@Jagni
Der weite Spielraum der Billigkeit passt regelmäßig schon nicht in das enge Korsett, derjenigen Konkretisierung, welche das Transparenzgebot nach der sonstigen Rechtsprechung des BGH erfordert. Nur wenige Beispiele herausgegriffen:
BGH Urt. v. 20.07.2005 (ZIP 2005, 1785)
\"Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht darf sich der Verwender durch Allgemeine Geschäftsbedingungen grundsätzlich nur vorbehalten, wenn dafür ein berechtigtes Interesse besteht. Eine Befugnis zur einseitigen Festlegung kann ebenso wie eine solche zur einseitigen Änderung wesentlicher Vertragsbestimmungen nur dann formularmäßig begründet werden, wenn schwerwiegende Gründe dies rechtfertigen. Erforderlich ist weiterhin, dass die Voraussetzungen und der Umfang des Leistungsbestimmungsrechts tatbestandlich hinreichend konkretisiert sind\"
BGH, Urt. v. 19.10.1999 (BGH NJW 2000, 651)
\"Auch einseitige Bestimmungsvorbehalte können nur hingenommen werden, wenn sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind und den Anlass, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben.\"
Klar und verständlich:
BGH, Urt. v. 15.11.2007 III ZR 247/06 Rn. 10:
Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 - NJW 1980, 2518, 2519 unter II 2. c); vom 19. November 2002 - X ZR 253/01 - NJW 2003, 746, 747 unter III. 2. a) m.w.N.; vom 21. September 2005 aaO S. 1717 f unter II. 3.b) und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 23 ff).
Grundsätzlich muss der Kunde die Möglichkeit haben, die Berechtigung einer Preisänderung anhand der Klausel selbst zu kontrollieren. Das Transparenzgebot erfordert deshalb gerade regelmäßig, dass bereits in der Preisänderungsklausel bei Vertragsabschluss die Preiskalkulation offen gelegt wird.
BGH, Urt. v. 13.12.2006 VIII ZR 25/06 Rn. 23
Die Klausel in Vertragsabschnitt A Nr. 4 der \"Liefervereinbarung für Flüssiggas\", die eine Preisanpassung durch die Beklagte erlaubt, wenn Änderungen des Einstandspreises und/oder der Kosten eintreten, benachteiligt die Vertragspartner der Beklagten schon deshalb unangemessen, weil sie ganz allgemein auf Kostenänderungen abstellt und nicht erkennen lässt, in welchem Bereich diese Kostenänderungen auftreten können und müssen (BGH, Urteil vom 16. März 1988 – IV a ZR 247/84, NJW-RR 1988, 819 unter 7). Darüber hinaus kennen die Kunden der Beklagten weder den Einstandspreis noch die sonstigen Kosten der Beklagten und können diese auch nicht in Erfahrung bringen. Ferner fehlt es an einer Gewichtung der in Betracht kommenden Kostenelemente im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Kalkulation des Flüssiggaspreises. Für die Vertragspartner der Beklagten ist deshalb weder vorhersehbar, wie sich etwa ein allgemeiner Anstieg der Gaspreise – eines wesentlichen Elements des Einstandspreises der Beklagten – oder sonstiger (welcher?) Kostenfaktoren auf den vereinbarten Flüssiggaspreis auswirken werden, noch haben sie eine realistische Möglichkeit, Preiserhöhungen der Beklagten auf ihre Berechtigung zu überprüfen. Schließlich erlaubt die Klausel – jedenfalls in ihrer im Verbandsprozess zugrunde zu legenden kundenfeindlichsten Auslegung (st. Rspr., z.B. BGHZ 158, 149, 155) – der Beklagten eine Preiserhöhung bereits dann, wenn zwar ein Kostenfaktor sich nach oben verändert hat, der Anstieg aber durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird und die Beklagte daher insgesamt keine höheren Kosten zu tragen hat, als dies bei Abschluss des Belieferungsvertrags der Fall war. Wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 21. September 2005 aaO), gibt eine solche Klausel dem Verwender insgesamt einen praktisch unkontrollierbaren Preiserhöhungsspielraum zur Erzielung zusätzlicher Gewinne zu Lasten seiner Vertragspartner und benachteiligt diese deshalb unangemessen.
Offensichtlich steht der Sondervertragskunde eines Gasversorgers diesbezüglich nicht besser da als der Kunde eines Flüssiggas- Anbieters, welcher solche Preisänderungsklauseln verwendet.
Der Kunde kennt weder den Einfluss einer Änderung der Bezugskosten auf den vereinbarten Gaspreis noch die weiteren preisbildenden Kostenfaktoren und hat somit keine realistische Möglichkeit, die Preisänderungen anhand der Klausel zu kontrollieren, was dem Versorger einen praktisch unkontrollierbaren Preiserhöhungsspielraum zur Erzielung zusätzlicher Gewinne verschafft. Schon gar nicht ist der Kunde durch die Klausel in der Lage versetzt, überhaupt zu erkennen, wann und in welchem Umfange eine Verpflichtung zur Preisabsenkung besteht, was dem Versorger wiederum die Möglichkeit verschafft, durch die praktisch unkontrollierbare unterlassene Weitergabe gesunkener Kosten einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen.
Markant und zutreffend die Rechtsprechung des BGH zu Preisänderungsklauseln im Übrigen:
BGH, Urt. v. 21.04.2009 XI ZR 55/08 Rn. 38:
Lässt eine Preis- und Zinsänderungsklausel weiter den Kunden darüber im Unklaren, ob und in welchem Umfang das Kreditinstitut zu einer Anpassung berechtigt oder zu seinen Gunsten verpflichtet ist, läuft auch die dem Kunden eingeräumte Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend leer. Kommt es erst gar nicht zu einer gebotenen Herabsetzung des Preises oder Zinssatzes, versagt sie für gewöhnlich, weil der Kunde mangels hinreichenden Anhalts schon eine solche Verpflichtung des Verwenders zumeist nicht zu erkennen vermag. Erfolgt eine Preis- oder Zinsanpassung zu seinen Ungunsten, fehlt ihm die Beurteilungsgrundlage, ob sich die Anpassung im Rahmen des der Bank zustehenden Gestaltungsspielraumes bewegt oder ein Verfahren nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB mit Erfolg betrieben werden kann (Habersack, WM 2001, 753, 757).
Dass die vom VIII. Zivilsenat als zulässig erachteten Klauseln
nicht den Anforderungen entsprechen, welche die Rechtsprechung des BGH sonst nach dem Transparenzgebot verlangt, erkennt immerhin auch der VIII. Zivilsenat selbst an.
BGH, Urt. v. 15.07.2009 VIII ZR 225/07 Rn. 26:
Der Revision ist allerdings zuzugeben, dass eine § 5 Abs. 2 GasGVV nachgebildete vertragliche Preisanpassungsklausel nicht den Anforderungen genügt, die die höchstrichterliche Rechtsprechung in anderen Fällen an die tatbestandliche Konkretisierung von Anlass, Voraussetzungen und Umfang eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts stellt (BGH, Urteil vom 21. April 2009 - XI ZR 78/08, WM 2009, 1077, Tz. 25; BGHZ 164, 11, 26 f.; Urteil vom 13. Dezember 2006 - VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054, Tz. 21; Urteil vom 21. September 2005, aaO, unter II 2). § 5 Abs. 2 GasGVV regelt nur, dass Änderungen der Allgemeinen Preise (im Sinne von § 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG 2005) jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss, und dass das Versorgungsunternehmen verpflichtet ist, zu der beabsichtigten Änderung zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen. Die Vorschrift lässt nicht erkennen, dass das Versorgungsunternehmen bei der Preisanpassung das Äquivalenzverhältnis wahren muss und sie nicht dazu nutzen darf, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben, um nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (BGHZ 178, 362, Tz. 25). Sie lässt den Kunden weiter im Unklaren darüber, dass aufgrund der Bindung der Allgemeinen Preise (des Allgemeinen Tarifs) an billiges Ermessen mit dem Recht des Versorgungsunternehmens zur Abwälzung von Kostensteigerungen auf seine Kunden die Pflicht einhergeht, Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und diese nach denselben Maßstäben an die Kunden weiterzugeben (BGHZ 176, 244, Tz. 26).
Er leitet gerade deshalb eine Ausnahme von den strengen Erfordernissen - m. E. ohne überzeugende Begründung - aus § 310 Abs. 2 BGB her. Er will Sondervertragskunden und grundversorgte Kunden - einer gewissen inneren Logik folgend - wohl gleich schlecht behandelt wissen:
Fraglich, wie der betroffene Kunde überhaupt eine vertragliche Verpflichtung zur Preisabsenkung wegen rückläufiger Kosten durchsetzen sollte, wenn der VIII. Zivilsenat
schizophrener Weise sogar das Postulat aufstellt, der bisherige Preis sei vertraglich vereinbart und unterliege somit gar keiner gerichtlichen Billigkeitskontrolle. Eine gerichtliche Billigkeitskontrolle könne nur dann und soweit erfolgen, wie der Versorger den Preis nachträglich zu Lasten des Kunden einseitig abändert, also erhöht.
Auch für den grundversorgten Kunden ist deshalb nicht ersichtlich, wie er die gesetzliche Verpflichtung zur Preisabsenkung bei rückläufigen Kosten (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18] durchsetzen sollte. Dass der Senat immer wieder diese - zugestandenerweise anhand enstprechender Klauseln schon nicht erkennbare - Verpflichtung des Versorgers immer wieder betont, ist also wohl halbwegs als lyrisches Beiwerk anzusehen, die gerade nach der Rechtsprechung dieses Senats praktisch nicht durchsetzbar erscheint.
Manch betroffener Rechtssuchende mag sich darob von dieser Rechtsprechung insgesamt an der Nase herumgeführt vorkommen.
Gäbe es § 310 Abs. 2 BGB nicht, käme auch der VIII.Zivilsenat nicht zu seiner wenig nachvollziehbaren Folgerung, der Gesetzgeber habe selbst den Maßstab für die Transparenz entsprechender Preisänderungsklauseln im Bereich der leitungsgebundenen Energieversorgung geschaffen.
§ 310 Abs. 2 BGB lässt jedoch auch schon seinem Wortlaut nach keine Abstriche an der Inhalts- und Transparenzkontrolle des § 307 BGB entsprechender Klauseln erkennnen. § 310 Abs. 2 BGB bezieht sich ausdrücklich nur auf die Inhaltskontrolle gem. §§ 308, 309 BGB.
Erst recht scheint diese Auslegung mit den EU- Richtlinien, die auch zur Neufassung des § 307 BGB gegenüber dem § 9 AGBG führten, unvereinbar. Hierauf wies etwa das OLG Oldenburg in mündlicher Verhandlung am 02.11.10 in Sachen EWE zutreffend hin, welches deshalb eine Vorlage zum EuGH in Erwägung zieht.
Zudem hatte der Gesetzgeber bei § 5 Abs. 2 GVV - wie andernorts bereits erörtert - das Transparenzgebot des § 307 BGB auch schon gar nicht zu entsprechen und wollte es auch gar nicht, sondern dem Grundversorger in Bezug auf die Allgemeinen Tarifpreise (von Anfang an) ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht einräumen. Es handelt sich um ein Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht (BGH KZR 2/07 Rn. 26).
Das gesetzliche Preisbestimmungs- und -änderungsrecht (und die gesetzliche Verpflichtung hierzu) hat mit dem Transparenzgebot des § 307 BGB ebensowenig zu tun, wie ein vertraglich vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (Preisbestimmungsrecht) gem. § 315 Abs. 1 BGB.
Der VIII. Zivilsenat meint, bei solchen Sonderverträgen müsse wie bei Tarifkunden eine Billigkeitskontrolle erfolgen. An anderer Stelle versagt er jedoch gerade die unmittelbare Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB, wenn bei Vertragsabschluss ein bestimmter Preis und deshalb gerade kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vertraglich vereinbart wurde (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32 und VIII ZR 138/07 Rn. 16).
Grundsätzlich kann bei Vertragsabschluss nur entweder ein bestimmter Preis oder aber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB
vertraglich vereinbart worden sein.
Das eine schließt das andere denknotwendig aus.