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Autor Thema: Rechtsstreit Landgericht Gießen  (Gelesen 4608 mal)

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Offline mathaub

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Rechtsstreit Landgericht Gießen
« am: 06. September 2010, 18:58:04 »
Rechtsstreit 6 0 21/10 LG Gießen -KfH-

Das LG Gießen führt vor der Kammer für Handelssachen einen Rechtstreit der Stadtwerke Bad Nauheim gegen einen Versorgungsnehmer auf Entgelte aus der Gasversorgung. Die erste mündliche Verhandlung fand statt am 31.08.2010

1.
Nach Wertung des Gerichts liegt kein Sondervertragsverhältnis vor. Die dreistufig abgestufte Tarifstruktur der Stadtwerke Bad Nauheim GmbH zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit einer verbrauchergünstigen Einstufung durch den Versorger sei nicht ausreichend für die Annahme eines Sondervertragsverhältnisses. Dies trotz Vorliegen anderweitiger Urteile. Die Kammer will dem nicht folgen.  Die Sondervertragsproblematik ist in diesem Fall tatsächlich nur begründbar mit der verbrauchsabhängigen Einstufung. Weitere Indizien zur Sondervertragsproblematik sind im vorliegenden Fall nicht vorhanden anders als in vielen anderen Fällen. Es wird nirgendwo der Begriff „Sonderpreis“ oder „Sondervertrag“ oder „Versorgung außerhalb der Grundversorgung“ benutzt.

2.
Das Gericht ist der Ansicht, daß ein Teil der Klageforderung verjährt sein könnte, wenn gegen eine Verrechnungsbestimmung des Beklagten zu seinen Zahlungen in 2006 verstoßen wurde. Dies deshalb, weil Zahlungen aus 2006 auf die Jahresrechnung 2005 verbucht wurden, die damit ausgeglichen wurde.

3.
Erfreulicherweise geht die Kammer für Handelssachen jedoch davon aus, daß eine umfassende Billigkeitskontrolle aller gegenüber dem Versorgungsnehmer ausgesprochenen Preisänderungen stattzufinden hat für den Zeitraum ab 01.01.2005.
Damit ist der am 01.01.2005 abgerechnete Preis der Sockelpreis, der nach Auffassung des Landgerichtes keiner Billigkeitsüberprüfung unterliegt, allerdings alle danach erfolgten Preisänderungen.

4.
Zum Umfang der Billigkeitsüberprüfung wird das Gericht der Argumentation des Versorgungsnehmers  folgen und alle Preisbestandteile auf ihre Billigkeit überprüfen lassen. Die Gegenseite wird auch, bezogen auf die Gassparte, ihre Kosten- und Aufwandssituation darlegen müssen. Auch die Zeitpunkte der Weitergabe von Preiserhöhungen oder Preissenkungen in Relation zu den Preisänderungen aus dem Vorlieferantenverhältnis werden überprüft. Erfreulicherweise will das Gericht auch die Frage der Quersubventionierung überprüfen.

5.
Hierzu sieht sich die Kammer selbst nicht in der Lage, sondern wird ein Sachverständigengutachten einholen. Die Klägerin ist beweisbelastet und vorschussverpflichtet für das Sachverständigengutachten. Es wird wohl eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit dieser Überprüfung beauftragt. Da sämtliche Wirtschaftsprüfungsgesellschaften für die Versorgungswirtschaft arbeiten, wird die Auswahl schwer.

06.09.2010
mathaub

 

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