Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
Jagni:
@ Evitel2004
Super!, Evitel, ich bewundere Ihren Ordnungssinn und Ihre Durchsetzungskraft.
Allerdings sehe ich in Ihrer Entscheidung auch ein leuchtendes Beispiel für
sachliche und persönliche Unabhängigkeit, so wie es das Rechtsstaatsprinzip unseren Richtern vorgibt. Gehen wir davon aus, dass es für die, die auch \"Hüter\" der Verfassung sind, ein heiliges Prinzip darstellt.
Gruß
Jagni
Jagni:
@bolli
Es gibt überhaupt keinen Grund jetzt die Ohren hängen zu lassen, nur weil RR-E-ft das Thema platt gemacht hat.
Die „Merkwürdigkeiten“, um die es Ihnen wohl geht, sind hier im Forum fein säuberlich aufgestapelt und wenn ich nur tief genug grabe, dann hole ich auch noch alle Echauffierungen von RR-E-ft hervor, die zu diesem Thema passen.
Allerdings kann man ihm insoweit zustimmen, als dass ein fortwährendes Lamento uns nicht vorwärts bringt. Wir hängen augenblicklich an einer Hoffnung. Der Hoffnung nämlich, dass das jetzt im Feuer stehende Instanzengericht kein Übernahmegericht ist. Und das, was RR-E-ft dazu informativ zur Verfügung stellt, lässt erkennen, dass es eine berechtigte Hoffnung ist.
Sie selbst haben mich schon einmal auf eine solches Gericht aufmerksam gemacht, das sich dem Gesetz und dem Recht verpflichtet sieht und seine Entscheidungen alleine in seiner ureigenen Verantwortung trifft. Gehen wir einfach davon aus, dass all unseren Gerichten dieser hohe Anspruch innewohnt. Anders wäre es nicht auszuhalten. Und wenn es Ausnahmen gibt, muss man denen beikommen. Dazu hat RR-E-ft auch schon Beispiele geliefert.
Gruß
Jagni
tangocharly:
--- Zitat ---@jagni
Das darf auch nicht gelingen, wenn der Richter bei seiner Rechtschöpfung eine nach seiner Ansicht „verfassungskonforme“ Auslegung (gleiches Recht für Tarif- und Sonderabnehmer) zu Hilfe nimmt und damit einen entgegengesetzten Sinn herbeiführt.
--- Ende Zitat ---
Das was der VIII. BGH-Senat in Bezug auf § 4 Abs. 1 u. Abs. 2 AVBGasV / § 5 Abs. 2 GasGVV unternommen hat, indem er den § 315 BGB zur Anwendung brachte, stellt allenfalls den Versuch einer \"verfassungskonformen\" Auslegung dar.
Denn in den genannten Bestimmungen liest sich nirgendwo, dass dem Versorger bei der einseitigen Tarifbestimmung hierbei ein billiges Ermessen eingeräumt sei.
Da dem Rechtsstaatsgebot gem. Art. 20 Abs. 3 GG der Bestimmtheitsgrundsatz innewohnt, sind die genannten Bestimmungen unbestimmt und erlauben, liest man den § 315 BGB nicht mit, die willkürliche Tariffestsetzung. Dass solches nicht angeht, braucht nicht vertieft zu werden.
Wenn aber der Gesetzgeber mit den Bestimmungen gem. § 1 und § 2 EnWG Regeln aufgestellt hat, welche er zudem in § 39 Abs. 1 EnWG noch explizit erwähnt, nach denen Allg. Preise gebildet werden müssen (jedenfalls dann, wenn der Gesetzgeber auch noch in die Tastatur der Preisbildung greifen hätte wollen), dann stellt sich die Frage, wodurch sich eine verfassungskonforme Auslegung mit Hilfe des § 315 BGB begründen lassen soll.
Wo findet sich der verfassungskonforme Ansatz für einen auf § 315 BGB gestützten \"Anfangspreis\" oder die sog. \"Sockelpreistheorie\" ?
Die mit dieser Theorie eingetretenen Verbiegungen (die individuelle Betrachtung des Preisgefüges jeweils danach, ob oder ob nicht widersprochen wurde) kennt man ja.
Es kann bezweifelt werden, ob der gesetzgeberische Wille vor dem Hintergrund der §§ 1 und 2 EnWG und im Zusammenhang mit den AVB\'s eine Sockelpreistheorie im Auge gehabt hat.
Möglicherweise hätte spätestens am 13.06.2007 Anlaß bestanden, die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen gem. § 4 Abs. 1 und Abs. 2 AVBGasV auf den Prüfstand der hierzu berufenen Prüfinstitution zu stellen, anstelle mit einer \"Krücke\" das Problem \"verfassungskonform\" zu lösen.
Ganz abgesehen davon, wie anmaßend erscheint, das gesetzliche Modell der Allg. Preise zu denen Jedermann an die öffentliche Versorgung anzuschließen ist nach dem EnWG, durch die Sockelpreistheorie zu konter karieren.
Es erscheint noch anmaßender heute, jetzt wo sich die Frage der angeblich bestehenden Notwendigkeit der \"Gleichbehandlung\" von Tarif- und Sonderabnehmerkunden stellt, das Wischi-Waschi-Modell des § 315 BGB in den Prüfungsrahmen gem. § 307 BGB zu implementieren.
Und der Vogel über das Ganze wird dann noch damit abgeschossen, zu behaupten, eine Klausel sei sehr wohl transparent, obwohl der Abnehmer nirgendwo lesen kann, dass sein Gegenüber in der Lage sei nach billigem Ermessen einseitig über die Gegenleistung zu bestimmen.
Bislang ist davon auszugehen, dass im Zeichen der Privatautonomie die Parteien im Rahmen einer Individualvereinbarung vereinbaren, dass dem Gegenüber eine einseitige Leistungsbestimmung nach Vertragsabschluß nach billigem Ermessen zustehen soll.
Welche Interessenlage des Versorgers ist dabei schützenswert, sich mit Hilfe einer nebulösen Klausel eines billigen Ermessens zu versichern, wo doch die Maßstäbe für den Preis aus den Bestimmungen gem. §§ 1 und 2 EnWG hergeleitet werden müssen.
Dass billiges Ermessen auch dann Geltung besitzt, obwohl die Parteien keine Vereinbarung hierüber getroffen haben, dafür aber entsprechende gesetzliche Regelungen bestehen die dies vorsehen, zeigt sich anhand einer Fülle von Bestimmungen (z.B. §§ 660, 745, 971, 1024, 1246, 1382, 2048, 2156 BGB - weiter Beispiele aus anderen Normen könnten noch folgen).
Ist es aber so, wie soeben beschrieben, dann existiert hierfür eine klare, verständliche und bestimmte Rechtsgrundlage, so wie dies Art. 20 Abs. 3 GG verlangt.
bolli:
--- Zitat ---Original von Jagni
@bolli
Es gibt überhaupt keinen Grund jetzt die Ohren hängen zu lassen, nur weil RR-E-ft das Thema platt gemacht hat.
Die „Merkwürdigkeiten“, um die es Ihnen wohl geht, sind hier im Forum fein säuberlich aufgestapelt und wenn ich nur tief genug grabe, dann hole ich auch noch alle Echauffierungen von RR-E-ft hervor, die zu diesem Thema passen.
--- Ende Zitat ---
ICH werde wegen RR-E-ft\'s Bemerkungen nicht die Ohren hängen lassen. Und die regelmäßigen Leser des Forums werden sicherlich auch seine Bemerkungen dazu kennen.
Ich möchte auch nicht unnötig lamentieren sondern nur auf die Besonderheiten dieses Senats aufmerksam machen, auf die man sich einstellen muss, wenn man mit ihm zu tun bekommt und wo man versuchen muss, ggf. mikt anderen Meinungen sauber gegenzuargumentieren.
Um aber die Unsäglichkeit des sogenannten Sockelpreises aufzuzeigen gilt es neben den sachlichen Argumenten in gesetztesmaterieller Hinsicht auch die sachlichen Argumente, die der VIII. Senat in seiner derzeitigen Besetzung liefert, aufzuzeigen.
Und da sind solche \"Nebentätigkeiten\" wie die von Herrn Ball eben auch \"sachliche Argumente\". Ebenfalls in diese Kategorie fallen aus meiner Sicht die zahlreichen Obiter dicta Entscheidungen, die in dieser Häufung nach den Äußerungen der hier im Forum anwesenden RAe doch eher ungewöhnlich sind.
@tangocharly
Sie stellen einige schöne Fragen, die ja nicht neu sind, wo es aber immer wieder neu interessant wäre, sie mal vom VIII. Senat beantwortet zu bekommen.
--- Zitat ---Original von tangocharly
Wo findet sich der verfassungskonforme Ansatz für einen auf § 315 BGB gestützten \"Anfangspreis\" oder die sog. \"Sockelpreistheorie\" ?
--- Ende Zitat ---
Im Gegenteil finde ich derzeit nur mal wieder den Ansatz des Kartellsenats des BGH, die er in seinen Urteilen zum Stromnetznutzungsentgelds vom 18.10.2005 - KZR 36/04, 04.03.2008 - KZR 29/06 und zuletzt vom 20.07.2010 - EnZR - 23/09 immer wieder die Überprüfung des GESAMTEN Preises bejaht, was (natürlich) auch meiner Lesart der entsprechenden Vorschriften entspricht.
--- Zitat --- Urteil vom 18.10.2005 - KZR 36/04 Rdnrn. 22 u. 23
3. Der damit eröffneten Nachprüfung der Billigkeit des Netznutzungsentgelts, das die Zedenten zu zahlen haben, steht auch nicht entgegen, dass in dem Netznutzungsvertrag durch die Bezugnahme auf das Preisblatt die Höhe des Erstentgelts betragsmäßig bestimmt worden ist und das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, dass das streitige, seit dem 1. November 2001 zu zahlen-de Entgelt aufgrund der vertraglich vorgesehenen jährlichen Überprüfung er-höht worden ist.
Nach der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ist allerdings auch bei einem gesetzlichen Preisbestimmungsrecht eine etwaige Unbilligkeit eines bei Vertragschluss vereinbarten (oder durch vorbehaltlose Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zum vereinbarten Preis gewordenen) Preises nicht zu prüfen und selbst bei der Nachprüfung eines erhöhten Preises nicht zu berücksichtigen (BGH NJW 2007, 2540 Tz. 29, 36). Diese Rechtsprechung beansprucht jedoch ausdrücklich keine Geltung für den Fall, dass bei Leistungen der Daseinsvorsorge wegen einer Monopolstellung des Versorgers oder wegen eines Anschluss- und Benutzungszwanges eine Überprüfung der Billigkeit des Preises in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB geboten ist (aaO Tz. 33-36). Sie ist auch bei einem Netznutzungsvertrag nicht anzuwenden, bei welchem dem Netzbetreiber das Recht zusteht, das Netznut-zungsentgelt nach billigem Ermessen festzusetzen.
--- Ende Zitat ---
Da es in beiden Fällen um ein einseitiges gesetzlich begründetes Leistungsbestimmungsrecht geht und auch die Rechtsgrundlage des EnWG identisch ist, dürfte eine Übertragung der Ansicht sowie der Rechtssprechung des Kartellsenats auf \"normale\" Energielieferungen zulässig sein.
Leider kommen im Augenblick keine entsprechenden Entscheidungen aus der Kartellrechtsebene an den Kartellsenat, so dass bei einer beabsichtigten abweichenden Rechtssprechung von der des VIII. Senats eine Anrufung des Obersten Senats erfolgen müsste.
Im Gegenteil ist der letzte Fall, der an und für sich von seinem bisherigen Instanzenweg vor dem Kartellsenat hätte landen müssen, ( BGH VIII ZR 178/09 - Abgrenzung Tarifkunde/ Sondervertragskunde) urplötzlich beim VIII. Senat \"aufgeschlagen\". Ein Grund für diese Verschiebung ist mir bisher leider noch nicht bekannt geworden. Durch Rücknahme der Revision hat es dort allerdings auch keine Verhandlung und somit kein Urteil gegeben.
--- Zitat ---Original von tangocharly
Es erscheint noch anmaßender heute, jetzt wo sich die Frage der angeblich bestehenden Notwendigkeit der \"Gleichbehandlung\" von Tarif- und Sonderabnehmerkunden stellt, das Wischi-Waschi-Modell des § 315 BGB in den Prüfungsrahmen gem. § 307 BGB zu implementieren
--- Ende Zitat ---
Auch hier befindet sich der VIII. Senat mal wieder auf dem Holzweg. Aus meiner Sicht vergleicht er Äpfle mit Birnen und versucht anschließend weiterhin sortenreines Obst heraus zu bekommen.
Da die Grundlage für die beiden Vertragsarten nun mal grundsätzlich unterschiedlich ist (hier die allgemeine Grundversorgung gem. EnWG und Strom- bzw. GasGVV und somit GESETZLICHE Lieferpflicht mit dem RECHT der Preisbestimmung aber auch der PFLICHT, die übrigen gesetzlichen Regelungen einzuhalten
und dort die individuelle Vereinbarung auf Energielieferung nach individuell vereinbarten vertraglichen Regelungen (Sondervertrag) . Da kann ich mir doch nicht das RECHT der Preisbestimmung herauspicken und dieses dann in den Sondervertrag \"einpflanzen\" OHNE die anderen gesetzlichen Regelungen des GV-Vertrags mitzunehmen.
Das sieht doch ein Hund mit Krückstock, dass da was nicht stimmt. Nur der VIII. Senat WILL es nicht sehen (oder kann er es nicht?)
--- Zitat ---Original von tangocharly
Und der Vogel über das Ganze wird dann noch damit abgeschossen, zu behaupten, eine Klausel sei sehr wohl transparent, obwohl der Abnehmer nirgendwo lesen kann, dass sein Gegenüber in der Lage sei nach billigem Ermessen einseitig über die Gegenleistung zu bestimmen.
--- Ende Zitat ---
Schon die \"normale\" Auslegung des Transparenzgebotes des BGH überfordert die Mehrzahl der Verbraucher, da sie zwar wenigstens z.B. die Preisbestandteile genannt bekommen, von denen ihr Preis abhängt, aber bei entsprechenden Erhöhungen nicht nachvollziehen können, wie sich der Preis der einzelnen Bestandteile verändert hat, da ihnen viele Quellen nicht zugänglich sind oder sie die \"passenden\" Preise nicht herausfinden können. Aber letztlich ist das ja auch egal, da ihnen im Falle, dass ihnen der Preis nicht angemessen erscheint, ja eh nur der Weg zu einem anderen Anbieter bleibt (dessen Preise komischerweise ähnlich hoch sind und dessen Konzern ähnlich hohe Gewinne erwirtschaftet, wie das Unternehmen, welches sie zu verlassen beabsichtigen).
Mit der \"Vorlage\" des VIII. Senats aus seinem Urteil 17.12.2008 VIII 274/06 im Rücken tun sich die Versorger natürlich leicht, die Einbeziehung des gesetzlichen Preisbestimmungsrechts in ihre Verträge zu übernehmen obwohl dieses Recht ja normalerweise NUR für die GESETZLICHE GRUNDVERSORGUNG gilt (wo dann auch alle anderen gesetzlichen Regelungen gelten und insofern eben keine Gleichstellung zwischen GV-Kunden und SV-Kunden gegeben ist :evil:). Aber dem VIII. Senat sei Dank, das kriegen wir schon hin. (@Black: ich weiss, ich weiss, es gab auch VERBRAUCHERfreundliche Urteile. Aber darum geht es nicht, es geht um Nachvollziehbarkeit und saubere Argumentation).
Jagni:
@ tangocharly
Die Adventszeit ist noch nicht greifbar, aber dennoch geben Sie mir schon auf, Nüsse zu knacken. Mir reicht es eigentlich, wenn ich hierzu Aufträge meiner Frau entgegen zu nehmen habe.
Allerdings reizen mich Ihre Anforderungen.
--- Zitat ---von tangocharly
Das was der VIII. BGH-Senat in Bezug auf § 4 Abs. 1 u. Abs. 2 AVBGasV / § 5 Abs. 2 GasGVV unternommen hat, indem er den § 315 BGB zur Anwendung brachte, stellt allenfalls den Versuch einer \"verfassungskonformen\" Auslegung dar.
--- Ende Zitat ---
Ihrem Gedanken entnehme ich, dass wir die gleiche Stoßrichtung haben. Lediglich in der Wahl der Verletzungstatbestände, mit der die neue Rechtsetzung des VIII. Senats angegriffen werden soll, unterscheiden wir uns noch. Während Sie die gebotene Rechtsstaatlichkeit nicht gewahrt sehen, halte ich mich zunächst an der Grundrechtsverletzung fest.
Wichtig ist, dass die jeweiligen Argumente tragen.
Bei meiner nachfolgenden Betrachtung orientiere ich mich an der neuen Rechtschöpfung des VIII. Senats, weil sie, zwar bestritten und weiterhin angegriffen, dennoch Realität geworden ist. Die Rückfindung zu dem herkömmlichen Recht ist noch offen.
--- Zitat ---von tangocharly
Denn in den genannten Bestimmungen liest sich nirgendwo, dass dem Versorger bei der einseitigen Tarifbestimmung hierbei ein billiges Ermessen eingeräumt sei.
--- Ende Zitat ---
Die Bestimmung, z.B. § 5 Abs 2 GasGVV ist bei ihrer Verlagerung aus dem Tarifrecht der Daseinsvorsorge zunächst als Rechtsvorschrift, die das gesetzliche Preisänderungsrecht umschreibt, gestartet und dann wundersam als Preisklausel im allgemeinen Vertragsrecht gelandet. In ihr ist jetzt die einseitige Leistungsbestimmung im Sinne des § 315 BGB, das billige Ermessen und die Wirksamkeit vereinigt. Man könne geradezu von einer Dreifaltigkeit sprechen.
Mit der “unveränderten“ Übernahme der Rechtsvorschrift wandert auch der ganze Schweif an Rechtsfolgen in den Sondervertrag mit hinein. Dazu gehört eben auch das einseitige Leistungsbestimmungsrecht, und zwar das gesetzliche. Das billige Ermessen kommt daher unmittelbar/direkt aus dem Gesetz (§ 315 BGB) heraus zur Anwendung. Mit Vertragsschluss vereinbaren die Vertragspartner sogar, dass einer von ihnen die Leistung zu bestimmen hat.
Jeder Klauselverwender, der sich eine solche Rechtsmacht verschafft hat, oder durch Gesetz verliehen bekommt, muss kontrolliert werden können!
Die entgegenstehende Meinung, dass der Gedanke einer Verknüpfung von wirksamer Preisänderungsklausel mit dem billigen Ermessen in einem Sondervertrag nicht trägt, argumentiert aus dem herkömmlichen Recht heraus. Ihr ist nicht zu widersprechen, so lange sie dort verweilt.
Mein Versorger, der vorausschauende, hilft sich selbst weiter, um einem Vorwurf der Verletzung des Bestimmtheitsgebotes auszuweichen. Er erklärt in seinen AGB, dass alle Preisanpassungen ausschließlich nach Maßgabe der Billigkeit erfolgen.
Es wird einem daher nicht gelingen, bei Betrachtung der Klausel im Sondervertrag die Möglichkeit zur Ausübung der Billigkeitskontrolle zu übersehen. Daher zieht an dieser Stelle wohl auch nicht der Willkürvorwurf, der im folgenden Zitat auftaucht:
--- Zitat ---von tangocharly
Da dem Rechtsstaatsgebot gem. Art. 20 Abs. 3 GG der Bestimmtheitsgrundsatz innewohnt, sind die genannten Bestimmungen unbestimmt und erlauben, liest man den § 315 BGB nicht mit, die willkürliche Tariffestsetzung. Dass solches nicht angeht, braucht nicht vertieft zu werden.
--- Ende Zitat ---
Aus dem Zitat wird nicht deutlich, wen Sie angreifen wollen. Die in ihrer eigenen Unsicherheit zitternde Klausel, oder die besagten Rechtsvorschriften in den Verordnungen?
Will man mit dem Bestimmtheitsgrundsatz angreifen, wäre m.E. dort zuzuschlagen, wo die Rechtsvorschrift ihre Heimat hat, denn dort ist sie von ihrem Wortlaut her genau so unbestimmt, wie in dem Sondervertrag, in dem sie die Verwirrung auslöst. Wir können uns jedoch nicht ausschließlich am Wortlaut festhalten.
Es gibt viele Beispiele, in denen unter Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes Gesetze zu Fall kamen. Warum auch nicht eine Rechtsverordnung. Ist das aber unsere Zielrichtung? Ich meine nicht.
Wenn Sie aber die implantierte Preisklausel angreifen wollen, was ich eher vermute, dann steht folgender Gedankengang im Weg:
Jede rechtskräftige Erklärung ist dem Bestimmtheitsgebot unterworfen. Insoweit bin ich bei Ihnen. Es stellt sich nun die Frage, wie dem Gebot Genüge getan wird, wenn die Preisklausel auf dem Prüfstand steht. Bei dieser Prüfung wird auf ausreichend erkannt, wenn die Bestimmung an billiges Ermessen gebunden ist. Siehe hierzu Rechtsgutachten Prof. Schwintowski S. 7, 2. a), entnommen einer Aufsatzbesprechung von RR-E-ft.
Die Bindung hat der VIII. Senat umfänglich eingefädelt.
Wenn wir uns über den Gedankengang des VIII. Senats verständigen können, dass es einen hinreichend erkennbaren Weg zu dem Instrument der Billigkeitskontrolle gibt, ist jetzt noch Ihre Frage offen:
--- Zitat --- von tangocharly
Wo findet sich der verfassungskonforme Ansatz für einen auf § 315 BGB gestützten \"Anfangspreis\" oder die sog. \"Sockelpreistheorie\"?
--- Ende Zitat ---
Offen gesagt, habe ich dieses Problem noch nicht ausreichend durchdacht. Bei erster Betrachtung erscheint es mir aber auch der schwierigere Weg zu sein, einen verfassungskonformen Ansatz zu suchen, um diese Sockelpreistheorie zu rechtfertigen oder anzugreifen.
Ich würde an ein solches Problem eher im umgekehrten Sinne herangehen und fragen, in welchem meiner Rechte bin ich durch die Staatsgewalt verletzt? Staatsgewalt wird auch durch die vollziehende Tätigkeit, im Sinne von rechtsprechender Gewalt ausgeübt und unterliegt daher ebenfalls der Kontrolle des Verfassungsgerichts. Ich will dieses Thema daher zunächst auf eine Bank schieben, die hoffentlich keine lange ist. Vielleicht greift hier aber auch @Black, der abseits des schlichten Gemüts argumentierende Versteher der Materie ein und löst die Frage auf. Er hat aus dem Dunstkreis dieses Themas sowieso noch eine Bringschuld (siehe auch hier).
Sollte der Anlauf zur Zurückgewinnung des mit dem EU-Recht in Einklang stehenden Verbraucherschutzes über den Weg des EuGH nicht erfolgen, aus welchen Gründen auch immer, braucht es einen weiteren Weg zur Durchsetzung des Verbraucherrechts.
Als Bürger, hier Verbraucher, kann ich mich gegen Verletzungen durch die Staatsgewalt wehren, wenn ich mich auf die in Art 93 Abs 1 Nr. 4a GG genannten Fälle berufe (Verfassungsbeschwerde). Untersuchen wir dagegen Verletzungen vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips, also einem tragenden Verfassungsgrundsatz, wird das beim Ergebnis eines Verstoßes weitere Tore öffnen, die zum Verfassungsgericht führen.
Denkbar wäre aber auch, dass ein Gericht, z.B. das OLG Oldenburg, von sich aus die verfassungsmäßige Vereinbarkeit prüfen lässt. Das wäre aber der langwierige Weg.
Unter Zuhilfenahme des Art 20 Abs 3 GG, auf den Sie zugesteuert sind, wäre noch weiter zu prüfen, inwieweit sich der Senat bei seiner Rechtschöpfung an Gesetz und Recht gebunden sah, ob eine Rückführung auf ein formelles Gesetz erkennbar ist, ob der Wille des Gesetzgebers für eine solche Rechtsetzung vorliegt und wenn ja, ob er auch richtig gedeutet und nicht gar missdeutet wurde, wie es um die Rechtssicherheit bestellt ist, wenn so nebenbei ein derart gewaltiger Umbruch im Recht erfolgt, ob das herkömmliche Recht in ausreichendem Maße gewürdigt, oder ob ihm sogar Gewalt angetan wurde, ob die Anrufung des Großen Senats bewusst und aus welchem Grund umgangen und damit dem Rechtsuchenden möglicherweise der gesetzliche Richter entzogen wurde und letztlich, ob aus der Summe der Erkenntnisse jene unerträgliche Verwerfung entstanden ist, die das neue Recht des VIII. Senats als ein unrichtiges Recht ausweist.
Es gibt also noch andere Wege die nach Rom führen. Sie, tangocharly, haben einen aufgezeigt.
Gruß
Jagni
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