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Autor Thema: Schreiben an Chief Compliance Officer der E.ON AG wegen Kontrolle der Einhaltung §§ 2 Abs. 1 EnWG  (Gelesen 5196 mal)

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Offline RR-E-ft

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Ich lade hiermit  jeden Energieverbraucher ein, den Text zu kopieren und die Geschäftsführung des eigenen Versorgers per Einschreiben mit Rückschein schriftlich/ per Fax aufzufordern, eine entsprechende Kontrolle über die Einhaltung der Bestimmungen des Energiewirtschaftgesetzes  dringend zu veranlassen.

Folgende Entscheidungen des Strafsenats des BGH dabei zu Informationszwecken für die Verantwortlichen ausgedruckt beifügen:


BGH, Urt. v. 17.07.09 Az. 5 StR 394/08

BGH, B. v. 09.06.09 Az. 5 StR 394/08




Zitat
Karl-Heinz Feldmann
Chief Compliance Officer
E.ON AG

E.ON Platz 1
D-40479 Düsseldorf
per Fax: 0211/ 45 79 446


Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Feldmann,

ich wende mich an Sie in Ihrer Funktion als Chief Compliance Officer der E.ON AG.
Die strengen internen Compliance- Richtlinien der E.ON AG sind mir bekannt und werden von mir begrüßt.
Leider haben sich  bisher noch nicht alle Energieversorger solch strenge Regeln auferlegt.

Mich und viele andere sorgen Bedenken, ob die E.ON AG, und deren Market Units die gesetzlichen Bestimmungen des EnWG tatsächlich einhalten.

Konkret geht es um die Verpflichtung zur möglichst preisgünstigen Versorgung gem. §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG
aber auch um die damit einhergehende  gesetzliche Preisbestimmungspflicht gem. § 36 Abs. 1 EnWG, ausgeübt u.a. von E.ON Thüringer Energie AG und E.ON Vertrieb Deutschland GmbH für deren Gliederungen.

Ich habe meine juristische Ausbildung auch im E.ON Konzern bzw. der Bayernwerk- Gruppe absolviert und war auch in der Rechtsabteilung von Konzernunternehmen auf dem Gebiet des Energiewirtschaftsrechts beruflich tätig.

Nach meiner fachlichen Einschätzung verhält es sich mit der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht folgendermaßen:

1.

In Deutschland gibt der Gesetzgeber die materielle Rechtslage vor.

2.

Auch Gerichte sind daran gebunden.

3.

Grundversorger trifft gesetzlich eine Tarifbestimmungspflicht, § 36 Abs. 1 EnWG.

4.

Die getroffene Tarifbestimmung in Ausübung der gesetzlichen Tarifbestimmungspflicht unterliegt der Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB, denn dieser gilt auch für gesetzliche Leistungsbestimmungspflichten.

5.

Auch Grundversorger sind als Energieversorger gesetzlich verpflichtet, eine möglichst preisgünstige, effiziente leitunsgsgebundene Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen zu gewährleisten, § 2 Abs. 1 EnWG.

6.

Bei der gesetzlich geschuldeten Tarifbestimmung in Ausübung der gesetzlichen Tarifbestimmungspflicht muss die gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG berücksichtigt werden.

7.

Die getroffene Tarifbestimmung darf wegen § 2 Abs. 1 EnWG für den Grundversorger nicht vorteilhaft sein.
Sie muss vielmehr für die Kunden möglichst vorteilhaft sein, § 1 Abs. 1 EnWG, weil sie diesen entsprechend des Schutzzweckes der gesetzlichen Bestimmung eine möglichst preisgünstige Versorgung gewährleisten muss.

8.

a)

Der Grundversorger darf im Bereich der Grundversorgung aufgrund seiner gesetzlichen Tarifbestimmungspflicht keine Tarife bestimmen, die deshalb gesetzwidrig sind, weil sie dessen gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 1, 2 EnWG widersprechen.

b)

Der Grundversorger darf im Bereich der Grundversorgung keine Tarife zur Abrechnung stellen, die deshalb gesetzwidrig sind, weil sie dessen gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 1, 2 EnWG widersprechen.

c)

Der Grundversorger darf im Bereich der Grundversorgung mit einzelnen Kunden keine individuellen Preisvereinbarungen treffen, § 36 Abs. 1 EnWG.

d)

Der Grundversorger darf im Bereich der Grundversorgung mit einzelnen Kunden insbesondere keine Preise individuell vereinbaren, die gesetzwidrig sind, weil sie der gesetzlichen Verpflichtung des Grundversorgers aus §§ 1, 2 EnWG widersprechen.

9.

Die Billigkeitskontrolle der infolge gesetzlicher Tarifbestimmungspflicht getroffenen Tarifbestimmung des Grundversorgers richtet sich nach § 315 Abs. 3 BGB.

Diese kann gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB nur ergeben, dass die getroffene Tarifbestimmung entweder der Billigkeit entspricht und deshalb für die betroffenen Kunden ohne weiteres verbindlich ist oder nicht der Billigkeit entspricht und deshalb für die betroffenen Kunden ohne weiteres unverbindlich ist.

Ist sie unverbindlich, kann nach der gesetzlichen Regelung des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB eine gerichtliche Ersatzbestimmung getroffen werden.
Dies setzt einen entsprechenden Antrag an das ordentliche Gericht voraus (Klageantrag gem. § 308 ZPO).

Bis zur Rechtskraft des entsprechenden Gestaltungsurteils verbleibt es dabei, dass das Versorgungsunternehmen keinen durchsetzbaren Zahlungsanspruch gegen den Kunden hat (BGH X ZR 60/04 unter II.1).

10.

Der betroffene Kunde kann selbst nicht erkennen, ob die gesetzlich geschuldete Tarifbestimmung des Versorgers unter Beachtung von §§ 1, 2 EnWG in gesetzmäßiger Weise getroffen wurde, der Billigkeit entspricht oder jedoch eine gesetzwidrige Tarifbestimmung vorliegt, die gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB zur Unverbindlichkeit und Nichtschuld im Sinne des § 812 BGB führt.

11.

Erkennt der Versorger, dass seine gesetzlich geschuldete Tarifbestimmung bisher in gesetzwidriger Weise getroffen wurde, weil sie ihm und nicht den Kunden vorteilhaft ist, so ist er gesetzlich verpflichtet, für die Zukunft schnellstmöglich eine neue Tarifbestimmung zu treffen, die tatsächlich seiner gesetzlichen Verpflichtung entspricht.

12.

Für die Zeit davor ist er wegen § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht mehr berechtigt, die unbilligen Tarife von den Kunden weiter zu fordern.
Er kann nur eine gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB beantragen.

Schlag 13.

a)

Stellt der gesetzlich zur Tarifbestimmung verpflichtete Versorger seinen betroffenen Kunden weiter unbillige Tarife zur Abrechnung, deren Unbilligkeit und Unverbindlichkeit er bzw. dafür besonders verantwortliche Mitarbeiter erkannt haben, lässt man alles wie bisher weiter laufen, so kann darin eine Betrugsstrafbarkeit begründet liegen.

b)

Eine Beteiligung an der Haupttat der Verantwortlichen durch Compliance Officers des Unternehmens und andere juristische Berater ist möglich. Wurden externe sachverständige Berater vom Versorger mit der Beurteilung der Billigkeit der getroffenen Tarifbestimmung besonders beauftragt, können diese in diejenige Garantenstellung einrücken, welche die Strafbarkeit begründet (Ingerenz).


Bitte lassen Sie kontrollieren, ob die aufgrund gesetzlicher Preisbestimmungspflicht in Ihrem Konzern getroffenen Preisbestimmungen mit der gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1 , 1 Abs. 1 EnWG tatsächlich im Einklang stehen und den betroffenen Kunden tatsächlich eine möglichst preisgünstige leitungsgebundene Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen gewährleisten oder nicht doch vielleicht gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB für die betroffenen Kunden bis zur gerichtlichen Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB unverbindlich sind.

Sichergestellt werden muss jedenfalls, dass gegenüber den betroffenen Kunden nicht etwa infolge von § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB eine Nichtschuld im Sinne des § 812 BGB zur Abrechnung gestellt wird, was nach der Rechtsprechung des BGH eine Betrugsstrafbarkeit zur Folge haben kann (BGH 5 StR 394/08].

Auch soweit in Sonderverträgen Preisänderungsklauseln für unwirksam erklärt wurden, dürfen die unwirksam einseitig erhöhten Preise den Kunden nicht mehr zur Abrechnung gebracht werden, da auch insoweit eine Nichtschuld vorliegt.

Bitte informieren Sie mich über das Ergebnis der entsprechenden internen Kontrollen.

Weitere Hintergründe können Sie hier lesen:   Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?





Freundliche kollegiale Grüße



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline RR-E-ft

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Zitat
StGB § 263

Ein Irrtum im Sinne des § 263 StGB liegt schon dann vor, wenn der Anspruchsverpflichtete tatsächlich davon ausgeht, eine Abrechnung sei ordnungsgemäß vollzogen worden, auch wenn er deren Grundlagen nicht kennt.

BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 – 5 StR 394/08

Zitat
StGB § 13 Abs. 1

Den Leiter der Innenrevision einer Anstalt des öffentlichen Rechts kann eine Garantenpflicht treffen, betrügerische Abrechnungen zu unterbinden.

BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 – 5 StR 394/08

Grundversorger nehmen einen öffentlichen Versorgungsauftrag wahr.

Sie trifft eine besondere gesetzliche Preisbestimmungspflicht im Interesse der Allgemeinheit.

Ihre Kunden müssen sich darauf verlassen können, dass die Abrechnungen, deren Grundlagen sie nicht kennen können, ordnungsgemäß erfolgen.

Dies betrifft auch die Tarifbildung des Versorgers, die für die Kunden meist verborgen bleibend jedenfalls in gesetzmäßiger Weise erfolgen muss.

Besonders Stadtwerke können betroffen sein.

Lesen:

BGH, Urt. v. 17.07.09 Az. 5 StR 394/08

BGH, B. v. 09.06.09 Az. 5 StR 394/08

BBH-Blog: Unternehmensjuristen in der Zange

Jedem Versorger soll die Chance gegeben werden, selbst noch einmal Nachschau zu halten, ob es nicht doch im Interesse der Kunden entsprechend der gesetzlichen Verpflichtung noch preisgünstiger geht, bevor andere kommen. Möglicherweise wurde die Eigenkontrolle bisher sträflich vernachlässigt.

10.Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes und Bundesnetzagentur sind unterrichtet.

Offline jroettges

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Schöner Knaller.  Ob die aber wirklich zucken? =)

Mich würde es nicht wundern, wenn demnächst die ersten Grundversorger nach der Wiedereinführung einer Genehmigungspflicht für die Grundversorgungspreise oder deren Regulierung durch die BNA rufen.

Zumindest werden sie aber klare Regeln für die Preisfindung verlangen, denn wer will sich schon auf so glattem Eis bewegen.

Offline RR-E-ft

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Es ist alles so prägnant auf den Punkt gebracht, wie es sich für eine Vorstandsvorlage gehört.

Nicht noch lange diskutieren, sondern zur Tat schreiten.
Sie wollen doch sicher Ihrem Versorger auch noch eine Chance geben.

Denn womöglich können Sie sich nicht sicher sein, dass dieser bisher seine gesetzlichen Verpflichtungen tatsächlich auch eingehalten hat.

Offline RR-E-ft

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Offline RR-E-ft

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Zitat
Original von RR-E-ft

Es geht darum, mit und in den Unternehmen nachweislich die Korrespondenz zu schaffen, die überhaupt erst belegt und darüber Aufschluss erbringt, ob und wie die Einhaltung gesetzlicher Verpflichtungen bei der Tarifbildung von den dafür besonders Verantwortlichen kontrolliert wurde oder aber möglicherweise ein strafrechtlich relevantes Unterlassen bei diesen vorliegt.

Es geht um die Schaffung von entsprechenden Beweismitteln, wobei es den dafür besonders Verantwortlichen selbst in die Hand gelegt wird, ob sie nunmehr diese selbst belastendes oder diese entlastendes Beweismittel schaffen.

Man sollte wohl Vertrauen darin haben können, in welche Richtung danach eher Beweismittel von den dafür besonders persönlich Verantwortlichen geschaffen wird.

Die so geschaffenen Beweismittel lassen sich jedenfalls zu gegebener Zeit durch dazu besonders Befähigte ggf. sichten und bewerten. Am Ende werden es jedenfalls wieder Volljuristen sein, welche (ggf. sachverständig unterstützt durch Wirtschaftsprüfer) die gewonnenen Beweismittel ggf. sichten und bewerten.



Bei der BSR konnte es nur deshalb zu den betrügerischen Abrechnungen kommen, weil die internen Kontrollen versagten. Davor ist kein Unternehmen gefeit, insbesondere, wenn verantwortliche Manager \"bonusgefixt\" sind. Dies zu verhindern, ist Aufgabe unter anderem der Compliance Officers, die dafür ganz eigene strafrechtliche Verantwortung trifft. Gestärkt werden muss deshalb die interne Kontrolle in den Unternehmen selbst.

 

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