Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Preisspaltung in der Grundversorgung noch zulässig?
Lothar Gutsche:
@ RR-E-ft
Es gibt Volljuristen, z. B. Richter am Kartellsenat des Landgerichts Nürnberg-Fürth, für die eine sachliche Rechtfertigung bei Preisspaltungen nach § 19 Abs. 4 Nr. 3 GWB entbehrlich ist. Diesen Volljuristen genügte es laut Urteil vom 16.2.2011 im Verfahren 3 O 3188/10, dass der Energieversorger Haushaltskunden und ein Gaskraftwerk für nicht vergleichbar hält und deshalb beiden Kundengruppen höchst unterschiedliche Gaspreise in Rechnung stellen darf. Vor dem Hintergrund interessierte mich, wie Sie in Ihrer ersten Urteilsanmerkung zu der Einsicht gelangt sind, eine Preisdifferenzierung zwischen Großkunden und Haushaltskunden müsse sachlich gerechtfertigt werden. Im Gesetz steht das zwar so, aber in der Praxis und im Einzelfall gilt das offenbar nicht. Speziell die im Gesetz vorgesehene Beweislastumkehr \"es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist\" hat das Kartellgericht nicht gekümmert.
Zum Thema meiner Doktorarbeit bin ich 1991 durch ein Stahlwerk in Bremen gekommen, das ein weltweit einmaliges Dispositionsproblem beim Gießen un Walzen von Stahl lösen wollte. Das Ergebnis ist unter dem Titel \"Einige Aspekte zur Disposition einer Stranggießanlage und einer Warmbreitbandstraße\" als Buch verfügbar.
Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de
RR-E-ft:
Herr Dr. Gutsche, die Frage nach Ihrer Doktorarbeit war rein rhetorisch, wie auch die Bemerkung: Auch als Buch verfügbar. ;)
Scheint wohl so, als wenn die Kartellrichter am LG Nürnberg-Fürth bei ihrem Urteil vom 16.02.11 die jüngste Rechtsprechung des Kartellsenats des BGH noch nicht ausgewertet hatten.
Die Entscheidungen KZR 4/10 und KZR 5/10 vom 07.12.10 stehen auf den Seiten des BGH seit dem 30.12.10 online.
Aus diesen ergibt sich, dass sämtliche Preisdifferenzierungen eines marktbeherrschenden Gasversorgers gegenüber (jedweden) Endkunden, also auch Groß- und Kleinkunden, einer sachlichen Rechtfertigung bedürfen, der Missbrauchsverdacht zunächst allein aufgrund der Tatsache der Preisspaltung prima faci gegeben ist und deshalb vom marktbeherschenden Gasversorgungsunternehmen durch eine sachliche Rechtfertigung auszuräumen ist.
Vielleicht wäre es möglich gewesen, mit diesen jüngsten Entscheidungen des BGH noch vor dem Verkündungstermin am 16.02.11 schriftsätzlich zur Rechtslage weiter vorzutragen und somit noch Einfluss zu nehmen auf die Kartellkammer des Landgerichts und deren Entscheidung. Da Letztere nicht bekannt ist, lässt sich von hier aus auch nicht beurteilen, ob die jüngste Rechtsprechung des Kartellsenats des BGH entscheidenden Einfluss auf die Entscheidung des LG Nürnberg- Fürth hätte haben können bzw. müssen.
Mir waren diese Entscheidungen des BGH, die zum Jahreswechsel veröffentlich wurden, auch zunächst \"durch die Lappen gegangen\", weshalb ich meine kurze Anmerkung erst am 18.02.11 ins Netz gestellt habe. Ich wurde erst durch einen Beitrag lieber Kollegen darauf aufmerksam, dass diese Entscheidungen in der Welt sein müssen.
Zudem sind die Entscheidungen des BGH sehr lang, so dass man erst einmal durchsteigen und die uns interessierenden wesentliche Punkte herauskristallisieren muss.
Es verwundert denn auch nicht, dass Entega diese Entscheidungen zunächst ganz anders gedeutet in der Öffentlichkeit \"verkaufen\" konnte.
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