Energiepreis-Protest > Stadtwerke Erfurt

Schreiben an Versorgeranwälte der Stadtwerke wegen Sonderabkommen Gas

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RR-E-ft:
Sehr geehrter Herr Kollege,

wie soeben telefonisch besprochen anbei die \"Bedingungen für Sonderabkommen über die Lieferung von Erdgas an Haushalte und Gewerbe\" der Stadtwerke Erfurt Gasversorgung GmbH. Deren Ziff. 2.6. verweist auf \"Ergänzende Bestimmungen der Stadtwerke Erfurt Gasversorgung GmbH zur AVBGasV\".

Letztere - ebenfalls anbei - enthielten in der seit 1.Mai 1993 gültigen Fassung unter \"G. Preisanpassung\" eine ganz besondere Preisanpassungsklausel, die sich nach der Rechtsprechung des BGH jedenfalls als unwirksam erweist (BGH KZR 2/07, VIII ZR 56/08].

Die Existenz dieser besonderen AGB der Stadtwerke Erfurt Gasversorgung GmbH für die Sonderabkommen über die Belieferung mit Erdgas an Haushalte und Gewerbe muss auch von Ihnen in den laufenden und zukünftigen Verfahren beachtet werden.

Nicht ausgeschlossen werden kann deshalb wohl, dass bisherige Entscheidungen wegen wahrheitswidrigen Vortrages der Stadtwerke zur jeweiligen Vertragssituation der Kunden auf Prozessbetrug gründen können.

Dies betrifft insbesondere die Verfahren LG Erfurt, Urt. v. 11.04.2008, Az. 2 S 400/06; LG Erfurt, Urt. v. 18.02.2010, Az. 1 S 337/08; AG Erfurt, Urt. v. 09.06.2010 Az. 14 C 2285/09; AG Erfurt, Urt. v. 12.05.2010, Az. 11 C 2264/08.

Dort wurde - soweit ersichtlich - von den Stadtwerken stets behauptet, es habe für die Belieferung von Haushaltskunden mit Erdgas in Sonderabkommen keine besonderen Vertragsbedingungen gegeben, die von den Bedingungen der AVBGasV abwichen. Das Gegenteil ist richtig, was durch die Existenz der nun hier bekannt gewordenen entsprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Stadtwerke Erfurt Gasversorgung GmbH eindeutig belegt wird.

Der Vortrag wurde bedauerlicherweise auch über Ihre Kanzlei in die Verfahren eingeführt, die möglicherweise als Werkzeug benutzt wurde, um den Ausgang der jeweiligen Prozesse entsprechend zu beeinflussen.

Wäre den Gerichten die Verwendung entsprechender Allgemeiner Geschäftsbedingungen der Stadtwerke Erfurt Gasversorgung GmbH zu \"Sonderabkommen über die Lieferung von Erdgas an Haushalte und Gewerbe\" bekannt gewesen, hätten die entsprechenden Prozesse wohl anders ausgehen müssen (BGH VIII ZR 327/07, VIII ZR 6/08, VIII ZR 246/08].

Dies ist den Stadtwerken Erfurt spätestens seit Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29.04.2008, Az. KZR 2/07 bekannt.

Gegen das Urteil des AG Erfurt v. 12.05.2010 Az. 11 C 2264/08 sowie den Beschluss vom 22.06.2010 über die Zurückweisung der Gehörsrüge gem. § 321a ZPO wurde Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht eingelegt. Die Geschäftsstelle des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts bestätigte deren Eingang. Die Verfassungsbeschwerde ist unter dem dortigen Aktenzeichen 1 BvR 2049/10 eingetragen.  

   
Freundliche kollegiale Grüße


Rechtsanwalt

DieAdmin:
Hallo Herr Fricke,

da hab ich mal ne Frage:

Können die angebenen Verfahren wegen dem wahrheitswidrigen Vortrages wieder aufgenommen werden?
Oder was wäre für die an den Verfahren beteiligten Kunden an rechtlichen Schritten noch möglich?

RR-E-ft:
Rechtskräftige Entscheidungen könnten gem. §§ 578, 580 Nr. 4 ZPO auf Restitutionsklage und Wiederaufnahme aufgehoben werden, wenn sich in einem Strafverfahren etwa erweisen sollte, dass die rechtskräftigen Entscheidungen darauf gründen, dass unter Verletzung der Wahrheitspflicht des § 138 ZPO die Erklärungen der Partei nicht der Wahrheit entsprachen oder unvollständig waren, was einen Prozessbetrug gem. § 263 StGB begründen würde.

Wenn ein Prozessbetrug feststeht, kommt mithin eine Restutionsklage in Betracht. In einem solchen Falle bestünden zudem Schadensersatzansprüche. Denn die Betroffenen wären dann so zu stellen, wie sie stehe würden, wenn es den festgestellten Pozessbetrug nicht gegeben hätte.

Zunächst müsste jedoch festgestellt werden, dass in den Prozessen bewusst \"mit gezinkten Karten gespielt\" wurde und die Urteile darauf gründen.

Man kann sich wohl schwer vorstellen, dass die Verwendung der \"Bedingungen der Stadtwerke Erfurt Gasversorgung GmbH  für Sonderabkommen über die Lieferung von Erdgas an Haushalte und Gewerbe\" (AGB) bei den Stadtwerken Erfurt nicht bekannt war.

Aus deren Existenz und Verwendung folgt allein, dass es sich bei den Sonderabkommen mit Haushaltskunden um Sonderverträge handelte und es für die Wirksamkeit einseitiger Preisänderungen zunächst der wirksame Einbeziehung einer Preisänderungsklausel in solche Verträge bedurfte. Dies war ersichtlich schon der Stadtwerke Erfurt Gasversorgung GmbH bekannt, denn diese hatte eine entsprechende besondere Preisanpassungsklausel in Gebrauch.

Unter G.Preisanpassung hieß es: \"Die Stadtwerke sind berechtigt, bei wesentlichen und langfristigen Änderungen der Wirtschafts- und Marktlage die Preise und Entgelte angemessen zu ändern.\"

Wären mir die entsprechenden AGB früher - und nicht erst diese Woche - bekannt geworden, hätte so manches Verfahren wohl von Anfang an einen anderen Verlauf genommen. Nun habe ich die jüngsten Erkenntnisse unter anderem dem 2.Kartellsenat des Thüringer OLG Jena zur Kenntnis gebracht. Denn auch dort wurde in einem Verfahren seitens der Stadtwerke bisher (zuletzt mit Schriftsatz om 28.07.10) an dem Vortrag festgehalten, bei den Sondertarifen (Sonderabkommen) hätte es sich um die Versorgung im Rahmen der Allgemeinen Versorgungspflicht bzw. innerhalb der Grundversorgung gehandelt, es hätte bei der Belieferung von Haushaltskunden zu den Sonderabkommen keine von der AVBGasV abweichenden Bedingungen gegeben, abweichende Bedingungen seien Haushaltskunden von der Stadtwerke Erfurt Gasversorgung GmbH nicht ageboten worden...

Nun wollen wir doch mal sehen, ob jener Vortrag nicht doch noch vor dem Verkündungstermin am 01.09.2010 von den Stadtwerken bzw. deren Prozessbevollmächtigten geändert wird oder ob es womöglich zu einer Mandatsniederlegung kommt.

Lothar Gutsche:
@ RR-E-ft


--- Zitat --- Original von RR-E-ft
Nicht ausgeschlossen werden kann deshalb wohl, dass bisherige Entscheidungen wegen wahrheitswidrigen Vortrages der Stadtwerke zur jeweiligen Vertragssituation der Kunden auf Prozessbetrug gründen können.
--- Ende Zitat ---


--- Zitat --- Original von RR-E-ft
...dass unter Verletzung der Wahrheitspflicht des § 138 ZPO die Erklärungen der Partei nicht der Wahrheit entsprachen oder unvollständig waren, was einen Prozessbetrug gem. § 263 StGB begründen würde.
--- Ende Zitat ---

Es ist gut, dass Sie im Sinne Ihres Mandanten das Erfurter Urteil aufheben lassen wollen. Was mich wundert, ist Ihre Zurückhaltung, die zuständige Staatsanwaltschaft einzuschalten. Immerhin äußern Sie hier mehr als deutlich den Verdacht des Prozessbetruges. Warum zeigen Sie die verantwortlichen Geschäftsführer der Stadtwerke Erfurt Gasversorgung GmbH nicht wegen Prozessbetruges nach § 263 StGB an?  

Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de

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