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Autor Thema: Preisanpassungen und Jahresverbrauchsabrechnungen widersprechen!  (Gelesen 4980 mal)

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Offline RR-E-ft

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Preisanpassungen und Jahresverbrauchsabrechnungen widersprechen

Zitat
Original von RR-E-ft
Zitat
BGH, B. v. 29.06.11 VIII ZR 211/10 Rn. 17, juris:

Ist einem Energieversorger aufgrund Gesetzes oder vertraglicher Vereinbarnung ein Preisanpassungsrecht eingeräumt, so unterliegt eine auf der Grundlage dieses Rechts erfolgte Preiserhöhung als einseitige Leistugsbestimmung der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, sofern und soweit es sich nicht um vereinbarte Preise handelt (st. Rspr. des Senats; zuletzt Beschlüsse vom 18. Mai 2011 - VIII ZR 71/10, aaO unter III 2 a; vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 162/09, WM 2011, 850 Rn. 18; jeweils mwN)
....

Davon ist offenbar auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat darüber hinaus ohne Rechtsfehler angenommen, dass es sich bei den ab 2005 von der Beklagten verlangten Preisen nicht um vereinbarte Preise handelt, da der Kläger die jeweiligen Jahresabrechnungen der Beklagten beanstandet und die (erhöhten) Preise nur noch unter Vorbehalt gezahlt hat. Dem weiteren Strom- und Gasbezug durch den Kläger konnte daher nicht der Erklärungswert zukommen, er sei mit den (erhöhten) Preisen einverstanden.

Der Senat hält vorrangig die Frage für klärungsbedürftig, ob dem Versorger überhaupt wirksam ein Preisanpassungsrecht eingeräumt ist.

In diesem Zusammenhang geht der BGH der Frage nach, ob einebezogene Klauseln oder aber die gesetzlichen Regelungen überhaupt europarechtlich wirksam sind und hat diese Rechtsfrage wiederholt dem EuGH vorgelegt (BGH, B. v. 09.02.11 Az. VIII ZR 162/09, B. v. 18.05.11 Az. VIII ZR 71/10, B. v. 29.06.11 Az. VIII ZR 211/10).

Kein Zweifel gelassen hat der BGH jedoch daran, dass für den Fall, dass diese Regelungen dem Versorger wirksam ein unbestimmtes einseitiges Preisanpassungsrecht einräumen, eine Billigkeitskontrolle der einseitigen Preisanpassungen zu erfolgen hat, wenn der Kunde diesen bzw. darauf beruhenden Jahresverbrauchsabrechnungen  widersprochen hatte, so dass die einseitig abgeänderten Preise nicht als zwischen den Parteien als vereinbart angesehen werden können.

Da nach alldem die Wirksamkeit des Preisanpassungsrechts des Versorgers jedenfalls zweifelhaft erscheint, sollte man Preisanpassungen und darauf beruhenden Jahresverbrauchsabrechnungen jedenfalls zeitnah widersprechen. Dabei sollte man sowohl das Preisanpassungsrecht als solches als auch die Billigkeit der einzelnen  Preisanpassungen bestreiten und vorsorglich gem. § 315 abs. 3 BGB  einen Billigkeitsnachweis darüber verlangen, dass die einzelne Preisanpassung der gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG entspricht (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.08 Az. VIII ZR 138/07 Rn. 39, 43; BGH, Urt. v. 13.01.10 Az. VIII ZR 81/08 Rn. 18, B. v. 18.05.11 Az. VIII ZR 71/10 Rn. 11).

Mit diesem Einwand kommt eine Rechnungskürzung auf die bisher  vereinbarten Preise in Betracht, vgl. § 17 Abs. 1 Satz 3 StromGVV/ GasGVV.

Offline RR-E-ft

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Preisanpassungen und Jahresverbrauchsabrechnungen widersprechen!
« Antwort #1 am: 13. Oktober 2011, 15:04:57 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Wenn der Kunde nach Unbilligkeitseinrede seine Zahlungen kürzt, kann der Versorger das Bestehen seiner Zahlungsansprüche gerichtlich klären lassen, nämlich mit einer Zahlungsklage.

In diesem Zahlungsklageprozessdes Versorgers kann der Kunde seine Unbilligkeitseinrede, die bereits zuvor erhoben worden sein sollte, im Rahmen seiner Verteidigung erheben (BGH, Urt. v. 30.04.03 Az. VIII ZR 279/02).

Zitat
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft dasVersorgungsunternehmen die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der Ermessensausübung bei Festsetzung des Leistungsentgelts (§ 315 Abs. 3BGB) dann, wenn das Versorgungsunternehmen hieraus Ansprüche gegen dieandere Vertragspartei erhebt (BGH, Urteil vom 30. Juni 1969 - VII ZR 170/67, NJW 1969, 1809 f.; BGH, Urteil vom 4. Dezember 1986 - VII ZR 77/86, WM1987, 295 = NJW 1987, 1828 unter II 3 a; BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991- VIII ZR 240/90, WM 1991, 2065 = NJW-RR 1992, 183 unter I; zuletzt BGH,Urteil vom 5. Februar 2003 - VIII ZR 111/02, unter II 1 b, z.Veröff. in BGHZ best.; siehe auch OLG Celle, NJW-RR 1993, 630 f., jew.m.w.Nachw.).

Der Kunde sollte sich also auf die Zahlungsklage des Versorgers in seiner Verteidigung darauf berufen, dass die zur Abrechnung gestellten Preise nicht vereinbart wurden, vom Versorger (unberechtigt) einseitig festgesetzt wurden und auch nicht der Billigkeit entsprechen.

Wenn der Kunde das Recht auf einseitige Preisanpassungen und die Billigkeit der Preisanpassungen bestreitet, kann der Versorger möglicherweise auch auf Feststellung klagen, dass ihm im konkreten Vertragsverhältnis ein Preisanpassungsrecht zusteht und die vorgenommene Preisanpassung auch vertragsgemäß ist, weil sie der Billigkeit entspricht, wofür ihn jeweils die Darlegungs- und Beweislast trifft.  

Es ist also grundsätzlich am Versorger, sein bestrittenes Preisänderungsrecht, die bestrittene  Billigkeit seiner Preisanpassung und den bestrittenen Bestand seiner Forderung gerichtlich klären zu lassen.

Zwar mag der Kunde bei unberechtigten Preisänderungen auch hinreichend  Anlass haben, eine negative Feststellungsklage zu erheben. Er muss eine solche jedoch nicht erheben, sondern kann grundsätzlich abwarten, ob der Versorger seine bestrittenen Forderungen überhaupt gerichtlich geltend macht, um sich dann in diesem Prozess dagegen zu verteidigen.

Siehe auch:

OLG Celle, Urt.v. 27.01.11 Az. 13 U 100/10 Keine ergänzende Vertragsauslegung bei Zahlungsklage


Offline Stadt/Versorger

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Preisanpassungen und Jahresverbrauchsabrechnungen widersprechen!
« Antwort #2 am: 13. Oktober 2011, 20:25:32 »
Ein Fall aus der Praxis,der dazu passt ?

In den Allgemeinen Versorgungsbedingungen eines Fernwärmeversorgers stand von 1993 bis 1,4,1998 unter Punkt 8 : Die Wärmelieferung erfolgt mit Abschluß des Wärmeliefervertrages zum Preis von 9 Pf/ KWh.Alle Angaben sind Nettopreise und verstehen sich zuzüglich der ges. Mwst.

(Anm. es gab keine schriftlichen Verträge. Verträge durch Fernwärmeentnahme;Anschlußwerte wurden angemeldet,bzw.einseitig d. FWU festgesetzt,wirkten sich preislich nur einmalig beim Baukostenzuschuß und monatlich bei den Anschlußkostenbeiträgen aus)

Ab dem 1,8,1998 wurde einseitig ein neuer Tarif festgesetzt dem -wie alle anderen auch - von der Stadtvertretung entsprechend der Satzung der Stadtwerke zugestimmt werden mußte.

Der neue Tarif wurde festgesetzt - Grundpreis pro KW Anschlußleistung 96,0 DM
Arbeitspreis pro KW 4,8 Pf/Kwh

Alle Preise zuzüglich Mwst.
(Anmerkung : mit neuem Preissystem blieben die Preise für Baukostenzuschuß und monatlichen Anschlußkosten -wie vor- gleichbleibend. Allerdings wurden die Anschußleistungen nicht korrigiert,so das sich die Fernwärmepreise letztendlich drastisch erhöhten.

Durch anhaltenden Preisprotest (Billigkeit)sahen sich die Stadtwerke wohl genötigt,ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu ändern.

Die mir jetzt vorliegende Beschlußvorlage(wurde so beschlossen) sagt aus :

Erläuterung : In den \"Allgemeinen Anschlußbedingungen für die Versorgung mit Fernwärme\" der Stadtwerke N.. ist in der bisher gültigen Fassung kein Passus zur Änderung der Wärmepreise und zur Abrechnung und Erhebung von Abschlagzahlungen enthalten.
Aus diesem Grund werden die Allgemeinen Anschlußbedingungen in Punkt 8 wie folgt geändert:

Die Wärmelieferung erfolgt mit Abschluß des Wärmeliefervertrages zu den Bedingungen des derzeit gültigen Preisblattes

......Die Festsetzung der Tarifpreise erfolgt nach wie vor satzungsgemäß d.d. Gesellschafter nach Zustimmung d.d. Stadtvertretung N...

Für mich bedeutet dies,dass die Stadtwerke v. 1993 bis zur Veröffentlichung der neuen allgem Tarif best. im Jahre 2007 überhaupt kein Recht hatten,die Preise einseitig festsetzen zu können.
Meine Folgerung daraus ist,daß für vg. Zeitraum auch sämtliche Preisfestsetzungen unwirksam sein müssten;folglich auch die abgeschlossenen Verträge.
Eine vertragliche Einigung auf unberechtigt festgesetzte Tarife kann es doch dann eigentlich nicht geben ?
Der alte Preis von 9 Pf/kwh sollte bis 2007 weiterhin gelten.
Erst bei nach 2007 geschlossenen Verträgen kann eine Einigung auf die festgesetzten Tarifpreise zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erfolgt sein,da vorher dazu keine rechtliche Grundlage bestand.

Offline RR-E-ft

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Preisanpassungen und Jahresverbrauchsabrechnungen widersprechen!
« Antwort #3 am: 13. Oktober 2011, 21:39:53 »
Anders als bei der Versorgung von grundversorgten (Tarif-) Kunden mit Strom/ Gas/ Wasser gibt es bei der Fernwärme nach der Rechtsprechung schon kein gesetzliches Preisanpassungsrecht, zu welchem sich die Frage der Wirksamkeit stellen könnte.

Besonderheiten Fernwärme

Wurde in einen Fernwärmevertrag keine oder keine wirksame Preisänderungsklausel wirksam einbezogen, besteht in diesem Vertragsverhältnis regelmäßig von Anfang an kein Preisanpassungsrecht. Das bleibt grundsätzlich auch so, bis die Vertragspartner wirksam etwas anderes vereinbaren. Möglicherweise ergibt sich aus § 4 AVBFernwärmeV etwas anderes, wonach der Versorger die Bedingungen für die Zukunft einseitig abändern kann.

Siehe aber auch:

BGH, Urt. v. 13.07.11 Az. 342/09 Rn. 35 ff.

 

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