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Autor Thema: BGH VIII ZR 178/09 mündliche Verhandlung am 03.11.10 Abgrenzung Tarifkunde/ Sondervertragskunde  (Gelesen 3776 mal)

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Offline RR-E-ft

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Fraglich erscheint die Zuständigkeit des VIII. Zivilsenats, nachdem in den Vorinstanzen jeweils Kartellgerichte entschieden hatten, dem erfolgreichen Kläger vom Berufungsgericht die Kosten aufgegeben wurden, soweit sie darauf beruhten, dass die Klageerhebung zunächst beim unzuständigen Amtsgericht erfolgte.  


Zitat
Verhandlungstermin: 3. November 2010 VIII ZR 178/09  
Vorinstanzen: LG Düsseldorf - Urteil vom 04. Juni 2008 - 34 O (Kart) 207/07
OLG Düsseldorf - Urteil vom 24. Juni 2009 - 2 U (Kart) 14/08  

Das Grundstück des Klägers wird von der Beklagten leitungsgebunden mit Erdgas versorgt. Bei Versorgungsbeginn teilte die Beklagte dem Kläger unter anderem Folgendes mit: \"... hiermit bestätigen wir den durch die Entnahme von Erdgas über Ihren Erdgasanschluss zustande gekommenen Vertragsschluss. Neben den Bedingungen aus diesem Vertrag gelten die \"Allgemeine Versorgungsbedingungen (AVB)\", die wir Ihnen auf Wunsch gerne zusenden, sowie das jeweils gültige Preisblatt. Die Abrechnung des Zählers ... beginnt am 18.09.2002 zum Tarif TK Bestabrechn. Midi - Maxi.\"

Neben dem genannten Tarif stellte die Beklagte weitere Tarife zur Verfügung, darunter einen teureren Minitarif. In der Folgezeit erhöhte sie den Gaspreis mehrfach; der Kläger widersprach jeweils den Erhöhungen.  Die auf Feststellung gerichtete Klage, dass die von der Beklagten vorgenommenen Erhöhungen der Gastarife unbillig und damit unwirksam sind, hat das Landgericht abgewiesen.

Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Klägers der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Die von der Beklagten vorgenommenen Preiserhöhungen seien unwirksam. Sie könnten insbesondere nicht auf § 4 Abs. 2 AVBGasV* gestützt werden. Die AVBGasV sei nicht als Rechtsvorschrift auf den Gasversorgungsvertrag der Parteien anzuwenden, denn der Kläger sei nicht Tarifkunde im Sinne des § 1 Abs. 2 AVBGasV*. Die Abgrenzung zwischen Tarif- und Sondervertragskunden sei dahin vorzunehmen, dass alle unter dem teuersten Grundtarif liegenden Tarife als Sondertarife und ihre Abnehmer als Sonderkunden anzusehen seien. Auch bei dem Tarif TK Bestabrechn Midi – Maxi handele es sich deshalb um einen solchen Sondertarif.  

Die AVBGasV und damit das aus dessen § 4 Abs. 2 folgende Preiserhöhungsrecht seien auch nicht als Allgemeine Geschäftsbedingungen Bestandteil des Sonderkundenvertrages geworden. Denn die Beklagte habe dem Kläger nicht die zumutbare Möglichkeit verschafft, von dem Inhalt der \"Allgemeinen       Versorgungsbedingungen\"      Kenntnis        zu     nehmen,        so       dass     die Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB** nicht erfüllt seien. Das bloße Anerbieten einer Zusendung genüge dazu nicht, und zwar auch dann nicht, wenn die Bedingungen anderweitig der Öffentlichkeit zur Verfügung stünden.


*Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden    (AVBGasV)    
§ 1: Gegenstand der Verordnung    
(1) Die allgemeinen Bedingungen, zu denen Gasversorgungsunternehmen nach § 6 Abs. 1 des    Energiewirtschaftsgesetzes jedermann an ihr Versorgungsnetz anzuschließen und zu allgemeinen    Tarifpreisen zu versorgen haben, sind in den §§ 2 bis 34 dieser Verordnung geregelt. Sie sind    Bestandteil des Versorgungsvertrages.    
(2) Kunde im Sinne dieser Verordnung ist der Tarifkunde.    

§ 4: Art der Versorgung    
(1) Das Gasversorgungsunternehmen stellt zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen    Gas zur Verfügung. Der Brennwert mit der sich aus den Erzeugungs- oder Bezugsverhältnissen des    Unternehmens ergebenden Schwankungsbreite sowie der für die Versorgung des Kunden    maßgebende Ruhedruck des Gases bestimmen sich nach den allgemeinen Tarifen.    
(2) Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen werden erst nach öffentlicher Bekanntgabe    wirksam.    


** § 305 BGB: Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag    …    
(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der    Verwender bei Vertragsschluss    
1.die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des    Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich    sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und    
2.der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den    Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen    berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,    und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist.



Entscheidung der Vorinstanz:

OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.06.09 - VI - 2 U (Kart) 14/08 Tarifkunde oder Sonderkunde?

Darauf, dass es sich um keinen Tarifkundenvertrag handelt, deutet bereits das Vertragsbestätigungsschreiben:

Neben den Bedingungen aus diesem Vertrag gelten die \"Allgemeine Versorgungsbedingungen (AVB)\", die wir Ihnen auf Wunsch gerne zusenden.

Bei Abschluss eines Tarifkundenvertrages waren die Bedingungen der AVBGAsV von Anfang an kraft Gesetzes vertragsgegenständlich, § 1 Satz 2 AVBGasV. Sie waren bei Neuabschluss eines Tarifkundenvertrages gem. § 2 Abs. 3 AVBGasV unaufgefordert dem Tarifkunden bei Vertragsabschluss  auszuhändigen und galten keinesfalls neben den Bedingungen aus dem Vertrag.

Offline RR-E-ft

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Zitat
Original von ESG-Rebell
Zitat
Original von RR-E-ft
BGH VIII ZR 178/09 mündliche Verhandlung am 03.11.10 Abgrenzung Tarifkunde/ Sondervertragskunde
Soeben habe ich folgendes erfahren:

Zitat
BGH Geschäftsstelle VIII. Zivilsenat
In dem Verfahren VIII ZR 178/09 wurde am 29.10.2010 die Rücknahme der Revision erklärt. Somit ist der morgige Termin zur mündlichen Verhandlung hinfällig.
Gruss,
ESG-Rebell

Offensichtlich wurden die bescheidenen Erfolgsaussichten der Revision vom Versorger nun zutreffend erkannt. Möglicherweise wollte man keine weitere BGH- Entscheidung mit Signalwirkung zu Lasten der Versorger.

Warten auf BGH VIII ZR 42/10

 

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