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EuGH Urt. v. 21.03.13 C-92/11 (VZ NRW gegen RWE Vertrieb) - BGH VIII ZR 162/09

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RR-E-ft:

--- Zitat von: ESG-Rebell am 10. Juli 2013, 14:22:06 ---Verhandlung am 10.07.2013 von 10:00 bis 11:20 Uhr.
8. Zivilsenat: Ball, Dr. Frellesen, Dr. Hessel, Dr. Achilles, Dr. Schneider

(Verhandlungstermin: 17. November 2010 = Vorlage EuGH)
VIII ZR 162/09
LG Dortmund - Urteil vom 18. Januar 2008 - 6 O 341/06
OLG Hamm - Urteil vom 29. Mai 2009 - 19 U 52/08
(veröffentlicht in RdE 2009, 261 = ZNER 2009, 274)

Kläger: RWE Vertriebs AG; vormals RWE Westfalen Weser Ems AG, RA Prof. Dr. Krämer, Dr. Rosin
Beklagte: Verbraucherzentrale NRW, RA Wassermann, Herr Schröder (VZ NRW)

----- 10:00 ---------------------------------------------------------------------------
Ball:

Das Verfahren wurde ausgesetzt. Dem EuGH wurden zwei Fragen vorgelegt. Der EuGH hat geantwortet:
1) Die Klauselrichtlinie gilt auch für Vertragsklauseln, die aus einer gesetzlichen Vorschrift übernommen worden sind.
2) Es gilt die volle Transparenzkontrolle.

Das Auslegungsergebnis des EuGH ist für den Senat bindend. Es ist fraglich, ob die Rechtsprechung des Senats basierend auf §301, Abs. 2 BGB noch aufrecht erhalten werden kann. Dies wird der Senat zu prüfen haben. Falls die bisherige Rechtsprechung aufgegeben werden muss, ist zu prüfen, ob und wie die dadurch entstandene Regelungslücke durch ergänzende Vertragsauslegung zu füllen ist; entweder durch Anwendung der Fristenregelung oder durch Annahme eines wirksam vereinbarten Preisanpassungsrechts. Falls eine ergänzende Vertragsauslegung für Versorgungsverträge untragbar sein sollte, kommt eine Rückabwicklung der dann nichtigen Verträge nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen nach §812 in Betracht.

----- 10:05 ---------------------------------------------------------------------------
Prof. Krämer:

Es ist der Kontext zu beachten, in dem der EuGH-Beschluß umzusetzen ist. Hier ist keine Anwendung von §812 BGB geboten. Er verweist auf seine schriftlichen Ausführungen zur ergänzenden Vertragsauslegung und begrüßt die Fristenlösung als gerechte Lösung.

Den EVUs wird durch die bisher richtige Rechtsprechung des Senats zur Gleichbehandlung von Tarif- und Sondervertragskunden Rechtssicherheit gegeben. Es kann nicht richtig sein, dass diese langjährige Rechtsprechung zur unveränderten Übernahme der Regelungen der AVB/GVV jetzt verworfen und die EVU im Regen stehen gelassen werden.

Zu §306, Abs.3 und §812: Eine Rückabwicklung der Verträge nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen ist auch problematisch. Eine Versorgung des Kunden zum Ausgangspreis ist unzumutbar. Die Rückabwicklung eines Vertrags ist dabei nicht in dem Maß möglich wie durch eine ergänzende Vertragsauslegung.

Daher liegt eine ergänzende Vertragsauslegung näher, denn durch das EuGH-Urteil ist eine Regelungslücke entstanden. Was hätten redliche Vertragspartner bei Vertragsabschluß vereinbart? Materialrechtlich bietet sich eine ergänzende Vertragsauslegung auf Basis der ständigen Rechtsprechung des Senats an.

Der Senat ist nur beschränkt an die EuGH-Entscheidung gebunden; er hat Spielraum bei der Wertung des Sachverhalts. Zitiert C-92/11, Rn55: "Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, diese Beurteilung anhand aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, einschließlich aller Klauseln in den allgemeinen Bedingungen der Verbraucherverträge, die die streitige Klausel enthalten.".

Der EuGH argumentiert mit einem Verständnis des Begriffs "Vertragskategorie", der nicht in die Deutsche Dogmatik passt. Was wollte denn der Gesetzgeber? Was ist die Folge der Leitbild-Rechtsprechung des Senats? Die Tarif- und Sonderkunden sollten nicht unterschiedlich behandelt werden. Der EuGH hat die Gesetzesbegründung in Rn37 falsch wiedergegeben. Denn der Gesetzgeber wollte die Gleichbehandlung der Kunden durch die Rechtsprechung des Senats gewährleisten. Ein Sondervertrag, der die Regelungen der AVB übernimmt, implementiert doch diese Tarifregelung. Demnach gibt es nur eine Vertragskategorie für Tarif- und Sondervertragskunden; die des "Versorgungsvertrags mit Gas".

Die geforderte Transparenz wird durch öffentliche Bekanntmachung und dem Hinweis auf die Kündigungsmöglichkeit erfüllt. Der Unbilligkeitseinwand nach §315 BGB ist der Modus, die gestiegenen Bezugskosten sind der Anlaß einer Preisanpassung. Bei Vertragsbeginn ist keine Preisvereinbarung für die gesamte Vertragslaufzeit möglich.

Der EuGH hat ja nichts zu den strittigen Klauseln selbst gesagt. Es ist Sache des Senats, über diese zu entscheiden. Die unveränderte Übernahme der AVB/GVV-Klauseln sollte weiterhin Bestand haben. Der BGH ist nicht daran gehindert, Regelungen für eine Vertragskategorie individuell zu beurteilen.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz nach §3, Abs.1 GG kann auch durch den EuGH nicht ausgehebelt werden. Auch hat der EuGH keine Kompetenz, dem Senat vorzuschreiben, ob §242 BGB oder eine ergänzende Vertragsauslegung anzuwenden ist.

Tarif- und Sondervertragskunden sind keine unterschiedlichen Vertragskategorien. Ich wiederhole nicht nochmal meine Ausführungen zur ergänzenden Vertragsauslegung.

Der EuGH ist auch auf die Frage einer zeitlichen Beschränkung eingegangen. Ohne diese kämen die Versorger doch in Überobligationsschwierigkeiten. Dies wäre doch eine richterliche Disziption. (Ich könnte beide Fremdwörter falsch verstanden haben). Eine zeitliche Beschränkung ist ja auch im Deutschen Recht zur Gewährleistung des Vertrauensschutzes bekannt. Der EuGH hat eine Beschränkung aber abgelehnt. Laut Rn59 sei diese nur ausnahmsweise möglich. Gemäß Rn63 wurde das Kriterium der Gutgläubigkeit aber garnicht geprüft. Die EVU haben sich natürlich auf die Rechtsprechung des Senats verlassen. Ein Deutsches Gericht ist daher weiterhin frei, wegen Gutgläubigkeit eine Beschränkung festzusetzen. Das Prinzip des Vertrauensschutzes gilt nicht nur zwischen Vertragsparteien sondern auch zur Rechtsprechung.

Laut EuGH ist weiterhin eine "gravierende Störung" nicht erwiesen. Der Senat hat die These der Überforderung der EVU im Falle von Rückforderungen bisher immer verworfen. Dazu hat RWE dem Senat sowie dem EuGH aber nun genaue Zahlen vorgelegt. Im Rahmen der Rechtstreue ist eine gravierende Störung zu prüfen.

Es geht um die Frage ob im Rahmen des Vertrauensschutzes nicht die Position der EVU berücksichtigt werden muss. Wenn schon, dann sollte die neue Rechtsprechung nur für neue Verträge gelten.

Insgesamt sollte eine ergänzende Vertragsauslegung nicht erst bei einer "exzessiven Verschiebung" des Vertragsverhältnisses möglich sein.

----- 10:40 ---------------------------------------------------------------------------
Wassermann:

Der Senat hat über die Wirksamkeit der Klauseln zu entscheiden. Der Senat ist an die Entscheidung des EuGH gebunden. Prof. Krämer ging auf die Argumente des EuGH garnicht ein. Der Senat hat gar keine andere Wahl, als die aus den AVB/GVV übernommenen Klauseln als unwirksam zu erklären.

Denn Vertragsklauseln müssen kumulativ folgende Anforderungen erfüllen:
1) Der Verbraucher muss VOR Vertragsabschluss umfangreich informiert werden.
2) Falls der Versorger eine Klausel anwendet, dann muss der Verbraucher tatsächlich kündigen können.

Eine übernommene Klausel wird dem nicht gerecht, wie der Senat selbst erkannt hat. Sie erfüllt nicht die Anforderung, den Kunden über Anlaß und Modus einer Preisänderung ausreichend zu informieren. Der Anlaß "Erhöhung der Bezugspreise" war damit vom EuGH nicht gemeint. Es müssen detaillierte Kriterien genannt werden. Das 2. Kriterium - die Kündigungsmöglichkeit - kann das Fehlen des 1. Kriteriums nicht heilen. Ebenso sind auch andere Kompensationsmöglichkeiten, wie ein Unbilligkeitseinwand, nicht ausreichend. Denn wurde der Kunde vor Vertragsbeginn schon nicht umfangreich informiert, so hatte er auch später keine ausreichenden Informationen um in einem Prozess zur Billigkeitsprüfung seine Interessen zu wahren.

Die Ausführungen zur Leitbildfunktion der AVBGas für Sondervertragskunden führen hier in die Irre. Das EuGH sagt in Rn33 klar: Die AVB gelten nicht für Sondervertragskunden. Rn56: Der Gesetzgeber hatte es in der Hand, die Verordnung auch auf Sondervertragskunden auszudehen, aber er hat es nicht getan.

Der §310, Abs. 2 regelt nur, dass §308 und §309 keine Anwendung finden. Die Anwendung des §307 zur Transparenzprüfung ist aber weiterhin zugelassen. Die vom Senat gesehene Leitbildfunktion findet in der Gesetzeslage keine Rechtfertigung.

Die Ausführungen von Prof. Krämer zur Vertragskategorie sind schlichtweg falsch. Tarif- und Sondervertragskunden sind verschiedene Kategorien. In ersteren gibt es Kontrahierungszwang und eine vollständige Verordnung, in letzterer gilt Vertrags- und Inhaltsfreiheit.

Eine Anwendung der Leitbildfunktion würde die Entscheidung des EuGH unterhöhlen, demzufolge Sonderverträge der vollen Inhaltskontrolle unterliegen. Die Regelungen der AVB und GVV liegen derzeit ja selbst beim EuGH zur Prüfung vor.

Der Senat muss seine derzeitige Rechtsprechung ändern.

Die Rechtsfolge des Verstoßes gegen das Transparenzgebotes hat die Unwirksamkeit der Klausel, die strikte Nichtanwendung, keine geltungserhaltende Reduktion und keine zeitliche Begrenzung mit Wirkung auf die Zukunft zur Folge. Der Senat hat nicht die Kompetenz, die nur in die Zukunft gerichtete Bedeutung des EuGH-Urteils anzuordnen. Das EuGH-Urteil gilt auch für existierende Verträge. Es gelten §306 BGB bzw. §6 der Klauselrichtlinie.

Auch eine ergänzende Vertragsauslegung darf keinen inhaltsgleichen Ersatz erzeugen, es gilt das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Es kann nicht sein, eine andere Klausel - per richterlicher Kompetenz - als von Anfang an wirksam einzusetzen. Der Zweck der Unwirksamkeitsfolge ist ja gerade ein Abschreckungseffekt für den Klauselverwender und das berechtigte Interesse der Verbraucher. Zum Urteil vom 14.03.2012: Die Drei-Jahres-Frist führt ja zu einer zeitlichen Befristung der Unwirksamkeit einer unwirksamen Klausel.

Die Revision lässt zwei wichtige Aspekte außer Acht:
Gemäß dem EuGH dient ja das Transparenzgebot einem Interessenausgleich.
1) Für Verbraucher gelten strenge Informationspflichten (Rn53). Eine ergänzende Vertragsauslegung kann nicht dazu führen, dass Kunden ggf. bis zur letztinstanzlichen Entscheidung an intransparente Klauseln gebunden wären. Zudem wären Kunden durch ihr Informationsdefizit an ihrer Rechtsausübung gehindert. Bei Vertragsschluß zwischen redlichen Vertragspartnern hätten Kunden sicher keine Regelung vereinbart, derzufolge sie unwirksame Klauseln bis zur gerichtlichen Klärung akzeptieren wohingegen der Versorger Vertrauensschutz genießen solle.
2) Der Aspekt des Verwenders. Ein Klauselverwender trägt das Risiko. Dabei gibt es keinen Vertrauensschutz darin, dass sich die Rechtsprechung nicht ändern kann.

Prof. Krämer sieht einen Vertrauensschutz durch "staatliches Versagen und die Rechtsprechung" geboten. Nicht der Gesetzgeber sondern die EVU selbst haben entschieden, die Regelungen der AVB in ihre Verträge zu übernehmen und sie sind damit das Risiko eingegangen, intransparente Klauseln zu verwenden. Diese Praxis war zudem von Anfang an umstritten. Der Gesetzgeber hat die Anwendung der AVB auf Sonderverträge ausdrücklich ausgenommen.

Zu den "nicht hinnehmbaren wirtschaftlichen Konsequenzen" sei erwähnt, dass diese sehr begrenzt sind. Es geht hier um 14 Kunden eines Versorgers. Die wirtschaftlichen Konsequenzen für die Energieversorger im allgemeinen können hier nicht relevant sein, denn dadurch würden Anbieter in Massengeschäften ungerechtfertigt priviligiert werden.

Der Senat bemüht sich ja, durch ergänzende Vertragsauslegung einen Interessenausgleich herbeizuführen. Aber nur wenige Kunden haben ja widersprochen und durch die Drei-Jahres-Frist sind die möglichen Rückforderungen sehr begrenzt. In der Vergangenheit gab es zudem viele ungerechtfertigte Preiserhöhungen, die nie geprüft wurden und durch die nicht gerechtfertigte Beträge vereinnamt wurden. Mit einer ergänzenden Vertragsauslegung ist aber für §306, Abs. 2 kein Raum mehr.

----- 11:10 ---------------------------------------------------------------------------
Dr. Rosin

Herr Wassermann setzt die EU-Regelungen fälschlicherweise mit einer Mißbrauchsprüfung gleich.
Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion soll doch verhindern, dass ein Klauselverwender seine Interessen ultimativ durchsetzen kann. Dies haben die EVU aber garnicht versucht, sondern sie haben doch die Regelungen des AVB direkt übernommen.

In der Praxis sieht es doch so aus: Es geht nicht nur um einige Kläger, sondern dieses Urteil hat große Ausstrahlungswirkung auf die gesamte Versorgungswirtschaft.
1) Der Senat hat bislang alle selbstgestrikten Klauseln kassiert.
3) Der Gesetzgeber hat gesagt, dass die AVB-Klauseln einen Ausgleich der Interessen schaffen.
4) Der Senat hat seit 1999 eine Leitbildfunktion gesetzlicher Regelungen bejaht.

Je detaillierter eine Kostenklausel wurde, desto intransparenter wurde sie. Letzlich haben die EVU die AVB-Klauseln unverändert übernommen und nun sollen diese auch kassiert werden.

Er beschwört eine Klagewelle herauf und macht auch den Senat dafür verantwortlich. Der Senat möge sich bitte auch mal auf die andere Seite des Tisches setzen und den Standpunkt der Versorger berücksichtigen.

----- 11:20 ---------------------------------------------------------------------------
Wassermann

Der Senat möge bitte auch die Verbaucherinteressen berücksichtigen.

----- 11:21 ---------------------------------------------------------------------------
Ball

Eine Entscheidung erfolgt noch heute; eventuell auch ein Urteil.


Meine Anmerkung dazu:
Nur Herr Wassermann hat mit einem Wort kumulativ angedeutet, dass die AVB Verordnung nur in ihrer Gesamtheit einen Interessenausgleich darstellen kann. Der EuGH hatte dazu in Rn 31 festgestellt, dass ein Klauselverwender sich gerade dadurch einen Vorteil verschaffen kann, dass er einzelne Klauseln einer gesetzlichen Regelungen im Kontext seiner übrigen AGB zu seinem Vorteil nutzen kann. Die Konsequenz daraus kann m.E. nur sein, dass ein solches Vertragskonstrukt a-priori die Parteieninteressen nicht ausgeglichen wahrt, solange keine Inhaltskontrolle stattfindet.

Gruss,
ESG-Rebell.

--- Ende Zitat ---

RR-E-ft:
Die bisherige Senatsrechtssprechung zur sog. "Übernahmethese" wird sich wohl nicht aufrecht erhalten lassen. Schon § 310 Abs. 2 BGB lässt keinerlei Privilegierung bei der Inhalts- und Transparenzkontrolle gem. § 307 BGB zu.

Eine Inhalts- und Transparenzkontrolle am Maßstab der übrigen BGH- Rechtsprechung halten solche Klauseln schon nicht stand, wie der Senat selbst bereits mehrfach ausgeführt hat.

Es muss m.E. hinsichtlich geltungserhaltender Reduktion genauso verfahren werden wie bei anderen unwirksamen Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen auch (vgl. BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 113/11 und VIII ZR 93/11).

Allein die dabei im Falle der Unwirksamkeit einer wirksam einbezogenen Preisänderungsklausel vom Senat bisher vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung (vgl. BGH VIII ZR 113, juris Rn. 20), die sog. "Fristenlösung", ist ebenfalls bereits in ernstzunehmende Kritik geraten (vgl. nur Markert, ZNER 2013, S. 257).

Die Voraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung besteht nicht allein in einer planwidrigen Regelungslücke im Vertragsgefüge, die durch die Unwirksamkeit einer einbezogenen Preisänderungsklausel bewirkt wird, sondern es bedarf darüber hinaus auch immer einer daraus resultierenden unzumutbaren Härte für den Klauselverwender. Letzteres muss grundsätzlich in jedem Einzelfall geprüft werden.

Vorliegend kann Letzteres jedoch wohl offen bleiben:

Sollte der Senat an seiner sog. "Fristenlösung" festhalten, wird dies für die zu treffende Revisionsentscheidung wohl dann ohne Belang bleiben, wenn die Verbraucher, deren Rückzahlungsansprüche im Streit stehen, den betroffenen Preisänderungen innerhalb der von der Rechtssprechung aufgestellten Dreijahresfrist widersprochen hatten.

Der Revision muss dann der Erfolg versagt sein.

RR-E-ft:
Am 31.07.13 um 11.00 Uhr soll eine Entscheidung des Senats verkündet werden.
Dabei kann es sich auch um ein Urteil handeln.

RR-E-ft:
Der BGH hat mit Urteil vom heutigen Tage entschieden, dass die Revision von RWE als unbegründet zurückzuweisen war.

Die Pressemitteilung des BGH:

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2013&Sort=3&nr=64850&anz=130&pos=0&Blank=1

Das Urteil lässt sich auf entsprechende AGB-Preisänderungsklauseln in Stromlieferungsverträgen direkt übertragen.

RR-E-ft:
Statement des Lobbyverbandes BDEW zum Urteil des BGH vom 31.07.13 Az. VIII ZR 162/09:

http://www.bdew.de/internet.nsf/id/20130731-ps-zum-heutigen-urteil-des-bundesgerichtshofes-bgh-zu-preisanpassungsklauseln-in-erdgas-lie

Meine Anmerkung hierzu:

Natürlich sind auch aktuelle Sonderverträge betroffen, die inhaltlich nur auf die gesetzliche Regelung des § 5 GVV verweisen.

Entsprechende Klauseln, entsprechen nicht den Anforderungen, die der BGH seit langem bei Verträgen außerhalb der Energiewirtschaft nach dem Transparengebot des § 307 BGB stellt (vgl. BGH, Urt. v. 15.07.09 Az. VIII ZR 56/08 Rn.26).


--- Zitat ---BGH, Urt. v. 15.07.09 Az. VIII ZR 56/08, juris Rn. 26:

Der Revision ist allerdings zuzugeben, dass eine § 5 Abs. 2 GasGVV nachgebildete vertragliche Preisanpassungsklausel nicht den Anforderungen genügt, die die höchstrichterliche Rechtsprechung in anderen Fällen an die tatbestandliche Konkretisierung von Anlass, Voraussetzungen und Umfang eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts stellt (BGH, Urteil vom 21. April 2009- XI ZR 78/08, WM 2009, 1077, Tz. 25; BGHZ 164, 11, 26 f.; Urteil vom 13. Dezember 2006 - VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054, Tz. 21; Urteil vom 21. September 2005, aaO, unter II 2).

§ 5 Abs. 2 GasGVV regelt nur, dass Änderungen der Allgemeinen Preise (im Sinne von § 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG 2005) jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss, und dass das Versorgungsunternehmen verpflichtet ist, zu der beabsichtigten Änderung zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen.

Die Vorschrift lässt nicht erkennen, dass das Versorgungsunternehmen bei der Preisanpassung das Äquivalenzverhältnis wahren muss und sie nicht dazu nutzen darf, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben, um nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (BGHZ 178, 362, Tz. 25). Sie lässt den Kunden weiter im Unklaren darüber, dass aufgrund der Bindung der Allgemeinen Preise (des Allgemeinen Tarifs) an billiges Ermessen mit dem Recht des Versorgungsunternehmens zur Abwälzung von Kostensteigerungen auf seine Kunden die Pflicht einhergeht, Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und diese nach denselben Maßstäben an die Kunden weiterzugeben (BGHZ 176, 244, Tz. 26).
--- Ende Zitat ---



Seine bisherige, wenig nachvollziehbare Leitsatz-  Rechtsprechung, wonach solche Klauseln in Energielieferungsverträgen gleichwohl mit § 307 BGB vereinbar seien, musste der BGH nach der für ihn verbindlichen Entscheidung des EuGH vom 21.03.13 C-92/11 aufgeben.


--- Zitat ---BGH PM Nr. 131/13 vom 31.07.13

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte zunächst mit Beschluss vom 9. Februar 2011 das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (vgl. Pressemitteilung 26/2011). Hierbei ging es um die Auslegung bestimmter Vorschriften der Klausel- und der Gasrichtlinie. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat durch Urteil vom 21. März 2013 (Rs. C-92/11 – RWE Vertrieb) entschieden, dass es für die Frage, ob eine Gaspreisänderungsklausel den Anforderungen der genannten Richtlinien an Treu und Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz genügt, insbesondere darauf ankommt,

– ob der Anlass und der Modus der Änderung dieser Entgelte in dem Vertrag so transparent dargestellt werden, dass der Verbraucher die etwaigen Änderungen der Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien absehen kann, und dass das Fehlen der betreffenden Information vor Vertragsabschluss grundsätzlich nicht allein dadurch ausgeglichen werden kann, dass der Verbraucher während der Durchführung des Vertrags mit angemessener Frist im Voraus über die Änderung der Entgelte sowie über sein Recht unterrichtet wird, den Vertrag zu kündigen, wenn er diese Änderung nicht hinnehmen will, und

– ob von der dem Verbraucher eingeräumten Kündigungsmöglichkeit unter den gegebenen Bedingungen tatsächlich Gebrauch gemacht werden kann.

Der Bundesgerichtshof hat nunmehr unter Zugrundelegung dieser für die Gerichte der Mitgliedstaaten verbindlichen Auslegung entschieden, dass Preisänderungsklauseln in Sonderkundenverträgen, die sich darauf beschränken, das für Tarifkundenverhältnisse vorgesehene Änderungsrecht des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV* in Bezug zu nehmen, diesen Anforderungen nicht genügen und deshalb unwirksam sind.
--- Ende Zitat ---

RA Thomas Fricke, Jena 

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