Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Grundversorger <-> Netzbetreiber

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RR-E-ft:

--- Zitat ---Original von jroettges

Beim Strom, der ja nicht stofflich ist, ist das Ganze ein komplett virtueller Handel. Auch wenn man zB. Ökostrom bezieht, kommt aus der Leitung des Netzbetreiber nur das in Deutschland übliche Gemisch.
--- Ende Zitat ---

Wirklich? Was ist denn das in Deutschland übliche Gemisch?

Ist es nicht eher so, dass der Strom aus der im Netz jeweils nächstgelegenen Stromerzeugungsanlage stammt?

Kein Argument für die These, entgegen § 36 Abs. 2 EnWG solle besser der jeweilige Netzbtreiber immer der  Grundversorger sein.

jroettges:
Im Netz wird durch Kraftwerke Spannung erzeugt. Wie etwa die Erhöhung von Druck in einem Wassernetz durch eine angeschlossene Pumpe.

Da hört aber schon die Vergleichsmöglichkeit auf. Während die Wassermoleküle letztlich nur die Richtung zum Ausfluss nehmen können, jagen die Elektronen in unserem Netz lediglich hin und her, mit 50 Hz. Sie legen dabei nur die Wege zurück, die durch die Wellenlänge bei 50 Hz bestimmt sind.  Hin und her, aber mit annähernd Lichtgeschwindigkeit. Wo die einzlnenen Ladungsträger dabei hinflutschen ist in den Netzen weder mess- noch kontrollierbar.

Es gibt also physikalisch gesehen keinen \"Strom\" der wie Wasser fließt, sondern nur eine bestimmte Menge an Hin und Her, die durch die anliegende Spannung und den Widerstand bestimmt ist, der sich diesem Hin und Her widersetzt.

Zugegeben eine ziemlich unwissentschaftliche Erklärung, die aber hoffentlich verständlich ist.  ;)

Jagni:
Offenbar sind wir im  Energieversorgungsbereich mit der Trennung des Vertriebs vom Netz an einem Entflechtungsende angelangt, wobei diese Entflechtung noch nicht konsequent zu Ende gebracht wurde und noch immer  alte Seilschaften bestehen, die den Versorgerwechsel behindern. Das scheint aber nicht das Problem zu sein, das jroettges umtreibt.

Auch wenn das Problem der halbherzigen Entflechtung einmal gelöst sein wird, kann man heute schon erkennen, dass die Versorger mit ihrer Doppelfunktion nicht zurechtkommen. Möglicherweise sind sie unfähig, vielleicht aber auch nur unwillig, sowohl den Gesetzmäßigkeiten einer  Grundversorgung (Daseinsvorsorge) als auch den Gesetzmäßigkeiten eines wettbewerbsorientierten Marktes zu folgen, sie von einander getrennt zu halten und beiden Versorgungsbereichen gerecht zu werden, so wie sie vom Gesetz dazu verpflichtet sind. Nach heutigem Sprachgebrauch müsste man wohl sagen, dass die Versorger von ihrer Doppelfunktion „überfordert“ werden. Sie können diese beiden Aufgaben in einem „Kopf“ nicht bewältigen und geraten in einen Interessenskonflikt, den sie in ihrem ureigensten Sinne lösen.

Als professionelle Marktplayer folgen die Versorger dem ihnen innewohnenden natürlichen Egoismus und holen aus dem jeweiligen Versorgungszweig das aus ihrer Sicht Beste heraus, beispielsweise aus der Grundversorgung ein Preisanpassungsrecht, das ihrem kommerziellen Interesse entgegenkommt und hilft, bei den Sonderverträgen die Preise möglichst kontrollfrei zu hieven. Auch die Konstruktion eines vereinbarten Preises in der Grundversorgung wäre so ein Beispiel für diese Vorteilssuche. Dabei finden sie auch noch Unterstützung bei unserer obersten Gerichtsbarkeit.

Wenn die Grundversorgung aus dem kommerziellen Interesse der Versorger heraus einmal so ausgehöhlt sein wird, dass nur noch wenige \"Einhörner\" dort herumlaufen, haben die Versorger ihr Ziel erreicht. Das dann weit überwiegende, im Rahmen der Vertragsfreiheit abzuwickelnde Versorgungsgeschäft wird von einem Preisänderungsrecht dirigiert, das in diesem Versorgungsbereich nichts zu suchen hat. Gleichzeitig ist es den Versorgern gelungen, gewissermaßen als Nebenprodukt, den Verbraucherschutz einzuebnen. Im Volksmund würde man dazu sagen, dass der Bock zum Gärtner gemacht wurde.

Immer dann, wenn man die Daseinsvorsorge in die Hände von Kommerzialisten legt, müssen  Argumente die Begründung dazu liefern. Sie besagen, dass die cleveren marktorientierten Player durch permanente Kostenoptimierung und Ausnutzung aller verfügbaren Marktressourcen dem Kundennutzen am besten dienen können. Insbesondere deswegen, weil der Wettbewerb ein Höchstmaß an Effizienz hervorkehrt, die dem Kunden verfügbar gemacht wird,  – ihm zufließt. Kein anderes als ein markwirtschaftlich orientiertes Management sei dazu fähig. Die Beweisführung für solche Behauptungen steht aus. Sie wird auch nicht gelingen, wenn die Preise nur einen Weg kennen, den nach oben. Auf dieser Basis wird aber Outsourcing betrieben.

Wenn die Versorger tatsächlich überfordert sind, diese komplizierte Zweisamkeit zu beherrschen, eine weitere Entflechtung nicht mehr möglich ist, weil man niemanden mehr findet, der eine Aufgaben der Daseinsvorsorge übernimmt, bei der die Zweckerfüllung vor dem Wirtschaftlichkeitsprinzip rangiert, oder beide zumindest in einem ständigen Spannungsverhältnis stehen, dann muss man den Versorgern bei ihrer schwierigen Aufgabe helfen!

Eine Therapie muss her!

Aber nicht nur für die Versorger, sondern auch für die, die ihnen helfen, diesen fehlgeleiteten kommerziellen Einheitsbrei aus zwei sachlich getrennten Versorgungszweigen herzustellen.

Die dialektische und erkenntnistheoretische Umwandlung des in der Grundversorgung erkannten Preisänderungsrechts zu einer Preisänderungspflicht ist dabei ebenso ein Anfang, wie der eingeschlagene Weg zum EuGH.

Gruß
Jagni

jroettges:
@jagni

Dank für den sachlichen Beitrag.

Ich bin ebenfalls davon überzeugt, dass die Rollen auf dem Energiemarkt noch nicht abschließend entflochten und geklärt sind, mal ganz abgesehen von den juristischen Aspekten.

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