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Autor Thema: Vergleichende Vereinbarung  (Gelesen 9463 mal)

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Offline Quickly

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Vergleichende Vereinbarung
« am: 28. September 2010, 12:33:41 »
Hallo,

wir haben folgendes Schreiben bekommen und wissen jetzt nicht, wie wir uns verhalten sollten, da solch eine Reaktion der Versorger noch nirgendwo zu finden ist.

\"Widerspruch zur Gaspreisanpassung
 
Sehr geehrte Frau X, sehr geehrter Herr Y ,
wir kommen zurück auf Ihre erhobenen Gaspreiswidersprüche. Hierzu nehmen wir Stellung wie folgt:
Seitens der Gerichte wird grundsätzlich eine Möglichkeit zur Anpassung der Preise durch den Energieversorger anerkannt. Auszugsweise dürfen wir insbesondere auf das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main mit dem Aktenzeichen 11 U 61/07 verweisen. Dieses Urteil behandelt thematisch sogenannte Gasversorgungssonderverträge, mithin Gaslieferverträge wie in Ihrem Fall.
Nach Aussage dieses Urteils sind eine Preisanpassung sowie eine entsprechende Preisanpassungsklausel grundsätzlich möglich. Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main hat wörtlich ausgeführt:
\"Preisanpassungsklauseln, die eine Preisanpassung wegen und auf der Grundlage sich verändernder Kosten vorsehen, sind im Grundsatz nicht zu beanstanden. Sie sind ein geeignetes und anerkanntes Instrument zur Bewahrung des Gleichgewichts von Preis und Leistung bei langfristigen Lieferverträgen. Solche Klauseln dienen dazu, einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher -ihn belastender -Kostensteigerung zu sichern und andererseits den Vertragspartner (Anmerkung: Den Gaskunden) davor zu bewahren, dass der Verwender mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht. ((
Gleichwohl hat auch das Oberlandesgericht Frankfurt/Main eine Möglichkeit zur Verbesserung hinsichtlich der Klarheit von verwendeten Klauseln erkannt. Nach Ansicht des Gerichts soll durch eine klare Formulierung der Preisanpassungsklausel vermieden werden, dass die Energieversorger durch eine bestimmte Art der Preiserhöhung sich die Möglichkeit zur Erzielung eines zusätzlichen Gewinns vorbehalten. So weit die Theorie.
In der Praxis sieht die Sachlage so aus, dass auch die Stadtwerke Hanau GmbH in der Vergangenheit steigende Bezugskosten bei der Beschaffung der Energie verkraften musste. Gutachten eines Wirtschaftsprüfers haben der Stadtwerke Hanau GmbH die angemessene Weitergabe von Bezugskostensteigerungen erst kürzlich wieder bescheinigt. Sollten Sie sich für weiterführende Informationen zu diesem Thema interessieren, können Sie bei uns im Hause gern Einsicht in die entsprechenden Unterlagen nehmen.
Insofern können wir uns als Energieversorger vor Ort sehr gut mit der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main identifizieren. Das Gericht spricht -wie zu Beginn dieses Schreibens aufgeführt -ausdrücklich von einem Gleichgewicht zwischen Preis und Leistung. Wir als Unternehmen vor Ort gehen noch einen Schritt weiter und sprechen in diesem Fall von Fairness, die unserer Ansicht nach die Grundlage einer Kundenbeziehung bildet.
Auch wir als örtlicher Energieversorger wissen, dass für unsere Kunden als objektive Betrachter der jeweils gültige Gaspreis möglicherweise nicht immer so leicht verständlich ist wie beispielsweise der jeweils gültige Preis für Benzin an der Tankstelle. Sowohl bei Benzin als auch bei Gas hat es in der Vergangenheit deutliche Schwankungen bei den jeweils gültigen Preisen gegeben. An der Tankstelle bekommt der Verbraucher jedoch bei jedem Tankvorgang aufs Neue dokumentiert, was er für den Liter Benzin zahlen müsste. Anschließend trifft der Verbraucher die Entscheidung, ob er Benzin zu diesem Preis tatsächlich kaufen möchte. Als Gasversorger hat man jedoch den deutlichen Vorteil, dass man mit seinen Kunden im Regelfall eine langfristige Lieferbeziehung unterhält. Das Vertrauen unserer Kunden müssen und wollen wir uns jeden Tag neu verdienen. Aus diesem Grund möchten wir auch Ihr Vertrauen behalten, dass Sie uns so viele Jahre geschenkt haben.
In Ihrem Fall haben wir -ausgehend von Ihrem Widerspruch in unseren Unterlagen -eine Mehrkostenermittlung seit XX.XX.200X vorgenommen, um einmal über einen längeren Zeitraum die Entwicklung des Preises darzustellen. Diese in Rechnung gestellten Mehrkosten haben wir mit der Höhe der durch Sie gekürzten Beträge in Höhe von XXX,XX € verglichen. Deutlich geworden ist hierbei, dass die Höhe Ihrer vorgenommenen Kürzungen in keinem angemessenen Verhältnis zur absoluten Steigerung des Gaspreises steht. Nach unseren breiten Darlegungen im Vorfeld werden Sie sicher nachvollziehen können, dass wir bei unseren Gaspreisen lediglich eine überschaubare Marge haben , so dass Gaspreiserhöhungen ihren betriebswirtschaftlichen Grund grundsätzlich in gestiegenen Bezugskosten haben.
Gemeinsam mit Ihnen möchten wir nunmehr eine für beide Seiten befriedigende und konstruktive Regelung erzielen. Diese soll eine denkbare Unzufriedenheit von Ihnen mit den Gaspreisen für die Vergangenheit lösen, die verzögerte Bearbeitung auf unserer Seite berücksichtigen und gleichzeitig uns als Geschäftspartner gemeinsam optimistisch in die Zukunft blicken lassen.
Aus diesem Grund machen wir Ihnen -ohne Präjudiz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ¬folgendes Angebot:

Ausgehend von dem aktuellen Rückstand Ihres Kundenkontos in Höhe von xxx,xx € wird Ihrem Kundenkonto ein Betrag in Höhe von xxx,xx € /2 gutgeschrieben, so dass sich der Rückstand entsprechend verringert.
Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie mit diesem Vorschlag einverstanden wären. Zur Dokumentation Ihres Einverständnisses senden Sie uns bitte beiliegende Erklärung unterschrieben zurück.
In Kürze senden wir Ihnen Unterlagen zur Aktualisierung Ihres Vertrages zu. Hierüber werden neue und für Sie günstige Vorgaben der aktuellen Rechtsprechung zum Inhalt von Gaslieferverträgen in das zwischen uns bestehende Vertragsverhältnis eingepflegt.
Für Rückfragen steht Ihnen der Rechtsunterzeichner gerne zur Verfügung.

VERGLEICHENDE VEREINBARUNG
1.
Die Parteien sind über einen Gasversorgungssondervertrag miteinander verbunden.
2.
In der Vergangenheit haben Frau Y und Herr X gegen Preisanpassungen Gas Widerspruch erhoben.
3.
Zur Klärung und abschließenden Behandlung kommen die Parteien überein wie folgt: SWH schreibt dem Kundenkonto von Frau Y und Herr X ohne Präjudiz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht einen Betrag in Höhe von xxx,--€ brutto gut, so dass sich der bestehende Rückstand auf dem Kundenkonto entsprechend verringert.
Damit sind alle denkbaren wechselseitigen Ansprüche und Streitigkeiten der Parteien aus angeblich überhöhten Gaspreisen seitens SWH abgegolten und erledigt, gleichviel aus welchem tatsächlichen oder rechtlichen Grunde, seien sie bekannt oder unbekannt, hierüber korrespondiert oder nicht, entstanden oder nicht entstanden.
4.
Die Parteien verpflichten sich, über den Inhalt dieses Vergleichs und den zugrundeliegenden Streitgegenstand Stillschweigen zu bewahren.“

Offline bolli

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Vergleichende Vereinbarung
« Antwort #1 am: 28. September 2010, 13:52:20 »
Tja, da wird mit viel Text versucht, Ihnen Honig ums Maul zu schmieren.

Wenn Sie sich hier: Urteil OLG Frankfurt 11 U 61/07 v. 05.05.2009 das Urteil mal anschauen, werden Sie schnell erkennen, dass das OLG Frankfurt der Klage wegen unwirksamer Preisanpassungsklausel stattgegeben hat.
Entscheidend in Sonderverträgen ist immer, ob in einen solchen Vertrag eine Preisanpassungsklausel einbezogen wurde, und wenn ja, ob diese auch wirksam ist. Es bestreitet niemand, dass Preisanpassungen zulässig sind, wenn sie wirksam einbezogen und gültig sind, sie müssen nur den rechtlichen Vorgaben entsprechen. Und das haben die große Mehrheit der entsprechenden Klauseln in der Vergangenheit nicht getan, wenn sie denn überhaupt wirksam in den Vertrag einbezogen wurden. Der BGH hat 2008 festgestellt, dass bestimmte Formulierungen den Verbraucher unangemessen benachteiligen und daher unwirksam sind. Und in diesen Fällen ist halt keine Preisanpassung des Versorgers möglich, wenn der Verbraucher nicht zustimmt.

Von daher sind Preisanpassungen in solchen Verträgen in jedem Fall ab einem Zeitpunkt des Widerspruchs gegen solche Preisanpassungen unwirksam. Viele Rechtsgelehrte sind sogar der Meinung, dass bei solch einer unwirksamen Preisanpassungsklausel gar nur der zu Vertragsbeginn vereinbarte Preis als gültiger Preis anzusetzen ist. Dieses bestätigt auch die letzte Rechtsprechung des BGH, der ebenfalls ausführt, dass eine Zahlung der Rechnung nicht automatisch das Einverständnis zu einem höheren Preis beinhaltet, wie es die Versorger mittlerweile teilweise gerne darstellen.

Bei diesen Überlegungen kommt es übrigens nicht darauf an, ob die Preise irgendwo auf dem Markt steigen oder fallen und/oder ob der Versorger da Geld zuschießt oder ob gar eine (vom Versorger beauftragte) Wirtschaftsprüfungskanzlei die Angemessenheit der neuen Preise bestätigt. Wenn die Preisanpassungsklausel unwirksam ist, hat er schlicht kein Recht auf eine Preiserhöhung. Das hat Ihr Versorger übrigens wohl auch erkannt, weshalb er Ihnen schon mal einen neuen Vertrag ankündigt. Er formuliert das nett mit \"Hierüber werden neue und für Sie günstige Vorgaben der aktuellen Rechtsprechung zum Inhalt von Gaslieferverträgen in das zwischen uns bestehende Vertragsverhältnis eingepflegt.\" Günstiger für Sie ist aber erstmal Ihr bestehendes Vertragsverhältnis, da Sie weiterhin nur die \"alten Preise\"  bezahlen müssen. Mit dem neuen Vertrag erkennen Sie nämlich dann auch die dann gültigen Preise (die meist höher als Ihr Widerspruchspreis sind) erstmal an.

Ich sehe also in dem Angebot des Versorgers kein \"günstiges Angebot\" und würde von der bisherigen Linie nicht abweichen. Wie schon erläutert: Theoretisch könnten Sie sogar im Extremfall weitere Nachforderungen auf Rückzahlungen an den Versorger auf Basis der Vertragsanfangspreise stellen.

Letztlich müssen Sie selbst entscheiden, ob Sie sich noch weiter mit Ihrem Versorger \"rumschlagen\" wollen, jedoch sollten Sie sicher sein, dass dieser auf Sie keine Rücksicht bei seiner Preisgestaltung nimmt, wenn Sie mal \"in der Zwickmühle\" sind. Die erhöhen fleissig weiter, auch wenn die Preise andernorts fallen, dann werden halt irgendwelche dubiosen Begründungen vorgeschoben, mal Langfristverträge, mal Marktsituation oder was auch immer. Schauen Sie sich mal die Gewinne der Versorger an, dann wissen Sie, wieviel Rücksicht die nehmen.
In Ihrem Fall empfiehlt sich im Elektronischen Bundesanzeiger hier: elektronischer Bundesanzeiger die suche nach Ihren Stadtwerken und ein Blick in die Jahresabschlüsse 2006 bis 2008 und dort unter \"Gewinn und Verlustrechnung\" unter \"16. Aufgrund eines Gewinnabführungsvertrages abzuführender Gewinn\" sich die Zahlen mal anzuschauen. Da staunt man nicht schlecht, ohne das, was noch zwischendrin \"verborgen\" ist.

Offline RR-E-ft

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Vergleichende Vereinbarung
« Antwort #2 am: 28. September 2010, 17:14:42 »
Der Gasversorger sagt, es bestünde ein Sondervertrag.
Daraus ergibt sich Folgendes:

Für die Wirksamkeit jedweder einseitiger  Preisänderungen nach Vertragsabschluss bedurfte es dann der wirksamen Einbeziehung (§ 305 Abs. 2 BGB) einer wirksamen Preisänderungsklausel (§ 307 BGB).

Wurden die Bestimmungen der AVBGasV/ GasGVV und auch sonst keine Preisänderungsklausel in den Vetrag einbezogen, weil der Kunde diese vor Vertragsabschluss nicht zur Kenntnis gebracht erhielt und er sich bei Vertragsabschluss oder später nicht mit der Einbeziehung einverstanden erklärte

OLG Oldenburg, Urt. v. 12.02.10 Az. 6 U 164/09 - Fehlende Einbeziehung der AVBGasV als AGB (GEW)

so gilt, ohne dass es auf Preiswidersprüche ankäme, der ursprünglich der bei Vertragsabschluss vereinbarte Gaspreis weiter. Der Lieferant wäre dann grundsätzlich bis zur ordenungsgemäßen Kündigung des Vertrages verpflichtet, zu diesem ursprünglich vereinbarten Gaspreis weiter zu liefern:

OLG Koblenz, Urt. v. 02.09.10 Az. U 1200/09 Kart. - Folgen unwirksamer Preisänderungsklausel (GVW)

Das Vergleichsangebot ist nicht geeignet, den Streit zu beenden, insbesondere, da nicht klar ist, ob der Lieferant nunmehr im Vertrag ein Preisänderungsrecht hat und zu welchen Preisen die aktuellen Lieferungen zu erfolgen haben.

Offline bolli

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Vergleichende Vereinbarung
« Antwort #3 am: 29. September 2010, 07:28:39 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Das Vergleichsangebot ist nicht geeignet, den Streit zu beenden, insbesondere, da nicht klar ist, ob der Lieferant nunmehr im Vertrag ein Preisänderungsrecht hat und zu welchen Preisen die aktuellen Lieferungen zu erfolgen haben.
Na, vielleicht möchte der Versorger mit diesem Passus
Zitat
Damit sind alle denkbaren wechselseitigen Ansprüche und Streitigkeiten der Parteien aus angeblich überhöhten Gaspreisen seitens SWH abgegolten und erledigt, gleichviel aus welchem tatsächlichen oder rechtlichen Grunde, seien sie bekannt oder unbekannt, hierüber korrespondiert oder nicht, entstanden oder nicht entstanden.
auch zukünftige eventuelle Forderungen abwehren, soweit sie sich auf Gaspreise beziehen. Man meint vielleicht, damit die aktuellen Preise nehmen zu dürfen und der Kunde hat keine Berechtigung zur Preisrüge.
Außerdem ist natürlich noch der neue Vertrag angekündigt, der (aus Sicht des Versorgers) eventuelle Mängel im alten Vertrag beheben sollte (natürlich nur zum Wohle des Kunden ;) ).

Das dem mitnichten immer so ist, wissen wohl die meisten inzwischen.

Offline Quickly

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Vergleichende Vereinbarung
« Antwort #4 am: 30. September 2010, 09:56:22 »
Wow,

Danke für die schnellen Infos. Ich tendiere auch dazu weiter zu kämpfen.

 

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