Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB

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RR-E-ft:
@Jagni

Bitte gern.

Es wurde in der vorhergehenden Vorlesung unseres Telekollegs versucht, zu vermitteln, warum in der Grundversorgung als vertragliche Preishauptabrede ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (und kein bestimmter Preis) vereinbart ist, welches von Anfang an zur unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB führt. Damit ist das Lernziel umrissen.

Insbesondere wurde dabei  auf den bisher vermissten \"Transformationsriemen\" in § 1 Abs. 1 Satz 2 GVV verwiesen und herausgearbeitet, dass die deshalb vertragsgegenständliche Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 GVV auf eine  Preishauptabrede in Form eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts hindeutet.

Der Senat meint hingegen, auch in der Grundversorgung sei bei Vertragsabschluss zunächst ein feststehender Preis vereinbart und dieser vereinbarte Anfangspreis unterliege deshalb keiner Billigkeitskontrolle (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16). Der Senat meint ferner hingegen, bei bestimmten Normsonderverträgen folge aus der vollständigen Einbeziehung der Bestimmungen der AVBGasV/ GasGVV, insbesondere bei unveränderter Übernahme von § 4 AVBGasV/ § 5 GasGVV eine wirksame Preisänderungsklausel - mithin eine vertragliche Preisnebenabrede.

Der Senat geht also dabei jeweils von einer vertraglichen Preishauptabrede (bei Vertragsabschluss vereinbarter Preis) und einer Preisänderungsklausel als Preisnebenabrede aus.

Warum dies jedenfalls nach den Lehren der almer mater jenensis nicht übereingeht, sollte am Ende der vorhergehenden Unterrichtseinheit vermittelt worden sein:  

Die vertragliche Preishauptabrede kann in einem einseitigem Leistungsbestimmungsrecht bestehen.
Es ist jedoch nicht möglich, dass ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht den Inhalt einer vertraglichen Preisnebenabrede (Preisänderungsklausel) ausmacht.

Die Stoffkontrolle ergibt nun, dass der beabsichtigte Lerninhalt bisher leider nicht erfolgreich  vermittelt werden konnte, das Unterrichtsziel somit nicht erreicht ist.



--- Zitat ---Original von Jagni
@ RR-E-ft




--- Zitat ---RR-E-ft

Wollte man einen Normsondervertrag in dem von Ihnen wohl verstanden Sinne annehmen, dann ergäbe sich wohl, dass auch bei diesen besonderen Sonderverträgen bei Vertragsabschluss kein (zunächst) feststehender Preis, sondern von Anfang an ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46, VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16, VIII ZR 81/08 Rn. 18] als vertragliche Preishauptabrede vertraglich vereinbart sei. Dann stellte sich jedoch auch dort nicht erst die Frage nach einer - der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegenden Preisänderungsklausel als Preisnebenabrede (vgl. nur BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 32).

Vielmehr würde auch dort wegen der Preishauptabrede, die ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vorsieht, von Anfang an § 315 BGB unmittelbare Anwendung finden, weil die vertraglichen Voraussetzungen dafür vorliegen (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Dass es möglich ist, Sonderverträge abszuschließen, die als Preishauptabrede ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers vorsehen, hatte ich immer wieder ausgeführt.
--- Ende Zitat ---

Das ist es, was ich der neuen Rechtsprechung des VIII. Senats entnehme.


Gruß
Jagni und Danke für die Vorlesung
--- Ende Zitat ---


 
Was der Proband der neuen Rechtsprechung des VIII. Senats entnehmen möchte, ist dieser schon nicht zu entnehmen:

Der Senat spricht immer von Preisänderungsklausel, also vertraglicher Preisnebenabrede, niemals jedoch von vertraglicher Preishauptabrede in Form eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts.

Ein Repetitorium scheint deshalb angezeigt:

Die gesetzliche Regelung jedenfalls sieht eine vertragliche Preishauptabrede in Form eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts vor, §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG iVm. §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 2 EnWG.

Insoweit entspricht die Rechtsprechung des Senats sowie seine manifestierte Rechtsauffassung (wonach dabei die Preishauptabrede ein vereinbarter Preis sei) jedenfalls nicht der Gesetzeslage.

Es gibt nach der gesetzlichen Regelung nur eine (allein der Billigkeitskontrolle unterfallende) gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers gem. §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG iVm. § 6 Abs. 1 Satz 2 GVV.

Ferner sind in diesem Bereich nach der gesetzlichen Regelung (die Billigkeitskontrolle ausschließende) Preisvereinbarungen mit Einzelkunden gesetzlich unzulässig und ausgeschlossen.

Der vertragsgegenständliche § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV verpflichtet den Grundversorger, die ihm möglichen Maßnahmen zu treffen, um dem Kunden am Ende des Netzanschlusses, zu dessen Nutzung der Kunde nach der Niederdruckanschlussverordnung berechtigt ist, zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen.

Eine der ersten Maßnahmen, zu denen der Grundversorger demnach im Grundversorgungsvertrag verpflichtet ist, besteht darin, unter Beachtung von §§ 2, 1 EnWG die jeweiligen Allgemeinen Preise einseitig festzusetzen. Das macht ja sonst auch  niemand für ihn und der Grundversorger ist nun einmal allein zu dieser Festsetzung gem. § 36 Abs. 1 EnWG gesetzlich verpflichtet.

Es ist rein gar nichts dafür ersichtlich, dass Versorger in Sonderverträgen eine solche gesetzliche Preisbestimmungspflicht in Anspruch nehmen (wollen), die vertragliche Preishauptabrede auch bei Sonderverträgen in einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht bestehen soll.  

Sie werden vielmehr im Rahmen der Vertragsfreiheit unter Gewinnmaximierungsgesichtspunkten Preise bilden und diese nur auf den ihnen genehmen  Märkten und dort  auch nur so lange anbieten (wollen), wie es ihren Profitmaximierungsinteressen dienlich ist.  

Die gesetzliche Grundversorgung sieht indes andere gesetzliche Verpflichtungen vor.

Es kann nur ein stetes Repetitorium anempfohlen werden, wenn das Klassenziel noch erreicht werden soll.  Üben, üben, üben .. Und viel Erfolg dabei! ;)

RR-E-ft:
Zuweilen liegen die Fortschritte am Lehrkörper.
Zum besseren Verständnis wird das Skriptum wie folgt abgeändert:

Nach der gesetzlichen Regelung enthält der Grundversorgungsvertrag gem. §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 2 GVV eine vertragliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers (vertragliche Preishauptabrede). Nach der vertragsgegenständlichen Regelung jedes Grundversorgungsvertrages ist der Grundversorger vertraglich verpflichtet, auch nach Vertragsabschluss den Preis einseitig zu bestimmen.

§ 315 BGB betrifft eben eine solche vertragliche Preisbestimmungspflicht eines Vertragsteils (vertragliche Preishauptabrede).

Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm:

\"Soll eine Partei nach Vertragsabschluss die Leistung bestimmen...\"

Die Parteien müssen vertraglich vereinbart haben, dass eine von ihnen verpflichtet ist, nach Vertragsabschluss den Preis zu bestimmen. Der Anwendungsbereich der Norm ist deshalb nicht eröffnet, wenn die Parteien bei Vertragsabschluss [als vertragliche Preishauptabrede] einen Preis verbindlich vereinbart hatten (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Ein \"gesetzliches Preisänderungsrecht\" besteht nicht, weshalb wir den irreführenden Terminus sogleich aus unserem Gedächtnis verbannen wollen:
 
Ein Preisänderungsrecht (als vertragliche Preisnebenabrede) würde einen vereinbarten Preis (als vertragliche Hauptabrede) voraussetzen.

Nach der ger gesetzlichen Regelung in §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG iVm. §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 2 GVV sind in diesem Bereich Preisvereinbarungen (als vertragliche Preishuaptabrede) gesetzlich unzulässig und deshalb ausgeschlossen.

Man sollte deshalb mit Bezug auf § 315 BGB aus Gründen der Klarheit tunlichst von einer vertraglichen Preisbestimmungspflicht sprechen, welche die vertragliche Preishauptabrede ausmacht.

jofri46:
Ich übe, bin aber schon im Grundsatz stecken geblieben:

Der Grundversorger hat den Bezug von Gas zu angemessenen Bedingungen, d. h. möglichst preisgünstig und verbraucherfreundlich zu ermöglichen. Er bestimmt, zu welchen Bedingungen und zu welchen Tarifen das Gas verkauft wird. Dazu hat er alle ihm gesetzlich auferlegte Maßnahmen gem. EnWG und GasGVV getroffen, u. a. seine allgemeinen Bedingungen und allgemeinen Preise veröffentlicht und für den potentiellen Kunden zugänglich gemacht.

Das heißt, die gesetzliche Verpflichtung des Grundversorgers geht (aber auch nur) soweit, dass er alle Maßnahmen und Vorhaltungen zu treffen hat, die erst den Abschluss eines Grundversorgungsvertrages und anschliessend den Gasbezug ermöglichen.

Der Kunde ist nun so frei, dem Grundversorger den Abschluss eines Grundversorgungsvertrages anzutragen oder es sein zu lassen. Das Vertragsangebot (zu den allgemeinen Bedingungen und Preisen) geht also vom Kunden aus. Der Grundversorger ist verpflichtet, das Angebot anzunehmen, durch Bestätigung oder durch Belieferung.

Was ist das anderes als ein vorformulierter Standardvertrag einschl. einer Preisvereinbarung, zu dem sich der Kunde entschlossen und den er dem Grundversorger angetragen hat?

Ich verspreche, weiter zu üben...

RR-E-ft:
@jofri46

Der gute Wille zählt schon viel. Er ist mir jedenfalls eine Freude.
Nur liegt beim Verständnis der Gesetzeslage wohl noch einiges im Argen.
Steht nur zu hoffen, dass solche Kenntnislücken nicht auch an maßgeblicher Stelle in EVU zu verzeichnen sind.

Eine Vertiefung scheint angezeigt. Hilfestellung anbei.

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Heute soll es uns nun um die ganze Schuld aller Grundversorger gehen.
Gewidmet den Kollegen vom Energiekombinat und den Städtischen Electricitäts- und Gaswerken.
 
Der Grundversorger trägt den Haushaltskunden zumeist in Form einer Realofferte einen Vertragsabschluss an.
Er ist zu einer solchen Offerte gesetzlich verpflichtet. Er schuldet diese allen (selbst nur potentiell) grundversorgungswilligen Haushaltskunden. Und die geschuldete Offerte darf schon keine beliebigen oder für den Grundversorger besonders günstigen Preisbestimmungen enthalten.  

Er ist dabei gesetzlich verpflichtet, solche Allgemeinen Preise festzusetzen und öffentlich bekannt zu geben [mithin für den Vertragsabschluss mit Haushaltskunden feilzubieten], die mit der gesetzlichen Verpflichtung des Versorgers aus §§ 2, 1 EnWG im Einklang stehen, folglich den grundversorgungswilligen Haushaltskunden tatsächlich eine möglichst sichere, möglichst preisgünstige, möglichst effiziente leitungsgebundene Versorgung mit Elektrizität und Gas ermöglichen.  

Der oftmals (konkludente) Vertragsabschluss durch Annahme vg. Realofferte [die ihrerseits dem vom Grundversorger Geschuldeten entsprechen muss] allein durch Energieentnahme gründet jedoch nicht auf einer verbindlichen Preisvereinbarung, sondern auf der vertraglichen Vereinbarung einer (auch) nach Vertragsabschluss geltenden Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers.

Dies ergibt sich m.E. bereits aus §§ 36 Abs. 1 EnWG, 2, 1 EnWG iVm. §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 2 GVV.

Dem Grundversorger ist es gem. § 36 Abs. 1 EnWG verwehrt, im Bereich der Grundversorgung mit einzelnen Haushaltskunden Preise verbindlich zu vereinbaren.

Er ist vielmehr schon gesetzlich verpflichtet, in der Grundversorgung ausnahmslos jeden Haushaltskunden nur zu denjenigen jeweiligen Allgemeinen Preisen zu versorgen, die er selbst (und niemand sonst) [unter Beachtung der Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG] einseitig zu bestimmen und sodann öffentlich bekannt zu geben verpflichtet ist.

Die genannte Preisbestimmungspflicht ist dabei eine fortlaufende.
Insbesondere ist der Grundversorger von einer solchen Verpflichtung aus genannten Gründen nicht durch Preisvereinbarungen mit einzelnen Haushaltskunden entbunden.  

Er kann also gerade nicht darauf verweisen, er sei von der Verpflichtung zur Bestimmung der jeweiligen Allgemeinen Preise unter Beachtung von §§ 2, 1 EnWG entbunden, weil er ein bisheriges Preisniveau mit einzelnen Haushaltskunden vertraglich vereinbart habe. Er muss insbesondere weiterhin alle ihm möglichen Maßnahmen ergreifen, um noch kostengünstiger, noch effizienter zu werden und ist zudem verpflichtet, dabei gewonnene Kostenvorteile an die Kunden weiterzugeben (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Dem Grundversorger ist es folglich rechtlich verwehrt, sich auf einem hohen Preisniveau auszuruhen, weil solches schon mit keinem grundversorgten Haushaltskunden vertraglich vereinbart ist.

Antragen kann und darf der Grundversorger auch im Wege der o. g. Realofferte deshalb keine verbindlichen Preisvereinbarungen, sondern nur eine Versorgung zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen, zu deren Bestimmung er selbst (auch nach Vertragsabschluss) verpflichtet ist.

Bei Abschluss eines Grundversorgungsvertrages wird also kein feststehender Preis verbindlich vereinbart, sondern statt dessen eine auch nach Vertragsabschluss wirkende Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers.

Selbst wenn verbindliche Preisvereinbarungen mit einzelnen grundversorgten Haushaltskunden rechtlich zulässig wären, wüsste man ja auch schon nicht, was eine solche verbindliche Preisvereinbarung bewirken sollte.

Soll sie bewirken, dass sich einzelne grundversorgte Kunden gegen eine Preisneubestimmung des Versorgers, die auf Kostenerhöhungen beruht, ausnahmsweise darauf berufen können, dass die maßgeblichen Kostensteigerungen jedenfalls bereits vor dem konkreten Vertragsabschluss mit diesen selbst eingetreten waren?

Nicht ernsthaft diskutabel.

Soll sie bewirken, dass der Grundversorger, der infolge rückläufiger Kosten zur Preisneubestimmung verpflichtet ist, sich gegenüber einzelnen grundversorgten Kunden darauf berufen kann, diesen gegenüber sei er ausnahmsweise deshalb nicht zur Preisneubestimmung verpflichtet, weil die maßgeblichen Kostensenkungen jedenfalls bereits vor deren konkreten Vertragsabschluss eingetreten waren?

Ebenso nicht ernsthaft diskutabel.

Beides hätte zur Folge, dass der Grundversorger einzelne grundversorgte Kunden - abhängig vom Zeitpunkt des jeweiligen konkreten Vertragsabschlusses - zu unterschiedlichen Preisen zu versorgen hätte, zum einen weil er diesen gegenüber ausnahmsweise eine Preiserhöhung nicht vornehmen dürfte, zum anderen weil er diesen gegenüber ausnahmsweise zur Preisherabsetzung nicht verpflichtet sei.

Dies liefe aber schon eindeutig der gesetzlichen Verpflichtung zuwider, wonach Grundversorger ausnahmslos jeden grundversorgungswilligen Haushaltskunden zu den von von ihnen selbst festgesetzten und sodann öffentlich bekannt gemachten jeweiligen Allgemeinen Preisen versorgen müssen.

All dies ist gesetzlich unzulässig, weil nach der gesetzlichen Regelung die Versorgung  ausnahmslos jedes grundversorgungswilligen Haushaltskunden - unabhängig vom Zeitpunkt des konkreten Vertragsabschlusses -  ausschließlich zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen erfolgen muss, hinsichtlich derer den Grundversorger die Preisbestimmungspflicht trifft.

Und deshalb kann und darf der Grundversorger nach der gesetzlichen Regelung gar nicht anders, als mit allen grundversorgungswilligen Haushaltskunden - unabhängig vom Zeitpunkt des konkreten Vertragsabschlusses- vertraglich  zu vereinbaren,  dass die Versorgung zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen erfolgt, hinsichtlich derer ihn (allein) die Preisbestimmungspflicht trifft.

Der Grundversorger darf mit grundversorgungswilligen Haushaltskunden keine verbindlichen Preise vereinbaren, erst recht keine ihm besonders günstigen.

Zugleich sehen wir, wie weit sich der VIII.Zivilsenat des BGH  mit seiner in heftige Kritik geratenen \"Theorie vom vereinbarten Preis bzw. Preissockel\" von der materiellen Rechtslage in wenig verantwortlicher Weise entfernt hat (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 25). Vergleicht man die dortigen Aussagen des Senats mit der materiellen Rechtslage, erscheinen diese wie eine Farce.

Auch bei dem Abschluss eines Grundversorgungsvertrages  handelt es sich um einen solchen Vertragsabschluss-  man möge annehmen können in Reinstform, den der Gesetzgeber mit der klugen Regelung der vertraglichen einseitigen Leistungsbestimmungspflicht gem. § 315 Abs. 1 BGB schon vor Inkrafttreten des BGB im Blick hatte.

\"Soll die Leistung durch einen der Vertragsschließenden bestimmt werden...\"

Beim Grundversorgungsvertrag sollen die jeweiligen Allgemeinen Preise allein vom Grundversorger bestimmt werden und bestimmt sein, den Grundversorger (auch vertraglich) die Preisbestimmungspflicht treffen, §§ 6 Abs. 1 Satz 2, 1 Abs. 1 Satz 2 GVV, 17 Abs. 1 Satz 3 GVV, 36 Abs. 1 EnWG.

Und dass der Grundversorger zudem schon seiner Realofferte keine entgegen §§ 2, 1 EnWG gebildeten einseitig bestimmten und sodann öffentlich bekannt gegebenen  Allgemeinen Preise zu Grunde legen darf, bedarf wohl auch keiner weiteren Erörterung.

Bei Lichte betrachtet ist  sogar entsprechend gesetzlicher Regelung unzulässig, Allgemeine Preise entgegen der gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG einseitig festzusetzen (zu bilden) und sodann öffentlich bekannt zu geben.

Der Grundversorger hat keine rechtliche Handhabe, den Haushaltskunden an wegen Verstoß gegen die gesetzlichen Verpflichtungen aus §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG unzulässig gebildeten Preisen festzuhalten, denn solche enstprechen nicht seiner gesetzlichen und vertragsgemäßen Schuld und sind deshalb gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unwirksam.
 
Der grundversorgte Haushaltskunde hat vielmehr Anspruch darauf, dass der Grundversorger seine Preisbestimmungspflicht ihm gegenüber in vertragsgemäßer und zugleich gesetzmäßiger Weise erfüllt, weil der Grundversorger die vertragsgemäße Preisbestimmung schuldet, und gerade  nicht irgendeine, ihm besonders genehme Preisbestimmung.

Die Pflicht des Grundversorgers erschöpft sich deshalb gerade  nicht darin, überhaupt Allgemeine Preise festzusetzen, sodann öffentlich bekannt zu geben und sodann jeden grundversorgungswilligen Haushaltskunden zu diesen (beliebig festgesetzten) Preisen zu versorgen.

Wohl der zentrale Irrtum einer ganzen Branche, ohne dass ersichtlich wäre, wer den wann wie eingepflanzt habe.

Selbst als ordentlicher Hörer von Energierechtsvorlesungen in Jena und Speyer, der zudem unter anderem  in der Bayernwerkgruppe eine gute juristische  Ausbildung genoss, bleibt mir festzustellen, dass alles Wissen insoweit durchaus  noch aus jener Zeit geschöpft werden  kann und deshalb  nicht ersichtlich ist, wann dieses Allgemeingut der Branche verlustig gegangen sein könnte. Fraglich also, wer dafür etwa verantwortlich zeichnet.



--- Zitat ---Original von jofri46

Das heißt, die gesetzliche Verpflichtung des Grundversorgers geht (aber auch nur) soweit, dass er alle Maßnahmen und Vorhaltungen zu treffen hat, die erst den Abschluss eines Grundversorgungsvertrages und anschliessend den Gasbezug ermöglichen.
--- Ende Zitat ---

Insoweit besteht gerade der Irrtum.
Nicht ersichtlich, woher man das nehmen will.
Fraglich, ob man etwa entwöhnt sei, Gesetze (zumal das \"Grundgesetz der Energiewirtschaft\")  noch zu lesen.

Weil der Gesetzgeber deutlich gesehen hatte, dass Energieversorgungsunternehmen bis dahin die Zielsetzungen des § 1 EnWG oftmals als reine Gesetzeslyrik oder Programmatik abgetan und missachtet und ihrer daraus folgenden Verpflichtung nicht nachgekommen waren, wurde mit der Energierechtsnovelle 2005 in § 2 EnWG eine klare gesetzliche Verpflichtung für Energieversorgungsunternehmen verankert, eigentlich lediglich klarstellend, weil die gesetzliche Verpflichtung bereits zuvor bestand und von allen Energieversorgungsunternehmen bei der Preisbildung berücksichtigt werden musste (BGH, Urt. v. 02.10.91 VIII ZR 240/90 unter III 2 a = NJW-RR 92, 183, 184).

Wenn der Gesetzgeber aber nunmehr schon so unmissverständlich wie ihnen hilfreich die Verpflichtung der Energieversorgungsunternehmen benennt, so darf man diese doch nun nicht auch noch fortlaufend weiter \"unter den Tisch fallen\" lassen.

Sie verlangt Beachtung, insbesondere von Grundversorgern, weil nur hierdurch der vom Gesetzgeber gewollte besondere Schutz der Haushaltskunden überhaupt bewirkt werden kann.

Geschuldet ist vielmehr entsprechend der Verpflichtung eine Preisbestimmung unter tatsächlicher Beachtung der Verpflichtung aus  §§ 2, 1 EnWG.

Der Grundversorger schuldet seinen grundversorgten Kunden die Bestimmung derjenigen jeweiligen Allgemeinen Preise, welche diesen tatsächlich eine möglichst sichere, möglichst preisgünstige, möglichst effiziente leitungsgebunde Versorgung ermöglichen.

Der Grundversorger ist gem. § 6 Abs. 1 Satz 2, 1 Abs. 1 Satz 2 GVV  insbesondere darüber hinaus vertraglich verpflichtet, alle ihm möglichen Maßnahmen zu treffen, um noch kostengünstiger, noch effizienter zu werden und ist zudem verpflichtet, dabei gewonnene Kostenvorteile an die Kunden weiterzugeben (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Gesetzlich unzulässig und nicht vertragsgemäß und folglich unwirksam ist  deshalb die Bestimmung solcher Allgemeiner Preise, die etwa mit  Rücksicht darauf gebildet wurden,  dass ein kommunaler Versorger einen möglichst hohes Ergebnis  an den kommunalen Haushalt abzuführen hat, etwa weil die Schulen am Ort neue Dächer brauchen.

Die Preise müssen unter Außerachtlassung all solcher sachfremden Erwägungen ausschließlich so vom Grundversorger festgelegt werden, dass sie dessen gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG tatsächlich entsprechen.

Nur dann werden sie vom Gesetz gebilligt und sind zugleich vertraglich zulässig, weil sie dem auch vertraglich Geschuldeten entsprechen.

Viel mehr besagen die gesetzlichen Bestimmungen bei Lichte betrachtet schon nicht.

Aus § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB ergibt sich noch, dass der grundversorgte Kunde im Falle einer gesetzlich wie vertraglich unzulässigen Preisbestimmung die vom Grundversorger geschuldete Preisbestimmung durch ein Gericht ersetzen lassen kann, weil die Allgemeinen Tarife von Anfang an gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Aber das konnte man sich wohl denken.

Unsere Rechtsordnung kennt auch sonst keinerlei gesetzlich Kontrahierungspflichtige, welche die Entgelte für ihre Leistungen nach Belieben festsetzen könnten. Auch zB. die Honorarforderungen von Patentanwälten unterliegen der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB.

Wie könnte es da wohl ausgerechnet bei grundversorgungspflichtigen  und somit kontrahierungspflichtigen Energieversorgungsunternehmen anders sein ?!  
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Nachdem wir nun vertiefend die gesetzlichen Regelungen abgehandelt haben, sollte für heute ersichtlich geworden sein, dass sich diese besonderen gesetzlichen Regelungen schwerlich in einen Sondervertrag im Rahmen der Vertragsfreiheit implementieren lassen.

Denn der Vertragsfreiheit ist die Verpflichtung zu einer Offerte, die zudem besondere  Kriterien erfüllen muss, völlig fremd.

Es sind wenige Energieversorgungsunternehmen ersichtlich, die im Rahmen der Vertragsfreiheit überhaupt verpflichtet sein könnten, tätig zu werden, Offerten zu machen.

Möglicherweise kann jemand ein solches Unternehmen benennen, wenn es sich denn finden ließe. Wem etwas dazu einfällt, der melde sich bitte.

Wurde dieser Unterschied auch verstanden, bin ich um so erfreuter.



Andernfalls gilt weiter Üben, üben, üben ... Und viel Erfolg dabei! ;)


Grüße aus Lichtstadt

RR-E-ft:
Für unseren Telekolleg- Aufbaukurs sei an Lektüre hochaktuell OLG Oldenburg, B. v. 14.12.10 Az. 12 U 49/07 dringlich empfohlen.

Der dortige Senat arbeitet auch für den ungeübten Leser zutreffend die gebotene Unterscheidung zwischen Recht und Pflicht heraus. Er zeigt auf, dass es kein gesetzliches Preisänderungsrecht für Versorger gibt, sondern nur eine Preisbestimmungspflicht.  Durch die falsche Verwendung von Termini entgegen dem Gebot der klaren Unterscheidung werde Verwirrung gestiftet, die zu Irrungen und Wirrungen - nicht nur bei den betroffenen Kunden - führen muss.

Auch § 315 BGB betrifft im Kern nur eine Leistungsbestimmungspflicht, auch wenn den klaren juristischen Verstand verwirrend in diesem Zusammenhang oft von einem einseitigen \"Leistungsbestimmungsrecht\" die Rede ist.  

§ 315 Abs. 1 BGB betrifft schon seinem Wortlaut nach eine Leistungsbestimmungspflicht.

\"Soll die Leistung durch einen der Vertragsschließenden bestimmt werden [Vertragspflicht], so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist [Pflicht, die bei der Ausübung der v. g. Vertragspflicht zu beachten ist].\"

Der betreffende Vertragsteil ist nicht nur verpflichtet, überhaupt die Leistung zu bestimmen, sondern darüber hinaus verpflichtet, sie der Billigkeit entsprechend zu bestimmen.

Eine Doppelverpflichtung, kein Recht.




--- Zitat ---BGH, Urt. v. 18.10.07 III ZR 277/06 Rn. 20:

Die Prüfung, ob die Bestimmung der Höhe des Entgelts der Billigkeit entspricht, erfordert die Abwägung der objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragspartner und eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks, in die weitere Gesichtspunkte einfließen können (Senatsurteil vom 24. November 1977 aaO S. 143 unter A. II. 2.; BGHZ 41, 271, 279; BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 240/90 - NJW-RR 1992, 183, 184 unter III. 1. m.w.N.;
--- Ende Zitat ---

Der Vertragszweck jedes Grundversorgungsvertrages liegt in einer möglichst sicheren, möglichst preisgünstigen, möglichst effizienten...leitungsbebundenen Versorgung mit Elektrizität bzw. Gas.

Die gesetzliche Grundversorgungspflicht bezweckt auch weiterhin einen besonderen Schutz der Haushaltskunden.

Die gesetzliche Regelung kennt nur diesem Zweck dienliche besondere Pflichten des Grundversorgers.

Rechte nehmen sich die Versorger oftmals unberechtigt heraus.
Man könnte auch sagen, sie machen sich die Welt, wie sie ihnen gerade gefällt. Recht haben sie damit und dabei jedoch nicht.

§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB bestimmt, dass nur dann, wenn diese Vertragspflicht zur Leistungsbestimmung vertragsgemäß erfüllt wurde, den von der Bestimmung betroffenen anderen Vertragsteil überhaupt eine wirksamen Verbindlichkeit trifft.

Kann es bessere verbraucherschützende gesetzliche Regelungen geben?
Ich meine, dass dies nicht möglich sei. Es kommt jedoch darauf an, die bestehenden gesetzlichen Regelungen noch besser anzuwenden.

Erforderlich dafür ist ein klares juristisches Verständnis von den gesetzlichen Regelungen, der Rechtslage nach dem Willen des Gesetzgebers.

 
 

@Jagni
@jofri46

Zeit für eine weitere Stoffkontrolle.
Wir wollen alsbald in Klausur gehen.

Black ist schon abgetaucht, womöglich weil er seinem Klientel bisher  nur Verwirrendes zum Vortrag gebracht hatte.  


Grüße aus Lichtstadt

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