Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Konkludenter Vertragsabschluss von Sonderverträgen, Einbeziehung der AVBGasV

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tangocharly:
Das hatte der Kartellsenat (Tz. 9 u. 10) aber auch wirklich griffig argumentiert:


--- Zitat ---Der \"bereits bekannte Tarif\" ist nichts anderes als die auf einen bestimmten Zeitraum bezogene Preisforderung der Beklagten. Damit steht schließlich auch in Einklang, wenn das Landgericht die Beklagte nach der vertraglichen Vereinbarung für berechtigt erachtet, das Netznutzungsentgelt, wie sie für sich in Anspruch nehme, nach der Verbändevereinbarung Strom II plus, insbesondere deren Anlage 3, \"berechnen zu dürfen\". Das ist der Sache nach ein Leistungsbestimmungsrecht.
--- Ende Zitat ---
.

RR-E-ft:
Es fehlt m. E. in Bezug auf (grundversorgte) Tarifkunden an einer Abgrenzung zur Rechtsprechung des Kartellsenats KZR 36/04.


--- Zitat ---BGH KZR 36/04 Rn. 10

Das Recht des Netzbetreibers, künftige Netznutzungsentgelte ohne Mitwirkung des Netznutzers festzusetzen, kann nicht anders behandelt werden. Aber auch das zum Zeitpunkt des Vertragschlusses von dem Netzbetreiber geforderte Entgelt ist regelmäßig ein nach dem Willen der Vertragsparteien einseitig bestimmtes Entgelt, das der Netzbetreiber zu bestimmten Zeitpunkten ermittelt und das - schon zur Vermeidung einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung - für eine bestimmte Zeitdauer sämtlichen Vertragsbeziehungen mit gleichen Nutzungsprofilen unabhängig davon zugrunde liegen soll, wann der Vertrag geschlossen wird. Auch dann, wenn das Entgelt betragsmäßig bereits feststellbar ist, wird - wie im Streitfall der Verweis auf die \"jeweils geltende Anlage 3\" verdeutlicht - nicht dieser Betrag als Preis vereinbart. Der Betrag gibt vielmehr lediglich das für einen bestimmten Zeitpunkt ermittelte Ergebnis des gleichen Preisbestimmungsverfahrens wieder, das dem Netzbetreiber auch für die Zukunft zustehen soll, an dem der Netznutzer nicht teilnimmt, dessen konkrete preisbestimmende Faktoren ihm nicht bekannt sind und dessen Ergebnis er weder nachvollziehen noch beeinflussen kann. Es ist daher nicht weniger einseitig bestimmt als die künftige Höhe des Entgelts. Es wäre eine künstliche Aufspaltung der äußerlich und inhaltlich einheitlichen Preisvereinbarung und führte zu Zufallsergebnissen, wollte man einen vereinbarten Anfangspreis von (vom Zeitpunkt der ersten ausdrücklich oder stillschweigend vorgesehenen Neuberechnung an maßgeblichen) einseitig bestimmten Folgepreisen unterscheiden.
--- Ende Zitat ---

Allgemeine Tarife und Allgemeine Preise der Grund- und Ersatzversorgung werden ebenso unabhängig vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses allen Vertragsverhältnissen mit gleichen Nutzungsprofilen zu Grunde gelegt, wie einseitig bestimmte Netzentgelte. Und auch dabei bestimmt der Versorger die Allgemeinen Tarife bzw. Allgemeinen Preise einseitig unter Berücksichtigung der Entwicklung aller preisbestimmenden Kostenfaktoren, die der Kunde nicht kennt und deren Ergebnis er weder nachvollziehen noch beeinflussen kann. Zur entsprechenden einseitigen Bestimmung durch den Versorger besteht sogar eine Verpflichtung (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Es wäre eine künstliche Aufspaltung der äußerlich und inhaltlich einheitlichen Preisvereinbarung und führte zu Zufallsergebnissen, wollte man einen vereinbarten Anfangspreis von (vom Zeitpunkt der ersten ausdrücklich oder stillschweigend vorgesehenen Neuberechnung an maßgeblichen) einseitig bestimmten Folgepreisen unterscheiden.

Dieser bedeutenden Erkenntnis entzieht sich der Senat in Bezug auf die Allgemeinen Tarife bzw. Allgemeinen Preise der Grundversorgung.

tangocharly:

--- Zitat ---@RR-E-ft
Zur entsprechenden einseitigen Bestimmung durch den Versorger besteht sogar eine Verpflichtung (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].
--- Ende Zitat ---

Ergänzung, damit dieser Satz nicht \"in  falsche Hälse gerät\":


--- Zitat ---Tz. 18
Aus der Bindung des Allgemeinen Tarifs an billiges Ermessen folgt, dass das Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens nach § 4 AVBGasV mit der Rechtspflicht einhergeht, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und den Zeitpunkt einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist (BGHZ 176, 244, Tz. 26; Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 28, und vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 29). Diesen Anforderungen werden die umstrittenen Preisanpassungsklauseln - jedenfalls in der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung (vgl. BGHZ 176, 244, Tz. 19) - nicht gerecht.
--- Ende Zitat ---

Anmerkung: die \"heilige Kuh\" des VIII. Senat wurde damit nicht geschlachtet, wie diese Passage zeigt, denn es wird wieder nur die Pflicht zur Anpassung abgehandelt.

Aber: natürlich besteht eine Pflicht zur (einseitigen) Bestimmung der Tarife, denn erst wenn diese veröffentlicht wurden, sind diese bindend. Dies setzt eine Bestimmung voraus und ergibt indirekt auch eine \"Pflicht zur Bestimmung\".

Und: natürlich wirkt hierbei der Abnehmer nicht mit (wie sollte auch, sonst wäre er ja Sonderkunde).

Apropos (1): Gibt es denn auch schon Fälle, in denen der Abnehmer bereits vor der Gasentnahme seinen Unbilligkeitswiderspruch nach § 315 Abs. 3 BGB gesetzt hat ? Und wie soll dann der Anfangspreis geprüft werden, wenn dieser nicht vereinbart ist/ als vereinbart gilt ? (Hosen runter ??).

Apropos (2): Der Abnehmer erklärt nicht nur seinen Widerspruch sondern auch noch seine umgehende, fristgerechte Kündigung. Seinen Widerspruch erstreckt der Abnehmer bereits vorsorglich auf die Einstufung gem. § 38 EnWG. Der Ersatzversorgung kann das EVU ja nicht entgehen. Mit der Unwirtschaftlichkeit kann das EVU auch nicht kommen, denn der Abnehmer hat ja Anspruch auf Versorgung im Rahmen von §§ 1 u. 2 EnWG. Die genannten Bestimmungen stehen der Annahme von Unwirtschaftlichkeit im Wege, soll daraus nicht ein Zirkelschluß werden.

Wenn der Verballhornung der Privatautonomie auf anderem Wege nicht zu entrinnen ist, dann muß dem eben mit der restlichen verbleibenden Sequenz an Privatautonomie begegnet werden.

Black:

--- Zitat ---Original von tangocharly

Apropos (1): Gibt es denn auch schon Fälle, in denen der Abnehmer bereits vor der Gasentnahme seinen Unbilligkeitswiderspruch nach § 315 Abs. 3 BGB gesetzt hat ? Und wie soll dann der Anfangspreis geprüft werden, wenn dieser nicht vereinbart ist/ als vereinbart gilt ? (Hosen runter ??).

Apropos (2): Der Abnehmer erklärt nicht nur seinen Widerspruch sondern auch noch seine umgehende, fristgerechte Kündigung. Seinen Widerspruch erstreckt der Abnehmer bereits vorsorglich auf die Einstufung gem. § 38 EnWG. Der Ersatzversorgung kann das EVU ja nicht entgehen. Mit der Unwirtschaftlichkeit kann das EVU auch nicht kommen, denn der Abnehmer hat ja Anspruch auf Versorgung im Rahmen von §§ 1 u. 2 EnWG. Die genannten Bestimmungen stehen der Annahme von Unwirtschaftlichkeit im Wege, soll daraus nicht ein Zirkelschluß werden.
.
--- Ende Zitat ---

Zu 1.) Wer vor der Gasabnahme erklärt, er akzeptiere den Preis nicht und dann gleichwohl eine Vorleistung des EVU in Anspruch nimmt verhält sich widersprüchlich. Der Widerspruch ist dann unbeachtlich. Das ist in ungefähr so, als wenn ich an der Tankstelle erklären würde, den einseitig festgesetzten Benzinpreis nicht zu akzeptieren und dann gleichwohl beginne meinen Tank zu füllen.

Zu 2.) Wurde hier schon diskutiert. Ich halte § 315 BGB für nicht anwendbar, da § 315 BGB \"Vertragsschließende\" voraussetzt. Bei der Ersatzversorgung gibt es aber gerade keinen Vertrag.

RR-E-ft:
Legt man die Rechtsprechung KZR 36/04 Rn. 9, 10 - zutreffend - auch auf Allgemeine Tarife und Allgemeine Preise der Grund- und Ersatzversorgung zu Grunde, so gibt es dabei gerade keinen vereinbarten Anfangspreis.

Durch die öffentliche Bekanntgabe geänderter Preise werden diese auch nicht verbindlich (bindend), sondern nach der gesetzlichen Regelung frühestmöglich wirksam.

Eine Bindung besteht dabei nur insoweit, als es sich bei der öffentlichen Bekanntgabe um die unwiderrufliche Willenserklärung (-entäußerung) des Versorgers handelt, mit welcher dieser sein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 2 BGB ausübt. Ob diese einseitige Bestimmung dann für die Kunden überhaupt wirksam und verbindlich ist, richtet sich indes nach der gesetzlichen Regelung des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Der Versorger ist verpflichtet, bei rückläufigen Kosten die Preise zugunsten der Kunden nach gleichen Maßstäben anzupassen, also zur entsprechenden Leistungsbestimmung verpflichtet (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18]. Bei Kostenerhöhungen ist er zur einseitigen Preiserhöhung berechtigt (VIII ZR 36/06). Der Kunde kennt die maßgebliche Kostenentwicklung des Versorgers nicht und weiß deshalb auch nicht, ob der Versorger bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses berechtigt ist, die Preise zu erhöhen oder aber verpflichtet ist, die Preise abzusenken. Die maßgebliche Kostenentwicklung hat mit dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nichts zu tun, weshalb sie auch schon vor Vertragsabschluss liegen kann.

Bei einem vereinbarten Sonderpreis mit Preisänderungsklausel ist das vollkommen anders. Dort geht es nämlich nur um Kostenänderungen, die nach Vertragsabschluss liegen. Gegenüber Sondervertragskunden kann der Versorger eine Preiserhöhung also nicht mit Kostensteigerungen begründen, die bereits vor Vertragsabschluss eingetreten waren oder die er bei Vertragsabschluss schon erkennen und in den Angebotspreis einkalkulieren konnte.

Grundversorgte Kunden sind vor einer Preiserhöhung wegen vor Vertragsabschluss eingetretener Kostenerhöhungen jedenfalls nicht gefeit.
Allein deshalb ist  m. E. die Situation bei Sonderverträgen und bei (grundversorgten) Tarifkunden tatsächlich und auch rechtlich nicht vergleichbar.  

Jedenfalls soll der Versorger bei einer Belieferung im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht nach Vertragsabschluss die Preise durch einseitige Festsetzung bestimmen.

Nach dem Parteiwillen soll der Versorger demnach nach Vertragsabschluss die vom Kunden vertraglich geschuldete Leistung (durch öffentliche Bekanntgabe der Preisfestzsetzung, an welcher der Kunde nicht teilnimmt und deren Ergebnis er nicht nachvollziehen kann) einseitig bestimmen, nämlich entsprechend seiner Kosten der Billigkeit entsprechend.

Bereits die öffentliche Bekanntgagbe Allgemeiner Tarife gem. § 10 Abs. 1 EnWG bzw. Allgemeiner Preise der Grund- und Ersatzversorgung gem. § 36 Abs. 1 EnWG kann als einseitige Leistungsbestimmung gesehen werden (analog BGH KZR 36/04 Rn. 9 f.). Es besteht eine gesetzliche Verpflichtung, entsprechende Allgemeine Tarife bzw. Allgemeine Preise öffentlich bekannt zu geben. Bevor der Versorger sie bekannt geben kann, muss er sie denknotwendig (ohne Mitwirkung der Kunden) einseitig bestimmen.

Das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht bezieht sich also wohl schon auf die öffentliche Bekanntagabe Allgemeiner Tarife bzw. Allgemeiner Preise der Grund- und Ersatzversorgung (vor Vertragsabschluss).  

Bei der Ersatzversorgung gibt es keinen vertraglich vereinbarten Preis. Es gibt per definitionem noch nicht einmal einen Vertrag, auf dessen Grundlage die Belieferung erfolgt.  Es besteht nur ein gesetzliches Preisbestimmungsrecht des Versorgers. § 315 BGB kommt auch auf gesetzliche Leistungsbestimmungsrechte zur Anwendung (BGH VIII ZR 36/06). Das hat Black wohl immer noch nicht verinnerlicht.

An der Tankstelle stellt sich wohl allenfalls  bei einem Tankvorgang, der über Tage und Wochen andauert, die Frage, ob der Tankstellenpächter oder dessen übergeordnetes Organ den Preise für den langfristig gezapften Treibstoff einseitig bestimmen darf. Möglicherweise ist der gerade angezeigte Preis für den benötigten Kraftsoff das bestimmende Moment für den Entschluss, gerade diese Tankstelle anzufahren und dort zügig zu tanken. Das lässt sich mit Dauerschuldverhältnissen über leitungsgebundenen Energiebezug wahrlich nur schwer vergleichen. Der Tankstellenbetreiber unterliegt auch schon keinem gesetzlichen Kontrahierungszwang. Gehört er etwa zur bundesweiten Preisprotest- Bewegung und erkennt er in dem Tankwilligen einen Interessenvertreter der Strom- oder Gaswirtschaft, kann er ihn des Platzes verweisen und weiterwinken.

Vergleichen lässt sich hingegen die Situation eines Netznutzers gegenüber der Preisfestsetzung eines einem gesetzlichen Kontrahierungszwang unterliegenden Netzbetreibers mit der Situation eines grund- bzw. ersatzversorgten Kunden gegenüber der Preisfestsetzung eines einem gesetzlichen Kontrahierungszwang unterliegenden Grundversorgers. Beide Male hat der gesetzlich Kontrahierungspflichtige die Entgelte für seine Leistungen einseitig zu bestimmen und zwar unter Berücksichtigung energiewirtschaftsrechtlicher Bestimmungen, also auch der Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG (vgl. auch BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43, VIII ZR 314/07 Rn. 27).

Da sieht es an den Tankstellen doch deutlich anders aus.

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