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Autor Thema: Für EWE wird es noch enger  (Gelesen 3688 mal)

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Offline RR-E-ft

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Für EWE wird es noch enger
« am: 10. Februar 2011, 00:49:44 »
Für EWE wird es noch enger (Mt 25, 13)

Zitat
Für die EWE kann dieser Meinungsumschwung des höchsten deutschen Gerichtes teuer werden; es geht um Rückforderungsansprüche in Milliardenhöhe. Der BGH hatte nämlich im Juli 2010 entschieden, dass die Verträge, die EWE bis 2007 mit ihren Kunden abschloss, in Ordnung sind. An diesem Urteil hat der BGH heute anscheinend Zweifel; die von den Richtern damals für gut befundenen Formulierungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen könnten doch wohl gegen die EU-Gasrichtlinie und ihre Forderung nach höchster Transparenz verstoßen.

Offline janto

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Für EWE wird es noch enger
« Antwort #1 am: 10. Februar 2011, 19:16:16 »
Positive Sensation beim BGH
 
Der BGH schließt sich nachträglich - gegen sein eigenes Urteil vom 14.7.10! - der Auffassung des 12. Senats des OLG Oldenburg an, die Preisanpassungsklauseln der EWE aus der Zeit 2004 - 2007 dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung vorzulegen. Das ist von sehr großer Bedeutung für alle Forderungsklagen der EWE 2004 - 2007 wie auch von Bedeutung für alle Rückforderungsklagen der Kunden für 2008/2009. Warum?
 
1. Beim OLG Oldenburg war gerade der 5. statt des 12. Senats für alle EWE-Verfahren für zuständig erklärt worden. Der 5. Senat hatte an den Preisanpassungsklauseln der EWE 2004 - 2007 nichts auszusetzen, wollte daher auch nicht auf eine Entscheidung des gerade erst angerufenen EuGH warten, sondern stattdessen die EWE gerade einladen, ausführlich darzulegen, dass sie in der Zeit 2004 -2007 keine überhöhten Preise genommen hat. Dann wäre ein Großteil der anstehenden 1.000 (!) Verfahren vor den Landgerichten vermutlich zugunsten der EWE erledigt worden, bevor der EuGH in 1 1/2 - 2 Jahren zu einer (vermutlich) anderen Entscheidung gekommen wäre. Nun dürften alle diese 1.000 Verfahren bis zur EuGH-Entscheidung ausgesetzt werden - und von Europa her weht ein bedeutend verbraucherfreundlicherer Wind! Der 5. Senat des OLG ist damit völlig ausgebremst und kann bis zur Entscheidung des EuGH im Grunde nur einpacken, weil jedes vorgreifende Urteil vom BGH vermutlich wieder aufgehoben würde.
 
2. In seinem Übermut wollte der 5. Senat nicht nur dem EuGH zuvorkommen, er wollte auch das BGH-Urteil vom 14.7.10 zumindest teilweise aushebeln. Zwar gibt es laut BGH keinen Zweifel, dass alle EWE-Kunden die Preiserhöhungen von 2008/2009 zurückfordern können. Aber der 5. Senat überlegte zumindest laut, ob er nicht einen für die EWE günstigeren Ausgangspreis festsetzen könnte. Alle Gerichte bisher hatten den Preis vom 1.4.2007 als Basispreis genommen, weil das der letzte noch nach dem alten, vom BGH nicht beanstandeten Preisänderungsrecht zustande gekommene Preis war. Wenn der 5. Senat wie angedacht einen Preis aus 2006 als Basispreis etablieren würde, würde das die Kunden um 30% bis 50% ihrer Rückanforderungsansprüche bringen. Wenn sich Amtsgerichte dem anschließen würden, wären Rückforderungsklagen entsprechend nur für eine Teilforderung erfolgreich und die Kunden müssten einen Teil der Gerichts- und Anwaltskosten bezahlen. Das wäre für Kunden, die die Scherf-Zahlung schon erhalten haben, dann sogar ein Verlustgeschäft: Sie würden statt z.B. 300 € nur 150 € zurückbekommen und müssten im Gegenzug sogar noch 200 € anteilige Prozesskosten zahlen. Nach dem gewaltigen Dämpfer durch den BGH ist nun nicht mehr zu erwarten, dass der 5. Senat das noch größere Abenteuer unternimmt, gegen alle Gerichte und gegen allen gesunden Menschenverstand einen anderen Basispreis als den vom 1.4.2007 anzusetzen. Nicht einmal die EWE und ihre Anwälte waren ja bisher auf diesen Bolzen gekommen!
 
Es sieht also gut aus für alle Klagen der Kunden und es sieht schlecht aus für alle Klagen der EWE - egal für welchen Zeitraum.
 
Wir haben den Bericht über die sensationelle Wende beim BGH auf der neuen Homepage des Vereins \"Bezahlbare Energie\" http://www.bezahlbare-energie.de eingestellt - außerdem wie bisher auf http://www.janto-just.de.
 
Unseren Bericht über die skandalöse Auftaktverhandlung des 5. OLG-Senats \"Böse Überraschung vor dem OLG Oldenburg\" finden Sie auf http://bezahlbare-energie.de/gerichtsprozesse/forderungen-2004-2007/ oder auf http://janto-just.de/aktuelles/ewe-neue-klagen-forderungen-aktivitäten-kritik/
 
Janto Just
Verein \"Bezahlbare Energie\"
http://www.bezahlbare-energie.de
http://www.janto-just.de

Offline RR-E-ft

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Für EWE wird es noch enger
« Antwort #2 am: 10. Februar 2011, 19:56:16 »
Für Klagen der EWE gegen alle grundversorgte Kunden wegen gerichtlicher Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB könnte es wohl gut aussehen. Mal abwarten.

Offline uwes

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Für EWE wird es noch enger
« Antwort #3 am: 11. Februar 2011, 17:28:47 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Für Klagen der EWE gegen alle grundversorgte Kunden wegen gerichtlicher Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB könnte es wohl gut aussehen. Mal abwarten.

M.W. hat die EWE in Norddeutschland weit überwiegend die Kunden im sog. Classic - Tarif beliefert. Daher sind wohl auch die weit überwiegenden Haushaltskunden Sonderkunden.

Wie es mit den grundversorgten Kunden steht, da würde ich mir eine Beurteilung nicht rechtssicher zutrauen. Haben Sie da andere Erkenntnisse?
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline RR-E-ft

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Für EWE wird es noch enger
« Antwort #4 am: 12. Februar 2011, 10:36:16 »
Nach meiner Erkenntnis unterliegen Grundversorgungstarife der Billigkeitskontrolle.

Stellt der Versorger fest, dass diese bisher nicht der Billigkeit entsprechen und deshalb gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB für die Kunden unverbindlich sind, muss er gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB auf gerichtliche Ersatzbestimmung klagen, wenn er überhaupt zu einer für den Kunden verbindlichen Preisbestimmung gelangen will (BGH X ZR 60/04 unter II. 1).

Das lässt sich relativ einfach sagen:

Die Erfolgsaussichten solcher Klagen der EWE stehen nicht schlecht.

Es kommt aber auch dabei entscheidend auf die Klagebegründung an.
Diese lässt sich in wenigen Sätzen äußerst knapp bemessen.
§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB.

Wenn EWE auch dabei wieder mit Mega- Schriftsätzen von Clifford Chance aufwartet, können natürlich auch solche Klagen für EWE leicht verloren gehen.

Offline uwes

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Für EWE wird es noch enger
« Antwort #5 am: 16. Februar 2011, 19:33:22 »
Ich hatte etwas anderes hinter Ihrem ursprünglichem Kommentar vermutet.
Die Klagen der EWE nehmen doch erheblich ab und diejenigen gegen die EWE in bemerkenswertem Ausmaß zu.

Wie die EWE gestiegene Kosten zur Begründung von Preiserhöhungen im Tarifkundenvertrag heranziehen will, darf anhand dieses Zahlenmaterials erneut mit einem dicken Fragezeichen versehen werden:

2005 = € 60.5 Mio
2006 = € 62,8 Mio
2007 = € 75,4 Mio und
2008 = € 104.1 Mio
2009 = € 139,0 Mio

ein Gewinnsprung von mehr als 100% in 4 Jahren.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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