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RA: Stromanbieter berechtigt zur einseitigen Preiserhöhung

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jan_pb:
Hallo,
ich habe momentan einen Rechtsstreit mit dem hiesigen Stromanbieter, bei dem ich 4 Jahre lang regelmäßig Einspruch gegen Strompreiserhöhung eingelegt habe, und wie auf der Seite empfohlen eigene Abschlagszahlungen berechnet und gezahlt habe. Diese hat jetzt einen Rechtsanwalt beauftragt mit der Forderung zur Nachzahlung.

Ich habe einen Fachanwalt für Energierecht konsultiert, und nach eingehende Prüfung aller Unterlagen und der aktuellen Rechtslage hat man mir geraten, alles zu bezahlen. Der Grund: Seit 2007 BGH Rechtssprechung sind die Stromanbieter berechtigt, einseitige Preiserhöhung vorzunehmen, und die §315 Billigkeitskontrolle gilt hier nicht. Man kann jederzeit wechseln wenn einem die Preiserhöhung nicht passt.

Ich habe keinen sondervertrag, sondern einen standardvertrag Strom. Es geht hier NUR um Strom.

Wenn das der Fall ist, verstehe ich nicht ganz wieso auf der Seite hier empfohlen wird, der Preiserhöhung (auch strom) zu widersprechen.

RR-E-ft:
Es muss wohl davon ausgegangen werden, dass der konsultierte Kollege nicht den umfassenden Überblick über die jüngste Rechtsprechung des BGH in Bezug auf § 315 BGB zu Energiepreisen für Strom und Gas hat und deshalb leider unzutreffend beraten hat. Fachanwalt für Energierecht wird der konsultierte Kollege wohl nicht sein, weil es einen solchen gar nicht gibt. Ich selbst  habe nach meiner juristischen Ausbildung und Tätigkeit in der Energiewirtschaft (Rechtsabteilung eines Konzernunternehmens) einen starken energiewirtschaftsrechtlichen Schwerpunkt im Rahmen meiner anwaltlichen Tätigkeit.

Es ist beim Strom nicht anders als beim Gas.

Siehe hier.

Bei einseitigem Leistungsbestimmungsrecht trifft den Versorger nach Vertragsabschluss auch die Rechtspflicht zur Preisanpassung zugunsten der Kunden.

Die Möglichkeit des Wechsels ändert hiernan nichts. Dem Kunden muss die Billigkeitskontrolle gerade auch zur Verfügung stehen, wenn er wechseln kann (BGH VIII ZR 56/08 Rn. 36, VIII ZR 246/08 Rn. 41, 44).

Der konsultierte Kollege mag aus BGH, Urt. v. 28.03.07 VIII ZR 144/06 den falschen Schluss gezogen haben, dass Strompreise bei der Grundversorgung keiner Billigkeitskontrolle mehr unterliegen. Dies gilt jedoch nur für vereinbarte Anfangspreise, nicht aber für Preisänderungen aufgrund eines gesetzlichen/ vertraglichen einseitigen Leistungsbestimmungsrechts (BGH VIII ZR 144/06 Rn. 16, 18; VIII ZR 56/08 Rn. 20). Auch eine behördliche Tarifgenehmigung schließt die Billigkeitskontrolle nicht aus (BGH, Urt. v. 02.10.1991 VIII ZR 240/90 = NJW-RR 1992, 183, 184 unter III 2 e).


--- Zitat ---BGH Urt. v. 28.03.07 VIII ZR 144/06 Rn. 16

Anders mag es dagegen bei Preiserhöhungen liegen, die ein Versorgungsunternehmen im Rahmen eines bereits abgeschlossenen Vertrages gemäß § 4 Abs. 1, 2 AVBEltV vornimmt, weil diese einseitig in Ausübung eines gesetzlichen Leistungsänderungsrechts erfolgen. Darum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht.
--- Ende Zitat ---

Dass es dann anders liegt, die Billigkeitskontrolle unmittelbare Anwendung findet, hat der BGH in nachfolgenden Entscheidungen geklärt (BGH, Urt. v. 13.06.07 VIII ZR 36/06 Rn. 17; Urt. v. 19.11.08 VIII ZR 138/07, Urt. v. 08.07.09 VIII ZR 314/07; Urt. v. 15.07.09 VIII ZR 56/08 Rn. 20; Urt. v. 14.07.10 VIII ZR 246/08 Rn. 44).



Merke:

Ist der Versorger zu einseitigen Preisänderungen berechtigt, dann trifft ihn immer auch die Rechtspflicht zu Preisanpassungen zugunsten der Kunden nach Vertragsabschluss und die gestzliche Verpflichtung, die der Billigkeit entsprechenden jeweiligen Allgemeinen Preise einseitig festzusetzen, öffentlich bekannt zu geben und ausschließlich zu diesen Haushaltskunden in der Grundversorgung zu beliefern, weshalb diese jeweiligen Allgemeinen Preise der Billigkeitskontrolle unterliegen (BGH VIII ZR 56/08 Rn. 20).

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Versorger entgegen gesetzlicher Verpflichtung Preisabsenkungen infolge stark rückläufiger Großhandelspreise für Strom unterlassen und sich dadurch sogar strafbar gemacht haben kann.

ESG-Rebell:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Es muss wohl davon ausgegangen werden, dass der konsultierte Kollege nicht den umfassenden Überblick über die jüngste Rechtsprechung des BGH in Bezug auf § 315 BGB hat.
--- Ende Zitat ---
@jan_bp
Wenn Sie einige Angaben in Ihrem Profil ergänzen würden, insbesondere Ihren Wohnort, dann könnten sich Forenmitglieder in Ihrer Nachbarschaft veranlasst fühlen, Ihnen konkrete Ratschläge auch und insbesondere zu erfahrenen Rechtsanwälten zu geben.

Gruss,
ESG-Rebell.

RR-E-ft:
Wie auf unserem RADAR ersichtlich:

Es geht um die Entega mit Sitz in Darmstadt, die sogar mit Versorgungseinstellung hinsichtlich der Stromlieferungen gedroht haben soll.

jan_pb:
Der RA ist sogar aus der Empfehlungsseite von Energieverbraucher hier

http://www.energieverbraucher.de/de/site/Preisprotest/Rechtsanwaelte__1713/

wundert mich umso mehr daß man mich falsch beraten hat.

Nur leider ist das Problem daß ich jetzt wieder am Anfang bin. Hab von der ENTEGA eine rechtsanwaltliche Forderungsschreiben zur Nachzahlung und weiß nicht was ich tun soll. Soll ich einen neuen Anwalt aufsuchen?

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