Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Konkludenter Vertragsabschluss von Sonderverträgen, Einbeziehung der AVBGasV

<< < (9/13) > >>

tangocharly:

--- Zitat ---@courage
Sollte die Kündigung rechtmäßig erfolgt sein, ergibt sich folgende Problemstellung: Belieferung des Kunden in der Grundversorgung ab 01.01.2008, jedoch Billigkeitsrügen bereits ab 2005.  Was ist nun der angeblich \"vereinbarte Preis\", also der sogenannte \"Preissockel\"? Zur Auswahl stehen der Preis zum 31.05.2005 oder der Preis zum 01.01.2008. (Dazwischen liegen 5 Preiserhöhungen und 3 Preissenkungen.)
--- Ende Zitat ---

Da haben wir also das praktische Beispiel.

Mit ein wenig gutem Willen kann man Ihren Widerspruch vielleicht umfassend auslegen (oder mit viel schlechtem Willen auch eng).

Wenn Ihnen zum 31.12. gekündigt wurde, dann stand ja noch während der Gasentnahme außerhalb der Allg.Versorgung genügend Zeit im Raum, einer künftigen Gasentnahme innerhalb der allg. Versorgung gesondert zu widersprechen. Da der VIII. Senat ja den einmal erklärten Widerspruch auch nicht ausreichen läßt, sondern immer wieder neue Widersprüche fordert, im zeitlichen Zusammenhang mit der Jahresabrechnung, wäre diese Aktivität aus Gründen der Sicherheit zu empfehlen.

Schauen wir jetzt auf die Argumentation @ Black, dann hängt dieser Widerspruch wirkungslos im Raum. So argumentiert, werden Sie zunächst in das \"Gefängnis\" des Sockelpreises gelockt und dürfen dann, so auch der VIII. Senat, fröhlich und munter gegen alle späteren Anpassungen protestieren, natürlich nur außerhalb des Sockels; bis dieses Spiel allen Beteiligten \"zum Halse heraus hängt\".

Bis dahin sehe ich allerdings auch noch keine Lösung der Problematik. Folglich müssten Sie den Erstversuch wagen, das Gericht in Ihrem Fall mit einer solchen Thematik zu konfrontieren.

Black:

--- Zitat ---Original von tangocharly

Schauen wir jetzt auf die Argumentation @ Black, dann hängt dieser Widerspruch wirkungslos im Raum. So argumentiert, werden Sie zunächst in das \"Gefängnis\" des Sockelpreises gelockt und dürfen dann, so auch der VIII. Senat, fröhlich und munter gegen alle späteren Anpassungen protestieren, natürlich nur außerhalb des Sockels; bis dieses Spiel allen Beteiligten \"zum Halse heraus hängt\".
--- Ende Zitat ---

Niemand (außer dem Versorger selbst) ist gezwungen einen Grundversorgungsvertrag abzuschließen. Schon gar nicht, wenn einem die Preise dort nicht passen.

RR-E-ft:

--- Zitat ---Original von Black
Ich würde den Geschäftsführer der Stadtwerke zunächst fragen, warum er fast 3 Jahre lang darauf verzichtet hat, seine Preise azu erhöhen und damit eine sinkende Marge in Kauf genommen hat.

Weiterhin würde ich zunächst fragen, ob er gegenwärtig ohne Preisanpassungen noch immer Gewinn macht.
--- Ende Zitat ---

Der Techniker hat den Job gerade \"geerbt\", weil der Vorgänger trotz drastisch gestiegener Bezugskosten die Preise nicht erhöht hatte und die Marge erheblich darunter litt. Er hat davon gehört, dass bei rückläufigen Kosten und eineseitigem Leistungsbestimmungsrecht eine Verpflichtung zur Preisabsenkung bestehen kann, das In- Rechnung - Stellen unbilliger Tarife sogar eine Betrugsstrafbarkeit begründen könne.

Er will seinen Job nicht auch verlieren und wandte sich deshalb an den Spezialisten mit vier Problemstellungen zu dem Problemkunden:

1. drastische Kostenerhöhung vor Vertragsabschluss in der Grundversorgung,
2. drastische Kostensenkung vor Vertragsabschluss in der Grundversorgung,
3. drastische Kostenerhöhung vor Vertragsabschluss bei Normsonderkunden,
4. drastische Kostensenkung vor Vertragsabschluss bei Normsonderkunden.

Er ist etwas vorgebildet und interessiert sich deshalb besonders dafür, ob das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers, von dem er weiß, dass es der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegt, etwaig durch eine Preisvereinbarung mit dem Problemkunden am 15.07.10 eingeschränkt wird. Er will wissen, welche Bedeutung einer etwaigen Preisvereinbarung vom 15.07.10 zukommt.

Aus einem früheren Beratungsstandpunkt, den Sie bereits in anderem Zusammenhang für das Unternehmen erarbeitet hatten, ist ihm leidlich bekannt, dass Preisvereinbarungen für beide Vertragsteile bindend sind und dass dann, wenn ein Vertrag zu einem nicht kostendeckend kalkulierten Preis zustande gekommen ist, eine Anfechtung auch nur allenfalls dann in Betracht kommt, wenn ein offener Kalkulationsfehler bzw. - irrtum vorliegt.
Er hat von Ihnen sogar vernommen, dass ein gesetzlicher Kontrahierungszwang nichts an den schuldrechtlichen Regeln über das Zustandekommen eines Vertrages und die vertragliche Bindung ändere.  

Wie steht es nun?


--- Zitat ---Original von RR-E-ft
@Black

Sie beantworten bezeichnenderweise die Fragen nicht, welche die Praxis aktuell quälen.
Wie sehen Ihre praktikablen Antworten dazu aus?
Darum dreht sich doch alles bei den laufenden Preisanpassungen.

Wir müssen da am Ball bleiben.

Wir wollen vor allem sehen, ob Ihre Antworten darauf für die Praxis taugen.

Auch Börner hat frühzeitig auf ein Dilemma verwiesen, welches sich aus der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenat zu Preisvereinbrungen für die energiewirtschaftliche Praxis ergibt.

Das soll hier gecheckt werden.


--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Ich habe meine Wurzeln ja auch in der Praxis der Energiewirtschaft.
Um es weniger theoretisch zu machen, beantworten Sie doch einfach eine Fragestellung aus der Praxis.

Ein Stadtwerksdirektor bittet wegen der Anpassung der Allgemeinen Preise der Grundversorgung um Rat.

Der Grundversorger hat seine Allgemeinen Preise der Grundversorgung zum 01.01.2007 zuletzt veröffentlicht. Seit dem sind die Bezugskosten bis zum 01.07.2010 erheblich gestiegen, im August nun etwas gesunken.

Bis zum 01.01.2007 wurden Kostensteigerungen und -senkungen immer zügig und umfassend an die Kunden weitergegeben.  

Darf der Versorger gegenüber einem grundversorgten Kunden, der am 15.07.10 den Grundversorgungsvertrag abgeschlossen hat, jetzt nach Vertragsabschluss wegen dieser Kostensteigerungen den Allgemeinen Preis der Grundversorgung erhöhen?

Es gab im sonst gleichen Fall nicht Kostensteigerungen, sondern vielmehr ebensolche erhebliche Kostensekungen bis 01.07.2010, im August nun etwas gestiegene Kosten.
   
Ist der Versorger gegenüber dem grundversorgten Kunden, der am 15.07.10 den Grundversorgungsvertrag abgeschossen hat, jetzt nach Vertragsabschluss wegen dieser Kostensenkungen verpflichtet, den Allgemeinen Preis der Grundversorgung abzusenken?

Ich wünsche mir nicht eine Ja/Nein- Antwort, sondern eine prägnante rechtliche Begründung.

Für den Fall, dass eine oder beide Fragen begründet mit Ja zu beantworten wäre(n):

Welche Bedeutung hat für diesen grundversorgten Kunden der Allgemeine Preis der Grundversorgung bei Vetragsabschluss am 15.07.10?!

Wie verhielte es sich - unter sonst gleichen Bedingungen - bei einem Sondervertragskunden, bei dem die Bedingungen der Grundversorgungsverordnung vollständig und unverändert wirksam als AGB in den Vertrag einbezogen wurden?
--- Ende Zitat ---

--- Ende Zitat ---

Black:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Der Grundversorger hat seine Allgemeinen Preise der Grundversorgung zum 01.01.2007 zuletzt veröffentlicht. Seit dem sind die Bezugskosten bis zum 01.07.2010 erheblich gestiegen, im August nun etwas gesunken.

Bis zum 01.01.2007 wurden Kostensteigerungen und -senkungen immer zügig und umfassend an die Kunden weitergegeben.  

Darf der Versorger gegenüber einem grundversorgten Kunden, der am 15.07.10 den Grundversorgungsvertrag abgeschlossen hat, jetzt nach Vertragsabschluss wegen dieser Kostensteigerungen den Allgemeinen Preis der Grundversorgung erhöhen?

--- Ende Zitat ---

Der Grundversorger ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es sich bei seinen Allgemeinen Tarifen um Tarife handelt, die er gleichartig sämtlichen Tarifkunden in Rechnung stellt. Grundsätzlich ist es daher nicht empfehlenswert den Tarif konkret an einem einzelnen Kunden zu orientieren.

Vorliegend besteht das Problem, dass aus Sicht eines durchschnittlichen Musterkunden, der bereits seit 2007 Kunde ist, eine Preiserhöhung gerechtfertigt wäre, da es reale Kostensteigerungen gab. Generell ist also eine Preisanpassung zulässig. Das Kostensteigerungen erst verzögert weitergegeben wurden ist unproblematisch, da die Rechtsprechung bez. des Zeitmomentes nur zeitnahe Kostensenkungen verlangt. Verzögerte Erhöhungen, die zu Lasten des Versorgers gehen führen nicht zu zusätzlichen Gewinnen des Versorgers und dürften daher der Billigkeit entsprechen.

Problematisch ist der Kunde, der erst zum 15.07.2010 neu als Vertragspartner hinzugekommen ist. Preisanpassungen würden auf Kostensteigerungen beruhen, die vor seinem Vertragsabschluss eingetreten sind. Fraglich ist daher, ob eine Anpassung auch diesem unden gegenüber gerechtfertigt sein kann.

Bislang hatte die Rechtsprechung über einen solchen Fall nicht zu entscheiden. Unter Beachtung der bisherigen Grundsätze des BGH dürfte innerhalb des Vertrages das Äquivalenzverhältnis nicht mehr zu Lasten des Kunden verschoben werden.

Allerdings ist dem entgegenzuhalten, dass die Billigkeitskontrolle eine Ermessensentscheidung darstellt. Hierbei ist zu beachten, dass der Versorger seine Allgemeinen Tarife nicht nach Kundengruppen splitten kann. Andernfalls bestände die Gefahr, dass derartige Extrapreise als Sondervereinbarung ausgelegt werden, da die Preise der Belieferung einzelner Kunden dann vom Rest der allg. Tarife abweicht. Zudem hat auch der Kunde, der am 15.07.2010 einen Grundversorgungsvertrag abgeschlossen hat, davon profitiert, dass der Versorger seine Preisanpassungen mit starker Verzögerung weitergibt. Er hat nämlich einen günstigeren Einstiegspreis erhalten, als wenn der Versorger immer zeitscharf seine Preise angehoben hätte.

Dem möglichen Argument des Kunden, bei Kenntnis der verzögerten Erhöhungen und damit der drohenden Anpassung hätte er den vermeintlich günstigen Tarif nicht abgeschlossen kann mit dem Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht nach § 5 Abs. 3 GVV begegnet werden, wonach für den Kunden bis zum Wechsel die Anpassungen keine Wirkung entfalten.

Es besteht damit ein Risiko, dass ein Gericht im Falle des Kunden vom 15.07. im Einzelfall einen unbilligen Preis unter strenger Auslegung der BGH Rechtsprechung annimmt.  Im Rahmen einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung sollte der Preis gleichwohl angepasst werden.

RR-E-ft:
@Black

Danke für die Antwort.

Ihren Ausführungen habe ich entnommen, dass eine Preisvereinbarung vom 15.07.10 das der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegende einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers in einem konkreten Vertragsverhältnis nicht beeinflussen soll?

Wäre eine solche  Preisvereinbarung für den Kunden demnach hinsichtlich der Belieferung nach Vertragsabschluss wertlos?

Die Fragestellung bezog sich einmal auf grundversorgte Kunden und einmal auf Normsondervertragskunden und dabei wiederum jeweils nicht nur auf drastisch gestiegene Bezugskosten vor Vertragsabschluss, sondern auch auf drastisch gesunkene Bezugkosten vor Vertragsabschluss.

Wie steht es damit? [Bitte BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18 beachten]

Wäre bei drastisch gesunkenen Bezugkosten eine solche Preisvereinbarung etwa für den Versorger wertlos?

Haben Preisvereinbarungen in diesem Bereich dann überhaupt einen Wert?
Wenn ja für wen und welchen?

§ 315 BGB bezieht sich auf einzelne Vertragsverhältnisse.
Eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung ist der gerichtlichen Billigkeitskontrolle fremd.

Gesamtwirtschaftlich ist es nämlich belanglos, ob der Verbraucher oder der Versorger das Geld in die Tasche bekommt bzw. in dieser behält.
(Gelderhaltungssatz: Geld ist durch Zahlung nie weg, es haben immer nur die anderen).

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