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Autor Thema: Grundversorger <-> Netzbetreiber  (Gelesen 10154 mal)

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Offline Black

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Grundversorger <-> Netzbetreiber
« Antwort #15 am: 13. Januar 2011, 18:50:36 »
Ich fasse das noch einmal zusammen:

Sie möchten also, dass der örtliche Netzbetreiber die Grundversorgung anbieten muss, aber ansonsten keine Sonderverträge mit seinen Kunden abschließen darf.

\"Lieferanten\" dagegen wäre von der Grundversorgung ausgeschlossen und müßten versuchen dem \"Netzbetreiber-Grundversorger\" die Kunden \"abzujagen\".

Wo war da nochmal für wen der Vorteil?
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Grundversorger <-> Netzbetreiber
« Antwort #16 am: 13. Januar 2011, 20:51:37 »
Logischerweise betätigen sich Unternehmen im Rahmen der Vertragsfreiheit auch als Lieferant von Strom und Gas nur, weil sie sich davon Gewinn versprechen. Sonst würde es schon niemand machen.

Man kann sich dabei auf Großkunden konzentrieren oder auch Kleinkunden als Zielgruppe ansprechen.
Kann jeder halten, wie er möchte. Alles kann. Nichts muss.

Die Unternehmen werden sich mit ihrer wirtschaftlichen Betätigung auf die Bereiche konzentrieren, in denen sie sich den größtmöglichen Gewinn versprechen.

Die Kundengewinnung ist zunächst mit Aufwand verbunden, weil man die Kunden ansprechen und sie administrativ verwalten muss. Das kostet Geld.

Die Kosten für die Gewinnung eines Großkunden fallen im Verhältnis zum erwarteten Gewinn durch dessen Belieferung weit geringer aus als bei Kleinkunden. Bei Kleinkunden kann sich das Verhältnis zu Beginn einer Lieferbeziehung schwierig gestalten. Die Kosten der Kundengewinnung müssen ja wieder eingespielt werden. Das gestaltet sich  schwierig, wenn sich ein solcher Kunde kurzfristig wieder aus dem Vertragsverhältnis lösen kann und wegen seiner Wechselaffinität auch wechseln wird.

Über Skaleneffekte verspricht man sich Besserung durch einen möglichst großen Kundenkreis, den es schnell zu gewinnen gilt. Mit der absatzseitigen Energiemenge steigt schließlich auch die Verhandlungsmacht bei der Energiebeschaffung, was sich wiederum auf die Beschaffungskosten günstig auswirkt.

Bei Haushaltskunden sind deshalb Anbieter zu beobachten mit Schneeballsystemen, Vorkasse und und und, die dem Kunden oftmals auf Dauer keine möglichst sichere Versorgung gewährleisten können.

Es kann sogar dazu kommen, dass der Markt für die Belieferung von Kleinkunden zusammenbricht, weil sich keiner mit diesem Marktsegment behängen möchte, wenn er die Möglichkeit hat, mit geringerem Aufwand profitabler die Großkunden zu bedienen und sich deshalb mit seinen Vertriebsaktivitäten ausschließlich auf diese fokussiert.

Die EU- Richtlinien sahen diese Gefahr von Anfang an. Und deshalb wurde ein besonderer Schutz für Kleinkunden vorgesehen, der in Deutschland durch die gesetzliche Grund- und Ersatzversorgung gewährleistet wird. (O.K. Ersatzversorgung könnte auch Bayer Leverkusen oder BASF Ludwigshafen betreffen, wenn es mal dumm laufen sollte.)

Damit ist die Versorgung dieser Kundengruppe möglichst sicher. Sie soll jedoch nicht nur möglichst sicher, sondern auch möglichst preisgünstig und effizient sein. Es folgt - man denkt es sich schon - Fricke´s Mantra: Und deshalb die gesetzliche Preisbestimmungspflicht der Grundversorger.....

Weil dies alles so ist, soll  ein Netzbetreiber selbst kein  Grundversorger sein.

Natürlich hat auch ein Grundversorger ein Interesse daran, seinen Kundenstamm zu behalten, weil dieser bares Geld wert ist.

Er muss nicht erst, wie neue Lieferanten in die Gewinnung einer neuen Kundenbeziehung Geld investieren. Verliert er jedoch einen Kunden an einen Wettbewerber und wollte er ihn hiernach wieder zurückgewinnen (um an dessen Energiebelieferung wieder Geld zu verdienen, denn nur darum geht es), müsste er die gleichen Kosten für die Kunden(rück-)gewinnung aufwenden, wie sie sonst auf dem Markt zu verzeichnen sind.

Und deshalb hat jeder Grundversorger ein Interesse daran, seinen Kundenstamm zusammen zu halten. Schließlich macht auch dabei die kumulierte Energieabsatzmenge die Verhandlungsmacht auf der Energiebeschaffungsseite aus. Und natürlich geht es auch dabei um ökonomische Skaleneffekte.

Bisher hilft den Grundversorgern beim Zusammenhalt des aus Monopolzeiten ererbten Kundenstamms immer auch noch die Trägheit der Kundschaft. Während andere, die Kunden neu gewinnen wollen, teure Werbung betreiben müssen und als Prämie für Neukunden dies und das dazu geben müssen, machen Grundversorger oft nur das, was sie schon immer taten, sicher versorgen und abrechnen zu hohen Preisen.    

Es gibt bisher eine Ausnahme von der gesellschaftsrechtlichen Entflechtung für Versorger mit weniger als 100.000 Kunden (sog. de minimis- Regelung), bei denen nur eine informationelle Entflechtung gefordert ist. Der Netzbetreiber verfügt über sensible Kundendaten wie Lastprofile und und und und hätte damit für seinen Vertrieb einen erheblichen Informationsvorsprung gegenüber allen Wettbewerbern.

Auch dies soll nicht sein und deshalb müssen auch bei diesen de-minimis- Versorgern intern Firewalls eingezogen sein, die einen Informationsfluss vom Netzbetrieb an die Vertriebsabteilung sicher ausschließen.

Woher sollte man das auch wissen, wenn man noch nie das Innenleben eines integrierten Energieversorgers erlebt und gesehen hat, was dort unmittelbar in den Jahren nach der Marktliberalisierung 1998 vor sich ging.

Ohne diese Kenntnisse könnte man vielleicht auf solche Ideen kommen und darauf verfallen, eine staatliche Tarifaufsicht (wie früher nach § 12 BTOElt) würde es richten können.

Kein Kleinkunde wechselt wegen einer Kleckerersparnis von 5 € im Jahr Vertrag oder Lieferant. Die dafür von Marktforschern ermittelte erforderliche jährliche Ersparnis beträgt X. Zudem enstehen für die Kundenneugewinnung für jeden einzelnen Kleinkunden ebenso ermittelte Kosten in Höhe von Y.

Ein neuer Anbieter muss deshalb mindestens um X+Y kostengünstiger arbeiten als ein etablierter Versorger um mindestens ebenso profitabel zu sein (die Energieabsatzmenge und die damit verbundene Verhandlungsmacht beim Energieeinkauf  wie auch die ökonomischen Skaleneffekte wird er sehr lange Zeit  nicht erreichen können, manchmal nie). Hat ein neuer Anbieter von einem etablierten Versorger Kleinkunden abgerungen und will der etablierte Versorger einen solchen Kunden zurückholen, sieht er sich wohl selbst mit dem Problem X+Y konfrontiert.

bne beklagt die Probleme aus Interessen- und Loyalitätskonflikten der Netzbetreiber durch bisher ungenügende Entflechtung:

http://www.verivox.de/nachrichten/bundesverband-neuer-energieanbieter-kritisiert-eon-edis-ag-60190.aspx

Offline DieAdmin

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Grundversorger <-> Netzbetreiber
« Antwort #17 am: 14. Januar 2011, 09:02:47 »
Zitat
Original von RR-E-ft

....
Vielleicht kann Evitel2004 die letzten Beiträge verschieben nach...

 Grundversorger <-> Netzbetreiber

Da hätte ich gern ein Link-Liste der Beiträge die umgehangen werden sollen/können dürfen.

Offline Netznutzer

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Grundversorger <-> Netzbetreiber
« Antwort #18 am: 14. Januar 2011, 18:49:39 »
Ein Netzbetreiber liefert keine Energie an Letztverbraucher, der Netzbetreiber bestimmt der Grund/Ersatzversorger. Es gibt bereits ein Netz, wo Lichtblick der Grundversorger ist

http://www.eon-hanse.com/pages/eha_de/Netz/Gasnetz/Grundversorger/index.htm

Gruß

NN

Offline jroettges

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Grundversorger <-> Netzbetreiber
« Antwort #19 am: 14. Januar 2011, 19:37:53 »
Alle Energie kommt bei den Kunden aus den Leitungen des Netzbetreibers. Der muss auch die erforderliche Regelenergie aufbringen, damit im Netz stabile Spannung- bzw. Druckverhältnisse garantiert bleiben.

Die Lieferung von Energie durch einen Versorger, ob Grund-, Ersatz- oder Sonderversorger, beruht auf virtuellen Rechnungen.

Beim Strom, der ja nicht stofflich ist, ist das Ganze ein komplett virtueller Handel. Auch wenn man zB. Ökostrom bezieht, kommt aus der Leitung des Netzbetreiber nur das in Deutschland übliche Gemisch.

Beim Gas muss ein Versorger die Menge des von ihm abgesetzten Gases entweder  irgendwo selbst in das Netz einspeisen oder von einem der Gaslieferanten einspeisen lassen, natürlich mit entsprechenden Kosten.

Offline RR-E-ft

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Grundversorger <-> Netzbetreiber
« Antwort #20 am: 15. Januar 2011, 20:34:51 »
Zitat
Original von jroettges

Beim Strom, der ja nicht stofflich ist, ist das Ganze ein komplett virtueller Handel. Auch wenn man zB. Ökostrom bezieht, kommt aus der Leitung des Netzbetreiber nur das in Deutschland übliche Gemisch.

Wirklich? Was ist denn das in Deutschland übliche Gemisch?

Ist es nicht eher so, dass der Strom aus der im Netz jeweils nächstgelegenen Stromerzeugungsanlage stammt?

Kein Argument für die These, entgegen § 36 Abs. 2 EnWG solle besser der jeweilige Netzbtreiber immer der  Grundversorger sein.

Offline jroettges

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Grundversorger <-> Netzbetreiber
« Antwort #21 am: 16. Januar 2011, 00:04:51 »
Im Netz wird durch Kraftwerke Spannung erzeugt. Wie etwa die Erhöhung von Druck in einem Wassernetz durch eine angeschlossene Pumpe.

Da hört aber schon die Vergleichsmöglichkeit auf. Während die Wassermoleküle letztlich nur die Richtung zum Ausfluss nehmen können, jagen die Elektronen in unserem Netz lediglich hin und her, mit 50 Hz. Sie legen dabei nur die Wege zurück, die durch die Wellenlänge bei 50 Hz bestimmt sind.  Hin und her, aber mit annähernd Lichtgeschwindigkeit. Wo die einzlnenen Ladungsträger dabei hinflutschen ist in den Netzen weder mess- noch kontrollierbar.

Es gibt also physikalisch gesehen keinen \"Strom\" der wie Wasser fließt, sondern nur eine bestimmte Menge an Hin und Her, die durch die anliegende Spannung und den Widerstand bestimmt ist, der sich diesem Hin und Her widersetzt.

Zugegeben eine ziemlich unwissentschaftliche Erklärung, die aber hoffentlich verständlich ist.  ;)

Offline Jagni

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Grundversorger <-> Netzbetreiber
« Antwort #22 am: 16. Januar 2011, 16:39:36 »
Offenbar sind wir im  Energieversorgungsbereich mit der Trennung des Vertriebs vom Netz an einem Entflechtungsende angelangt, wobei diese Entflechtung noch nicht konsequent zu Ende gebracht wurde und noch immer  alte Seilschaften bestehen, die den Versorgerwechsel behindern. Das scheint aber nicht das Problem zu sein, das jroettges umtreibt.

Auch wenn das Problem der halbherzigen Entflechtung einmal gelöst sein wird, kann man heute schon erkennen, dass die Versorger mit ihrer Doppelfunktion nicht zurechtkommen. Möglicherweise sind sie unfähig, vielleicht aber auch nur unwillig, sowohl den Gesetzmäßigkeiten einer  Grundversorgung (Daseinsvorsorge) als auch den Gesetzmäßigkeiten eines wettbewerbsorientierten Marktes zu folgen, sie von einander getrennt zu halten und beiden Versorgungsbereichen gerecht zu werden, so wie sie vom Gesetz dazu verpflichtet sind. Nach heutigem Sprachgebrauch müsste man wohl sagen, dass die Versorger von ihrer Doppelfunktion „überfordert“ werden. Sie können diese beiden Aufgaben in einem „Kopf“ nicht bewältigen und geraten in einen Interessenskonflikt, den sie in ihrem ureigensten Sinne lösen.

Als professionelle Marktplayer folgen die Versorger dem ihnen innewohnenden natürlichen Egoismus und holen aus dem jeweiligen Versorgungszweig das aus ihrer Sicht Beste heraus, beispielsweise aus der Grundversorgung ein Preisanpassungsrecht, das ihrem kommerziellen Interesse entgegenkommt und hilft, bei den Sonderverträgen die Preise möglichst kontrollfrei zu hieven. Auch die Konstruktion eines vereinbarten Preises in der Grundversorgung wäre so ein Beispiel für diese Vorteilssuche. Dabei finden sie auch noch Unterstützung bei unserer obersten Gerichtsbarkeit.

Wenn die Grundversorgung aus dem kommerziellen Interesse der Versorger heraus einmal so ausgehöhlt sein wird, dass nur noch wenige \"Einhörner\" dort herumlaufen, haben die Versorger ihr Ziel erreicht. Das dann weit überwiegende, im Rahmen der Vertragsfreiheit abzuwickelnde Versorgungsgeschäft wird von einem Preisänderungsrecht dirigiert, das in diesem Versorgungsbereich nichts zu suchen hat. Gleichzeitig ist es den Versorgern gelungen, gewissermaßen als Nebenprodukt, den Verbraucherschutz einzuebnen. Im Volksmund würde man dazu sagen, dass der Bock zum Gärtner gemacht wurde.

Immer dann, wenn man die Daseinsvorsorge in die Hände von Kommerzialisten legt, müssen  Argumente die Begründung dazu liefern. Sie besagen, dass die cleveren marktorientierten Player durch permanente Kostenoptimierung und Ausnutzung aller verfügbaren Marktressourcen dem Kundennutzen am besten dienen können. Insbesondere deswegen, weil der Wettbewerb ein Höchstmaß an Effizienz hervorkehrt, die dem Kunden verfügbar gemacht wird,  – ihm zufließt. Kein anderes als ein markwirtschaftlich orientiertes Management sei dazu fähig. Die Beweisführung für solche Behauptungen steht aus. Sie wird auch nicht gelingen, wenn die Preise nur einen Weg kennen, den nach oben. Auf dieser Basis wird aber Outsourcing betrieben.

Wenn die Versorger tatsächlich überfordert sind, diese komplizierte Zweisamkeit zu beherrschen, eine weitere Entflechtung nicht mehr möglich ist, weil man niemanden mehr findet, der eine Aufgaben der Daseinsvorsorge übernimmt, bei der die Zweckerfüllung vor dem Wirtschaftlichkeitsprinzip rangiert, oder beide zumindest in einem ständigen Spannungsverhältnis stehen, dann muss man den Versorgern bei ihrer schwierigen Aufgabe helfen!

Eine Therapie muss her!

Aber nicht nur für die Versorger, sondern auch für die, die ihnen helfen, diesen fehlgeleiteten kommerziellen Einheitsbrei aus zwei sachlich getrennten Versorgungszweigen herzustellen.

Die dialektische und erkenntnistheoretische Umwandlung des in der Grundversorgung erkannten Preisänderungsrechts zu einer Preisänderungspflicht ist dabei ebenso ein Anfang, wie der eingeschlagene Weg zum EuGH.

Gruß
Jagni

Offline jroettges

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Grundversorger <-> Netzbetreiber
« Antwort #23 am: 16. Januar 2011, 19:58:26 »
@jagni

Dank für den sachlichen Beitrag.

Ich bin ebenfalls davon überzeugt, dass die Rollen auf dem Energiemarkt noch nicht abschließend entflochten und geklärt sind, mal ganz abgesehen von den juristischen Aspekten.

 

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