Parkhäuser, ÖPNV und kommunale Einrichtungen querfinanziert sein wollen. Oder weil das Prinzip der Gewinnmaximierung Dollarzeichen in die Augen getrieben hat.
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Offline Black

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§ 315 BGB und das Widerspruchserfordernis
« Antwort #4 am: 21. März 2011, 11:30:25 »
Wird das hier ein weiterer Thread, in dem man sich gegenseitig auf die Schulter klopft und versichert, dass der VIII. Senat falsch liege?
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline bolli

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« Antwort #5 am: 21. März 2011, 13:08:05 »
Zitat
Original von Black
Wird das hier ein weiterer Thread, in dem man sich gegenseitig auf die Schulter klopft und versichert, dass der VIII. Senat falsch liege?
Kann man ja nicht oft genug erwähnen.  :D
Vielleicht lesen die Herrschaften ja mal zur Abwechselung hier mit und stellen sich auch einige Fragen.   ;)

Aber mal im Ernst, es gibt nun mal einige Fragen, die sich mit der Theorie des VIII. Senats ergeben, die auch SIE noch nicht zufriedenstellend beantworten konnten. Da bleibt eben ein gewisses Unverständnis zurück und dieses wird an der einen oder anderen Stelle nochmals herausgehoben. Aber Sie können den Thread ja auf \"Bannen\" stellen, damit er bei IHnen nicht mehr in der Liste erscheint.  ;) 8)

Offline userD0010

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§ 315 BGB und das Widerspruchserfordernis
« Antwort #6 am: 21. März 2011, 14:49:24 »
@ wie gut, dass wir den bolli haben.
Er mausert sich zum Energiepapst.

Offline tangocharly

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« Antwort #7 am: 21. März 2011, 14:51:44 »
Wir wissen und sehen, für @Black ist Gas-Ball der Größte, sozusagen der Jupiter unter den Planeten (pardon: Senaten).

Und übrigens: Zufriedenheit ist ein schlechtes Ruhekissen. Erst recht \"wenn die Luft raus ist\" (und es ist nur eine Frage der Zeit, bis dies eintreten wird).

Da eilt ja dem VIII. BGH-Senat schon ein gewisser Ruf voraus, den ihm seine anderen Senatskollegen bereits bescheinigt haben.
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Offline RR-E-ft

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« Antwort #8 am: 21. März 2011, 15:01:43 »
Manche auf Versorgerseite halten das Risiko, dass aus dem Ruhekisten die Luft entweicht, für ein vernachlässigbares Restrisiko.

Seit letzter Woche ist jedoch ersichtlich, wie sich selbst zu grundelegenden Fragen \"über Nacht\" eine andere Sichtweise herausbilden kann.

Atemberaubend: Am Sonntag 13.03.11 bei Deppendorf war noch völlig klar, dass die Vorgänge in Japan der Bundeskanzlerin keinen Anlass zur Neubewertung geben, da sie ja sonst entsprechend Amtseid Atomkraftwerke sofort still legen lassen müsste, wenn von diesen Gefahren ausgingen. Am Montag hieß es sodann aus selber Erkenntnisquelle \"Moratorium\" und am Dienstag hieß es dann gar prompt, dass sieben plus ein altes AKW (vorübergehend) sofort vom Netz gehen müssen, wegen der Gefahren (§ 19 AtG). Die größte Eile entwickelte Mappus. Nüscht ist mehr sicher, vor allem nicht alte Gewissheiten. Der Berliner weiß nicht erst seit dem: Et jibt nüscht, wat et nich jibt. Auch Eisbär Knut hat wohl ein Restrisiko ereilt. Es besteht ein weitergehendes Restrisiko, dass man ihn ausstopft und im Naturkundemuseum ausstellt, weil die Stadt das Geld der Besucher dringend braucht.... Schließlich muss das Leben auch nach dem größten Unglück irgendwie weitergehen.

 

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