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Autor Thema: Klagen gegen MKG: Erste Urteile zum Jahresende  (Gelesen 10438 mal)

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Offline Kettner

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Klagen gegen MKG: Erste Urteile zum Jahresende
« am: 26. November 2010, 09:33:35 »
Nach dem Prozessauftakt von klagenden Verbrauchern gegen die Gasversorgung Main-Kinzig am 9. November folgten in dieser Woche zwei weitere Verhandlungstermine, in denen die Verbraucher vom Gasversorger Rückzahlungsansprüche aufgrund der unwirksamen Preisgleitklausel in Sonderverträgen geltend machen.

Im Gegensatz zum ersten Verhandlungstag, in dem sich die Kläger und Beklagten auf die Verhandlung eines Musterverfahrens bei gleichzeitiger ruhendstellung der anderen Verfahren einigten, drangen in den anderen beiden Verhandlungen die Kläger aufgrund der Heterogenität der Klagen auf individuelle Urteile – offensichtlich auch ganz im Sinne der Richter, die ihre Urteile zum Jahresende ankündigten.

Unbestritten blieb der Rückzahlungsanspruch wegen der unwirksamen Preisgleitklausel auch für diejenigen Kunden, die dem Gaspreisstreik untätig zugeschaut und keinen Widerspruch gegen die Preiserhöhungen eingelegt hatten, da der BGH im Juli dieses Jahres dazu klargestellt hatte, daß es bei Rückzahlungsansprüchen auf einen Widerspruch nicht ankäme.

Allerdings griff die Beklagtenseite nach dem Strohhalm des sogenannten obiter dictums dieses BGH-Urteils (über das die AG-Richter auch nicht glücklich sind)(s.a.hier), nach dem das Gericht eine Interessenabwägung vornehmen müsse, wenn die Rückforderungen ein Mißverhältnis zwischen vertraglich vereinbartem Preis und den dem Versorger entstandenen Kosten generieren. Das heißt, es wird nicht mehr über das ob, sondern nur noch über die Höhe der Rückzahlungen zu streiten sein. Nach Ansicht der Klägeranwälte, würde wohl ein Preis vom Gericht festgesetzt, der gerade noch kostendeckend sei. Dies sieht der Versorger ähnlich.

Vor diesem Hintergrund rufen die Energieverbraucher Main-Kinzig noch einmal alle Sondervertragskunden auf, ihre Ansprüche gegen die Gasversorgung Main-Kinzig geltend zu machen.
Dr. Carsten Kettner
65551 Limburg

Offline RR-E-ft

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Klagen gegen MKG: Erste Urteile zum Jahresende
« Antwort #1 am: 26. November 2010, 14:14:50 »
OLG Koblenz, Urt. v. 02.09.10 Az. U 1200/09 Kart beachten.

Es wird nicht leicht, einen angemessenen Gaspreis zu ermitteln.

Zunächst kommt es auf die zutreffende Kostenschlüsselung an OLG Celle, Urt. v. 19.08.10 Az. 13 U 82/07 Unbillige Gastarife (Stadtwerke Hannover)

Ein Gaspreis, der die Kosten deckt, kann immer noch gem. §§ 1, 2 EnWG unbillig sein, wenn es sich um Kosten eines ineffizienten Betriebs handelt (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).
Alle preisbildenden Kostenfaktoren müssen berücksichtigt werden (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39).

Es müsste also die gesamte Preiskalkulation dieses Preises auf den Tisch.

Offline Kettner

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Klagen gegen MKG: Erste Urteile zum Jahresende
« Antwort #2 am: 29. November 2010, 09:28:40 »
@RR-E-ft

Zitat
Ein Gaspreis, der die Kosten deckt, kann immer noch gem. §§ 1, 2 EnWG unbillig sein, wenn es sich um Kosten eines ineffizienten Betriebs handelt (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43). Alle preisbildenden Kostenfaktoren müssen berücksichtigt werden (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39).

Ein guter und wichtiger Hinweis. Wichtig auch insofern, um die Klägervertreter etwas \"einzufangen\" und sich nicht vorzeitig auf eine vermeintlich einfache Lösung einzulassen. Diese Lösung scheint ja offensicht auch der Versorgerseite gut zu gefallen.
Ich bin immer noch der Meinung, und das geht ja auch aus Ihrem Satz

Zitat
Es müsste also die gesamte Preiskalkulation dieses Preises auf den Tisch.

hervor, daß der Versorger zunächst einmal \"die Hosen herunterlassen\" müßte, um über Entschädigungszahlungen zu verhandeln. Hoffentlich sieht es das Gericht auch so...
Dr. Carsten Kettner
65551 Limburg

Offline Gas-Rebell

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Klagen gegen MKG: Erste Urteile zum Jahresende
« Antwort #3 am: 06. Dezember 2010, 15:42:37 »
@ kettner

Zitat
Nach Ansicht der Klägeranwälte, würde wohl ein Preis vom Gericht festgesetzt, der gerade noch kostendeckend sei. Dies sieht der Versorger ähnlich.
Das erstaunt mich doch erheblich, wie man in Gelnhausen allseits (und insbesondere auch klägerseitig) plötzlich auf die Idee kommt, dass der Rückforderungsberechnung ein kostendeckender Preis zugrunde zu legen sei.

Vgl. hier:

Zitat
Das OLG Koblenz hat hinsichtlich des Obiter Dictum des BGH und der Nachteile des Entfalls der Preisanpassungsklausel für den Versorger unter Heranziehung früherer BGH-Rechtssprechung auf das Kriterium der \"Zumutbarkeit\" abgestellt. Auch nicht kostendeckende Preise seien danach für den Versorger nicht notwendigerweise unzumutbar.

Am AG Gelnhausen scheint man (erstaunlicherweise auch die Vertreterin der Kundenseite, Frau RAin Holling), jedoch der Auffassung zu sein, dass dem Versorger ausschließlich ein kostendeckender Preis zumutbar sei und ein nicht kostendeckender jedenfalls nicht. Denn wie sonst erklärt sich der allseitige Ruf nach einem Sachverständigengutachten zur Findung eines kostendeckenden Preises?  

Wären hier nicht vor Anordnung eines Gutachtens für jeden Einzelfall die Umstände zu prüfen, die ggf. auch einen nicht kostendeckenden Preis zumutbar machen könnten?

Insbesondere geht der \"Schuss\" eines kostendeckenden Preises - vor allem, wenn dieser auch noch gutachterlich ermittelt wurde - für die Kläger auch kostenmäßig nach hinten los.

Zitat
Da bei länger zurückliegenden Vertragsabschlüssen (z.B. aus den 90-er Jahren) wohl davon auszugehen ist, dass die jeweiligen Anfangspreise heute in keinem Fall kostendeckend sein werden, würde im Ergebnis jeder Kunde, der es \"wagt\", seine Rückforderungen auf Basis der vertraglichen Anfangspreise einzuklagen, niemals in Gänze obsiegen können, sondern zwangsläufig immer teilunterliegen und damit auch die entsprechende Kostenquote auch des SV-Gutachtens zu tragen haben. Angesichts der Kostenhöhe eines solchen Gutachten würde diesenfalls schon eine geringe Kostenquote zu Lasten des Gaskunden genügen, um dessen Rückerstattungsforderung komplett aufzuzehren oder sogar zusätzliche Kosten verursachen.  

Da würde ich, wenn ich in Gelnhausen Kläger wäre, meine Anwälte doch mal gehörig ins Gebet nehmen, ob sie obige Aspekte nicht glatt übersehen haben.

Offline bolli

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Klagen gegen MKG: Erste Urteile zum Jahresende
« Antwort #4 am: 07. Dezember 2010, 07:45:50 »
Zitat
Original von Gas-Rebell
Zitat
Da bei länger zurückliegenden Vertragsabschlüssen (z.B. aus den 90-er Jahren) wohl davon auszugehen ist, dass die jeweiligen Anfangspreise heute in keinem Fall kostendeckend sein werden, würde im Ergebnis jeder Kunde, der es \"wagt\", seine Rückforderungen auf Basis der vertraglichen Anfangspreise einzuklagen, niemals in Gänze obsiegen können, sondern zwangsläufig immer teilunterliegen und damit auch die entsprechende Kostenquote auch des SV-Gutachtens zu tragen haben. Angesichts der Kostenhöhe eines solchen Gutachten würde diesenfalls schon eine geringe Kostenquote zu Lasten des Gaskunden genügen, um dessen Rückerstattungsforderung komplett aufzuzehren oder sogar zusätzliche Kosten verursachen.  

Da würde ich, wenn ich in Gelnhausen Kläger wäre, meine Anwälte doch mal gehörig ins Gebet nehmen, ob sie obige Aspekte nicht glatt übersehen haben.
Na ja, wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, die die Kostendeckung zugesagt hat, gehen diese Kosten (incl. Gutachten) ja zu deren Lasten und die Rückzahlung stecken Sie selbst ein. Ist doch ein prima Deal.  ;)

Offline Gas-Rebell

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Klagen gegen MKG: Erste Urteile zum Jahresende
« Antwort #5 am: 07. Dezember 2010, 13:08:46 »
Zitat
Original von bolli
Na ja, wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, die die Kostendeckung zugesagt hat, gehen diese Kosten (incl. Gutachten) ja zu deren Lasten und die Rückzahlung stecken Sie selbst ein. Ist doch ein prima Deal.  ;)
Wenn der Kläger unterliegt, mag zwar ggf. eine RV die Prozesskosten übernehmen. Wie allerdings der Kläger dann auch noch eine \"Rückzahlung einstecken\" soll, wird wohl für immer Ihr Geheimnis bleiben.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #6 am: 11. Dezember 2010, 17:10:32 »
Voller Erfolg für Gaskunden

Zitat
Im konkreten Fall habe es sich um einen 1991 abgeschlossenen Sondertarifvertrag gehandelt, den das Oberlandesgericht Frankfurt 2009 für unwirksam erklärt hatte. Der Kläger hatte die Berechnung seiner Rückforderung auf den 1991 vereinbarten Arbeitspreis gestützt.

Offline Kettner

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Klagen gegen MKG: Erste Urteile zum Jahresende
« Antwort #7 am: 13. Dezember 2010, 11:28:50 »
@Fricke: Da sind Sie mir nun zuvorgekommen ;-)

In der Tat handelt es sich bei diesem Kläger um jemanden, der in der Vergangenheit keinen Widerspruch eingelegt hatte und einen über 20 Jahre alten Vertrag hat.
Das Thema des fehlenden Widerspruchs ist ja bereits wiederholt durchgekaut worden und dürfte sich aufgrund des BGH-Urteils vom 14.Juli 2010 erledigt haben.
Nicht aber erledigt ist die Höhe des Rückzahlungsbetrags. In einsamer Verkündung vor einem Zuschauer (!) zeigte der Richter Mut und sprach dem Kläger nicht nur einen Rückforderungsbetrag zu, der auf dem Einstands-Arbeitspreis von 1990 basiert, sondern erlegte der Beklagtenseite die vollen Prozesskosten auf.
Damit dürfte die unselige Debatte über kostendeckende Preise Geschichte sein.
Abzuwarten bleibt die Urteilsbegründung und die Reaktion der Gegenseite. Es ist davon auszugehen, daß der Versorger in Berufung gehen wird.
Bedeutung erlangt dieses Urteil auch dahingehend, als diese Klage als \"Musterklage\" für die weiteren anstehenden Klagen ausgesucht wurde. Soweit übertragbar, wird dieses Urteil auch auf jene Klagen Strahlkraft ausüben.
Dr. Carsten Kettner
65551 Limburg

Offline Gas-Rebell

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« Antwort #8 am: 14. Dezember 2010, 19:52:49 »
Wenn die Urteilsbegründung raus ist, könnte jemand diese über einen Link hier zugänglich machen?

Insbesondere dürfte interessant sein, mit welchen Begründungen das AG das Obiter Dictum des BGH ausgehebelt hat.

Offline Kettner

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Klagen gegen MKG: Erste Urteile zum Jahresende
« Antwort #9 am: 17. Dezember 2010, 10:08:40 »
Das AG Gelnhausen war fleißig und fand schnell zur Urteilsbegründung. Der Richter setzte sich darin auch sehr intensiv mit dem Obiter dictum des BGH auseinander.

Aus Sicht eines Laien scheint die Begründung, die sich hier findet, wohlfundiert zu sein. Es steht zu hoffen, daß, falls der Energieversorger in Revision geht, die weiteren Instanzen dies ähnlich sehen.

Von einer nachgelagerten Billigkeitskontrolle im Zuge der erweiterten Vertragsauslegung ist hier jedenfalls nicht mehr die Rede, stattdessen wies juristischer Pragmatismus den Weg.
Dr. Carsten Kettner
65551 Limburg

Offline DieAdmin

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Klagen gegen MKG: Erste Urteile zum Jahresende
« Antwort #10 am: 10. Januar 2011, 11:04:21 »
Das Urteil AG Gelnhausen v. 10.12.10 - Az. 55 C 229/10 (72) ist auch in der Entscheidungssammlung:

http://www.energieverbraucher.de/de/site/Preisprotest/site/site__2772/

 

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