Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Der Sockelpreis - wohin soll er gehen ...

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tangocharly:
Wie der BGH am 09.02.2011 wieder entschieden hat, ist eine Billigkeitsprüfung nach § 315 BGB bezogen auf den \"Sockel\" nicht möglich. Dabei sei unbeachtlich, ob sich das Preisanpassungsrecht aus Gesetz oder Vertrag ergibt, wenn nur der Verbraucher auf die einer Anpassung folgende Rechnung nicht widersprochen hat (fortgesetzter Bezug).


--- Zitat ---Tz. 46
(2) Auch soweit die Beklagte in den der Jahresabrechnung 2003 vorangegangenen Zeiträumen die Preise wirksam einseitig erhöht haben sollte, findet keine Billigkeitskontrolle mehr statt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die einseitige Erhöhung im Tarifkundenverhältnis auf der Basis von § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV oder im Sonderkundenverhältnis auf der Basis eines wirksamen vertraglichen Preisanpassungsrechts erfolgt ist. Der Senat hat vielmehr - nach Erlass des Berufungsurteils - entschieden, dass seine zum Tarifkundenvertrag entwickelte Rechtsprechung, wonach ein ursprünglich einseitig erhöhter Tarif dann nicht mehr auf seine Billigkeit überprüft werden kann, wenn der Kunde die auf diesem Tarif beruhende Jahresabrechnung durch fortgesetzten beanstandungslosen Gasbezug akzeptiert hat, auf Sonderkundenverträge zu übertragen ist (Senatsurteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 66).
--- Ende Zitat ---

Erfreulicherweise stellt der BGH in der genannten Entscheidung auch heraus, dass dieser (\"Sockel\"-) Grundsatz dann nicht gilt, wenn von vornherein kein (wirksames) Anpassungsrecht auf vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage besteht.


--- Zitat ---Tz 41
[...] indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden, der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis und kann deshalb nicht mehr gemäß § 315 Abs. 3 BGB auf seine Billigkeit überprüft werden (Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 36; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 15 f.).

Tz 42
b) Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, lässt sich diese Rechtsprechung jedoch nicht auf Fälle übertragen, in denen nicht (nur) die Billigkeit der Preiserhöhung im Streit steht, sondern in denen es bereits an einem wirksamen Preisanpassungsrecht des Versorgungsunternehmens fehlt, weil die Preisanpassungsregelung nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam ist (Senatsurteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 59). Da hier die von der Beklagten seit November 2001 verwendeten Bedingungen für ihren Tarif E. kein wirksames Preisanpassungsrecht enthalten, sind alle auf der Grundlage dieser Bedingungen vorgenommenen Preisänderungen unwirksam.
--- Ende Zitat ---

Bei allen bislang entschiedenen Fallkonstellationen ist immer offen geblieben, was nun gelten soll, wenn der Wechsel vom Sonderkundenvertrag zur Grundversorgung erfolgt , und die Energie bis zur ersten Jahresschlussrechnung abgerechnet wird. Ist dabei dann der Energiepreis vom Wechsel in die Grundversorgung bis zur ersten Jahresschlußrechnung unverändert geblieben, soll sich dann beim Wechsel in die Grundversorgung ein \"Sockel\" aufgebaut haben, auf der Basis der veröffentlichten Tarife und Entnahme von Energie aus dem Netz ? Mit der Folge der Unüberprüfbarkeit des abgerechneten Preises ?

Alternative 1: der Wechsel erfolgt beim gleichen Versorger in die Grundversorgung. Nach den Grundsätzen des BGH gab es bis dahin keinen \"Sockel\", allenfalls den \"Sockel\" bei Aufnahme der Versorgung im Sonderkundenverhältnis von Jahrzehnten ?

Alternative 2: der Verbraucher hat schon längst vor dem Wechsel in die Grundversorgung seinen Protest gegen die Preisanpassungen des Versorgers bekundet, sogar explizit gestützt auf den Unbilligkeitseinwand nach § 315 BGB ?

Alternative 3: wie gelangt der Verbraucher aus der \"Sockel-Falle\", wenn in seinen Sondervertrag durch Bezugnahme auf die Bedingungen der GVV selbige wirksam eingebunden wurden und damit eine Preisprüfung nach § 315 BGB ermöglicht sein soll, allerdings erst künftig ?

Dies zeigt erneut die Grenzwertigkeit der \"Sockel-Theorie\" auf. Ihre Anwendung hängt von Zufälligkeiten ab. Transparenz und Sockel-Theorie - Feuer und Wasser ....

Black:
Mit dem Wechsel in die Grundversorgung wird ein neuer Energieliefervertrag nach Maßgabe der Strom/GasGVV abgeschlossen. Preissockel für die Abrechnung von Forderungen aus dem Grundversorgungsvertrag ist daher der Anfangspreis beim Einstieg in die Grundversorgung.

RR-E-ft:
Wegen Kostenänderungen vor Abschluss des Grundversorgungsvertrages kann der Grundversorger nach Vertragsabschluss ohne Rücksicht auf einen Sockel zu einer Preiserhöhung berechtigt oder aber zu einer Preisabsenkung verpflichtet sein, was sich aus der gesetzlichen Bindung an den Maßstab der Billigkeit ergibt (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18]. In diesem Sinne wird bei Abschluss eines Grundversorgungsvertrages kein feststehender Preis vereinbart.
Es besteht vielmehr von Anfang an eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers, welche der Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB unterliegt.

Alle, die bisher meinten, ob ihrer Größe einen Sockel zu brauchen, wurden über kurz oder lang von jenem gestoßen.
Schwierige Diskussion um das Wohin

tangocharly:
Na, na, @RR-Ef-t, wohl nicht aufgepasst (siehe auch @Black):


--- Zitat ---Tz 41 [...] indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden, der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis und kann deshalb nicht mehr gemäß § 315 Abs. 3 BGB auf seine Billigkeit überprüft werden (Senatsurteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 36; vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 15 f.).
--- Ende Zitat ---

Wir reden hier in diesem thread von der \"Sockel-Falle\" und davon, dass der BGH mit seiner Theorie irgend einen Punkt in der juristischen Laufbahn eines Versorgungvertrages auszumachen scheint, wo es nicht darum geht, was der Verbraucher will, sondern darum, was die \"Ertragslage des Versorgers sichern soll.\"

Das entscheidende Kriterium ist der Widerspruch, mag \"Lieschen Müller\" noch so schön von Dornröschen träumen und von der Billigkeit und Gerechtigkeit des Lebens.

Bleiben wir beim Widerspruch.

Siehe im voraus gegangenen thread (Alternativen 1 bis 3).

Dass beim Übergang vom Sondervertrag zur Grundversorgung (@Black) eine Vertragsnovation auftritt ist klar.

RR-E-ft:
Aufpasser v. D.

Richtig ist auch:


--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Wegen Kostenänderungen vor Abschluss des Grundversorgungsvertrages kann der Grundversorger nach Vertragsabschluss ohne Rücksicht auf einen Sockel zu einer Preiserhöhung berechtigt oder aber zu einer Preisabsenkung verpflichtet sein, was sich aus der gesetzlichen Bindung an den Maßstab der Billigkeit ergibt (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18]. In diesem Sinne wird bei Abschluss eines Grundversorgungsvertrages kein feststehender Preis vereinbart.
Es besteht vielmehr von Anfang an eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers, welche der Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB unterliegt.
--- Ende Zitat ---

Denn siehe:



--- Zitat ---BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18

Aus der Bindung des Allgemeinen Tarifs an billiges Ermessen folgt, dass das Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens ... mit der Rechtspflicht einhergeht, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und den Zeitpunkt einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist (BGHZ 176, 244, Tz. 26; Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 28, und vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 29).
--- Ende Zitat ---

Und siehe noch deutlicher:


--- Zitat ---BGH KZR 2/07 Rn. 26:

Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (BGHZ 172, 315 Tz. 16 f.) ergibt sich nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist,
--- Ende Zitat ---

Der Grundversorger kann gegenüber dem betroffenen Kunden gesetzlich zur Tarifabsenkung verpflichtet sein, mindestens ebenso wie er - ohne Rücksicht auf einen Sockel - zu Tariferhöhungen berechtigt sein kann. Maßgeblich können dabei (in die eine wie in die andere Richtung)  Kostenänderungen sein, die vor Vertragsabschluss lagen.


Die Rechtsprechung des VIII.Zivilsenats des BGH erscheint insoweit in sich widersprüchlich.

Ich habe aufgepasst:

Der Grundversorger darf Haushaltskunden im Rahmen der Grundversorgung nur zu denjenigen Allgemeinen Preisen versorgen, die gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind und die seiner gesetzlichen Preisbestimmungspflicht unterliegen. Abweichende Preisvereinbarungen sind in diesem Bereich gesetzlich unzulässig, § 36 Abs. 1 EnWG.

Die Vertragsnovation liegt darin, dass im Sondervertrag keine gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers bestand, die der Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB unterliegt.

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