Energiepreis-Protest > Stadtwerke Steinfurt
Androhung Versorgungssperre
bolli:
--- Zitat ---Original von Maharik
Ich habe auch noch einmal die GasGvv gelesen und finde dort auch unter § 2 (Vertragsabschluss) nichts, worauf sich mein Versorger überhaupt stützen kann. Hier gibts nämlich wieder was für Juristen: nach § 2 Satz zwei beruft sich der Versorger darauf, dass die Grundversorgung zustande kommt, weil ein anderer Vertrag (mit ihm endet). Aber auch hier verlangt die GasGvv, dass der Kunde eine Mitteilungspflicht hat, damit ein Vertrag zustande kommt. Wer der vorherige Versorger war oder sein soll, steht nicht im Text. Man könnte schon allein deshalb argumentieren, dass lt. GasGvv kein Vertrag zustande gekommen sein kann.
--- Ende Zitat ---
Fraglich kann aus meiner Sicht nur sein, ob Ihr Sondervertrag wirksam gekündigt ist oder nicht.
WENN dieses der Fall ist und Sie weiterhin (nach dem Vertragsende) Gas aus der Leitung entnehmen, und (logischerweise) keinen neuen Soindervertrag woanders abgeschlossen haben, kommt AUTOMATISCH ein neuer Grundversorgungsvertrag zustande.
Dieses ergibt sich aus § §36 Abs. 1 EnWG, wonach die für ihr Gebiet zuständigen Grundversorger VERPFLICHTET sind, Letztverbraucher mit Energie zu beliefern. D.h., wenn Sie keinen anderen versorger haben, muss der Grundversorger liefern. Ihre Zustimmung zu diesem Grundversorgungsvertrag signalisieren Sie durch die Entnahme von Gas. Der Jurist nennt das konkludentes Verhalten. D.h. durch Ihre Gasentnahme OHNE ANDEREN VERTRAG gehen Sie automatisch einen Grundversorgungsvertrag ein.
Ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht gem. § 2 GasGVV Ihrerseits wird nicht als Rechtsfolge haben, dass der Vertrag nicht zustande gekommen ist, da sie nur dazu dient, den Grundversorger darauf vorzubereiten, dass er demnächst einen neuen Kunden bekommt. In der heutigen Zeit hat er diese Mitteilung aber meist bereits durch den Netzbetreiber erhalten, der die Kündigung des alten Versorgers sowie das Nichtvorhandenseins eines neuen Vertrags kennt und Sie somit netzseitig dem Grundversorger zuordnet. Es könnte ihnen höchstens eine Vertragsverletzung vorgeworfen werden. Das dieser Verstoß eine Unterbrechung gem. § 19 GasGVV rechtfertigen könnte, möchte ich allerdings aus o.g. Gründen ausschließen.
Wegen Ihrer Zahlungsrückstände, die seiner Ansicht nach bestehen, dürfte § 19 Abs. 2 GasGVV gelten:
--- Zitat ---Bei anderen Zuwiderhandlungen, insbesondere bei der Nichterfüllung einer Zahlungsverpflichtung trotz Mahnung, ist der Grundversorger berechtigt, die Grundversorgung vier Wochen nach Androhung unterbrechen zu lassen und den zuständigen Netzbetreiber nach § 24 Abs. 3 der Niederdruckanschlussverordnung mit der Unterbrechung der Grundversorgung zu beauftragen.
Dies gilt nicht, wenn die Folgen der Unterbrechung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen oder der Kunde darlegt, dass hinreichende Aussicht besteht, dass er seinen Verpflichtungen nachkommt.
--- Ende Zitat ---
Sollten Sie sich tatsächlich in einem Grundversorgungsverhältnis befinden (was Sie ja eben noch bestreiten), so wäre die Forderung der Versorgers durch Ihren Widerspruch gegen seine Preise eben nicht fällig (§ 315 BGB). Insofern hätten Sie gar keine fällige Zahlungsverpflichtung zu erfüllen und er kein Sperrecht.
Im Sondervertrag würde die GasGVV wahrscheinlich eh nicht gelten, da sie nur sehr selten rechtswirksam als AGB bei Vertragsabschluss des Sondervertrages vereinbart worden ist.
Daher mit Anwalt beantragen, die Sperrverfügung aufzuheben. Geschieht dieses nicht, Hausverbot erteilen und gerichtliche Verfügung erwirken.
Maharik:
@bolli
Zunächst Dank für die ausführliche Stellungnahme. Die Argumentation war mir im Wesentlichen bekannt.
Ich finde das Ganze - als juristischer Laie - aber problematisch.
Zunächst ist für mich ein Vertrag der \"Bezug zweier aufeinander abgegebener, inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen.\"
Zweitens: Überall im Forum lese ich: Nicht-Handeln erzeugt nichts.
Drittens: Wozu gibt es die Ersatzversorgung?
Viertens: Wozu gibt es Soll- und Kann- Bestimmungen?
Falls es eine Rechtsprechung zur \'automatischen Einstufung\' in die Grundversorgung geben sollte (dass die Versorger dies so auslegen, ist mir klar), würde mich die Begründung interessieren.
Wenn eine Vertrag zuende ist, gibt es nach meiner Auffassung eben einen vertragsfreien Zustand = Ersatzversorgung.
Das Gas, welches ich entnehmen (kann), ist im Prinzip keinem Versorger zuzuordnen - seit der Marktliberalisierung.
Es \"gilt\" - sagt das ENWG, dass dies dem Grundversorger zuzurechnen ist.
Alsdann §3 GasGvv: Der Grundversorger hat dem Kunden das Ende der Ersatzversorgung mitzuteilen und zu erklären, dass \"zur Fortsetzung der Gasversorgung der Abschluss eines Bezugsvertrages durch den Kunden erforderlich ist.\" Zum Beispiel ein Grundversorgungsvertrag.
Hier gibt es doch eindeutige Widersprüche in der Rechtsauslegung,die ich so nicht nachvollziehen kann.
Aber:
Grundversorgungsverträge sollen in schriftlicher Form abgeschlossen werden (Soll- Bestimmung).
Mein Versorger kündigt an, dass er mit 3monatiger Frist einen Tarif kündigen will. Und tut nichts.
Dann erhalte ich am 21.12 eine Mitteilung, dass \"zwischen uns ein Vertrag zustande gekommen ist.\" Also eine Mitteilung über etwas, was in der Vergangenheit liegt.
Wann? Wodurch, ist der Vertrag zustande gekommen? Ich habe kein Gas \'konkludent\' entnommen, was erst das Zustandekommen eines Vertrages begründen könnte. Dieser Zeitpunkt liegt noch in der Zukunft!
Ich begreife einfach nicht, warum bei einem solchen Vertrag die Logik suspendiert werden soll, nur weil es einem bestimmten Rechts(verdrehungs)verständis der Energiewirtschaft so passt.
Konkludent entnehmen kann ich erst am 1. Januar. Jenseits der Frage, ob ich dann nich in einem \'vertragslosen\' Zustand bin und zunächst die Ersatzversorgung greifen müsste, kann ich im Dezember überhaupt keine Handlungen begehen, die einen Vertrag zum 1. Januar begründen würden.
Insofern: wie ist die Meinung dazu? Ich halte das für äußerst problematisch, wenn die Versorger durch Nichtstun Vertragsverhältnisse \'erzwingen\' können, und dies dann auch legitimiert wird.
bolli:
--- Zitat ---Original von Maharik
Zunächst ist für mich ein Vertrag der \"Bezug zweier aufeinander abgegebener, inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen.\"
Zweitens: Überall im Forum lese ich: Nicht-Handeln erzeugt nichts.
Drittens: Wozu gibt es die Ersatzversorgung?
Viertens: Wozu gibt es Soll- und Kann- Bestimmungen?
...
Insofern: wie ist die Meinung dazu? Ich halte das für äußerst problematisch, wenn die Versorger durch Nichtstun Vertragsverhältnisse \'erzwingen\' können, und dies dann auch legitimiert wird.
--- Ende Zitat ---
Erstens: Schon in seinem Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 Rdnr. 36 hat der VIII. BGH-Senat diesen konkludenten Vertragsschluss in der Grundversorgung durch Gasentnahme erwähnt (ohne ihn allerdings näher zu begründen):
--- Zitat ---Kommt zwischen dem Versorgungsunternehmen und dem Kunden - ob ausdrücklich oder konkludent gemäß § 2 Abs. 2 AVBGasV durch Entnahme von Gas aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens - ein Gaslieferungsvertrag zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen zustande so ist der von dem Kunden zu zahlende Preis durch den zuvor von dem Gasversorgungsunter-nehmen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 veröffentlichten Tarif eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien vereinbart.
--- Ende Zitat ---
Zweitens: Der VIII. Senat sieht in dem Öffnen des Gashahns eben Ihre Zustimmung zu dem Vertrag, sonst müssten Sie ihn zulassen.
Drittens: Grundsätzlich ist die Ersatzversorgung in § 38 EnWG geregelt und dauert höchstens 3 Monate. Sie sollte wohl ursprünglich grundsätzlich dazu dienen, kurzfristige zeitliche Übergänge zwischen zwei Vertragsverhältnissen zu überbrücken, die in den beiden Verträgen (Ende alter Vertrag und Beginn neuer Vertrag) noch nicht abgedeckt sind. Ich gebe Ihnen aber insofern Recht, als mit dem konkludenten Vertragsschluss durch Gasentnahme dieser Zustand ja kaum mehr auftritt, außer man kündigt ihn vorher an. Aber das müssen Sie mit dem VIII. Senat ausmachen, da ich mit dieser ganzen Rechtsprechung eh auf Kriegsfuss stehe. Nur müssen wir derzeit (leider) damit leben. X(
Viertens: Bei \"kann\" und \"soll\" ist bei beidem pflichtgemäßes Ermessen auszuüben; der Unterschied besteht darin, dass \"soll\" i.d.R. zu befolgen und nur in pflichtgemäß ermessenen Ausnahmefällen abzulehen ist. Bei \"kann\" besteht weitaus größeres Ermessen. Ermessensfehlausübungen können natürlich angegriffen werden. ;)
Und als letztes: Der Versorger kann nicht durch Nichtstun Vertragsverhältnisse \"erzwingen\". SIE können nämlich durch einen aktiven Vertragsschluss mit einem anderen Versorger bestimmen, mit wem Sie einen solchen eingehen. Nur wenn Sie dieses nicht tun und trotzdem Gas aus der Leitung entnehmen, kommt die \"stillschweigende Variante\" zu tragen. Übrigens als Denkanstoß: Wenn SIE nie aktiv einen Vertrag abschließen würden, würden Sie nie ein Vertragsverhältnis eingehen und auch nie in die Grundversorgung kommen, obwohl Sie Gas abnehmen. Das wollte der Gesetzgeber sicher auch nicht.
Allerdings hat der auch nicht den Sockelpreis erfunden. ;)
Maharik:
@bolli
Sind meine Einwände denn unbegründet? Meine Frage nach den zeitlichen Fristen ist noch nicht beantwortet.
Was ich verstehe ist: Text Versorger: Wenn der Vertrag ausläuft, werden sie automatisch in die Grundversorgung eingestuft. Ich sage: falsch!
Der Inhalt lautet: wir sind verpflichtet Sie innerhalb der Grundversorung weiter zu beliefern.
Text Versorger: Mit Ende des Vorvertrages (Sondervertrages) kommt automatisch ein neuer Vertrag zustande.
Ich sage: falsch! Von alleine kommt gar nichts zustande.
Wenn der Versorger mir am 21.12.2010 mitteilt, dass er mich \"als Neukunden begrüßt\" und mir eine \"Vertragsbestätigung\" zusendet, so ist das...(rechtsmissbräuchlich, Nötigung oder was auch immer).
Weil: die Vertragsbestätigung ist nicht der Vertrag, sonder das, was der Name sagt. Sie setzt das Zustandekommen und die Existenz eines Vertrages, der vorher(!) geschlossen wurde, voraus.
Zum 21.12 bin ich nach wie vor in meinem Sondervertrag. Ich habe keine Willenserklärung abgegeben, die ein Vertragsverhältnis begründen könnte.
Das konkludente Zustandekommen eines Vertrages setzt eine Handlung meinerseits voraus. Ich muss in die Straßenbahn/den Bus eingestiegen sein, um meinen Teil zu einem konkludenten Vertrag überhaupt geleistet zu haben.
Dazu bin ich zeitlich, physisch und logisch aber vor dem 1.1.2011 nicht fähig und in der Lage.
Wenn der Versorger nun mit einer Versorgungssperre droht, die sich auf einen Vertrag bezieht, der angeblich vor dem 21.12.2010 geschlossen worden sein soll und zu dem zumindest eine Vertrags-(Kunden)Nummer existiert, wie ist dann die Rechtsgrundlage.
Für mich ist es die Forderung auf einen nicht existierenden Vertrag. Hier werden Behauptungen aufgestellt und Sachverhalte vermischt, die weder rechtlich noch logisch zusammehängen.
Wir dürfen doch hier nicht die Unlogik \'Versorgungspflicht\' = automatisch aus sich selbst generiertes Vertragsverhältnis mitmachen, oder sehe ich das falsch?
Wenn der Versorger Kenntnis hat, dass der alte Vertrag ausläuft, kann und sollte (!) er nach §2 GasGvv dem Kunden einen Vertrag mit den Bedingungen der Grundversorgung zuschicken. Das wäre nach meinem Verständnis rechtskonform. Wenn er das nicht tut, kann er nach Vertragsende (!) einen Vertrag schicken oder - und erst dann greift dieses Konstrukt - auf konkludenten Vertragschluss rekurrieren.
Alles andere wäre nach meiner Auffassung die Aushöhlung der Vertragsfreiheit und sowas wie Kontrahierungszwang, den es zwar in der GKV gibt, aber doch wohl nicht in der Energiewirtschaft. Am 21.12.2010 kann niemand wissen, was ich am 1.1.2011 will. Ich kann mein Gas auch absperren, meinen Holzofen anmachen und die Pizza im Elektroofen braten.
Wieso können die STadtwerke also vorher behaupten, ich hätte einen Vertrag abgschlossen, nur weil NACH dem 1.1. eine bestimmte Form des Vertragschlusses möglich wäre (konkludente Form)?
Also: gibt es nun den Vertrag, oder gibt es ihn nicht?
Vielen Dank schon im Voraus
Maharik
bolli:
--- Zitat ---Original von Maharik
Also: gibt es nun den Vertrag, oder gibt es ihn nicht?
--- Ende Zitat ---
So, an dieser Stelle geb ich mal meine Letzte Antwort, den Rest werden Sie mit einem/Ihrem Anwalt klären müssen:
1. Aus meiner Sicht ja, es gibt diesen Grundversorgungsvertrag (sofern Ihr alter Vertrag rechtmäßig gekündigt wurde, aber das war und ist hier ja nicht das Thema). SIE mögen das derzeit nicht ganz einsehen, aber Fakt ist, dass es dazu eine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt, die was anderes sagt. SIE können in Ihrem eigenen Verfahren ja Ihre Meinung nochmals darlegen und versuchen IHREN Richter von was anderem zu überzeugen, aber das wird deutlich schwieriger als
2. den Preis für die aufgenommene Grundversorgung wegen Unbilligkeit anzugreifen. Sie haben ja dem Preis von Anfang an widersprochen. Nach Ansicht des VIII. Senats kommt aber trotzdem ein sogenannter Sockelpreis zustande, den man seiner Meinung nach nicht angreifen kann. HIER gibt es aber einige Unstimmigkeiten mit Formulierungen von EnWG und GasGVV, so dass hier möglicherweise ein Vorgehen im einem Klageverfahren trotzdem erfolgreich sein könnte (aber sicher nicht einfach wird und eines ausgewiesenen Experten bedarf).
3. Die angedrohte Versorgungssperre sollte eindeutig rechtswidrig sein und sich daher auch abwehren lassen. Das sollte Ihr Anwalt aber hoffentlich im Griff haben, das ist ja wohl mittlerweile Standard. Wenn die Stadtwerke das bisher zurückbehaltene Geld wollen, müssen sie Sie verklagen und Sie haben die Möglichkeit, Ihren Sachverhalt zu den Preisen, wie unter Ziffer 2. gesagt, darzulegen.
Mehr wird kaum zu erreichen sein.
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