Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Tarifkunde oder Sondervertragskunde?
jofri46:
Warum macht der (Grund-)Versorger das ungefragt und freiwillig? Weil er zugunsten des (Tarif-)Kunden zum billigeren \"Bestpreis\" abrechnet. Ist doch schön für den Kunden. Und da ist in der Tat nix mit Einseitigkeit, wenn sich offenbar die Verkehrssitte eingeschlichen hat, dass es keiner ausdrücklichen Annahme durch den Kunden mehr bedarf und der antragende Versorger darauf verzichtet hat (§ 151 BGB). Einmal eingefahren, kann das Spiel, auf diese Weise immer zum \"Bestpreis\" abzurechnen, fortgesetzt werden, selbst wenn sich der \"Bestpreis\" erhöht. Er wird für den Kunden immer noch günstiger sein als die Grundversorgungstarife. Eine Rückkehr zum Tarifkundenvertrag bedarf dann in der Tat der unmissverständlichen Erklärung (Kündigung) der \"Bestpreis\"-Abrechnung.
RR-E-ft:
--- Zitat ---Original von jofri46
Einmal eingefahren, kann das Spiel, auf diese Weise immer zum \"Bestpreis\" abzurechnen, fortgesetzt werden,selbst wenn sich der \"Bestpreis\" erhöht. ...Eine Rückkehr zum Tarifkundenvertrag bedarf dann in der Tat der unmissverständlichen Erklärung (Kündigung) der \"Bestpreis\"-Abrechnung.
--- Ende Zitat ---
Upps. Da erweist sich der BGH wohl deutlich als Spielverderber für den Versorger.
Die Spielregeln sind nämlich wohl folgende:
Nachdem erst einmal klar ist, dass es sich um einen Sondervertrag handelt, stellt sich nämlich sogleich die Frage, ob in diesem konkreten Sondervertrag wirksam ein Preisanpassungsrecht für den Versorger vertraglich vereinbart wurde (vgl. BGH, Urt. v. 14.07.10 Az. VIII ZR 246/08 Rn. 57 ff.).
Die Voraussetzungen einer wirksamen Einbeziehung gem. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB iVm. § 305 Abs. 2 BGB werden wohl dabei zumeist nicht vorliegen. Individuell vereinbart wurde ein Preisanpassungsrecht dabei auch nicht.
Insbesondere wurde nicht wirksam vereinbart, dass der Versorger nach Vertragsabschluss verpflichtet sein soll, den Preis einseitig zu bestimmen (vgl. BGH, Urt. v. 13.06.07 Az. VIII ZR 36/06 Rn. 32; Urt. v. 19.11.08 Az. VIII ZR 138/07 Rn. 16).
In einem solchen Fall fehlt es dann am Preisanpassungerecht des Versorgers und kommt es auf Widersprüche des Kunden nicht mehr an (vgl. BGH, aaO.).
Eine Preiserhöhung ist dem Versorger bei einem solchen Sondervertrag im laufenden Vertragsverhältnis also nicht mehr möglich (vgl. BGH, Urt. v. 11.05.11 Az. VIII ZR 42/10 Rn. 32 ff.; B. v.07.06.11 Az. VIII ZR 333/10 Rn. 2).
Deshalb schulden die betroffenen Kunden demnach regelmäßig vertraglich nur denjenigen Sonderpreis, der im Zeitpunkt des Zustandekommens des konkreten Sondervertrages galt.
Dieser wurde schließlich immerhin als vertragswesentlicher Punkt vereinbart (vgl. BGH, Urt. v. 13.06.07 Az. VIII ZR 36/06 Rn. 32; Urt. v. 19.11.08 Az. VIII ZR 138/07 Rn. 16.)
Der Versorger bleibt demnach bis zur ordentlichen Kündigung an einen solchen Sondervertrag und den dabei vereinbarten (Anfangs-) Preis gebunden.
Für entsprechende Sonderverträge eines Energieversorgers gilt, dass der Versorger mangels vertraglicher Abrede ein langjährig bestehendes Dauerschuldverhältnis nur in entsprechender Anwendung der §§ 584, 624, 723 BGB ordentlich unter Einhaltung einer Frist kündigen kann (vgl. BGH, B. v. 15.09.09 Az. VIII ZR 241/08 Rn. 6, juris).
jofri46:
Wenn aber der jeweilige Bestpreis als Sonderpreis nicht in Ausübung eines Preisanpassungsrechtes sondern jeweils als Angebot und Annahme im Rahmen des § 151 BGB daherkommt?
tangocharly:
Darüber könnte man nachdenken und sich weiter fragen, warum wohl der Gesetzgeber über § 310 BGB die Bestimmungen gem. § 308 Nr. 4 und 5 BGB aus den Angeln gehoben haben will, jedenfalls wenn es sich hierbei um energierechtliche Vertragskonstellationen handelt.
RR-E-ft:
--- Zitat ---Original von jofri46
Wenn aber der jeweilige Bestpreis als Sonderpreis nicht in Ausübung eines Preisanpassungsrechtes sondern jeweils als Angebot und Annahme im Rahmen des § 151 BGB daherkommt?
--- Ende Zitat ---
Der BGH hatte doch wohl die Frage einer sog. Bestpreiseinstufung bereits entschieden, nämlich im Urteil vom 14.07.10 Az. VIII ZR 246/08 Rn. 26, 57-59, 65 f..
Der BGH sagt wohl in st. Rspr. glasklar, dass immer dann, wenn bereits ein Sondervertrag (ohne Preisanpassungsrecht) besteht, weder dem Weiterbezug von Energie noch der widerspruchlosen und vorbehaltslosen Zahlung auf eine Verbrauchsabrechnung, die einen erhöhten Preis ausweist, überhaupt ein Erklärungsgehalt des Kunden entnommen werden kann, welcher jedenfalls Voraussetzung für eine vertragliche Neuvereinbarung wäre (vgl. BGH, Urt. v. 28.03.07 Az. VIII ZR 144/06 Rn. 20; B. v. 07.06.11 Az. VIII ZR 333/10 Rn. 2 mwN).
--- Zitat ---BGH, B. v. 07.06.11 Az. VIII ZR 333/10 Rn. 2
Die Maßstäbe, nach denen zu beurteilen ist, ob einem Gasversorgungsunternehmen gegenüber einem Normsonderkunden ein einseitiges Preisänderungsrecht zusteht, sind durch die Rechtsprechung des Senats geklärt. Insbesondere ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen bei einem Normsonderkundenvertrag (auf den das für den Tarifkundenvertrag geltende gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1, 2 AVBGasV bzw. [seit dem 8. November 2006] § 5 Abs. 2 GasGVV weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung findet, vgl. nur Senatsurteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, NJW 2011, 1342 Rn. 23; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, NJW 2011, 50 Rn. 25, zur Veröffentlichung in BGHZ 186, 180 ff. vorgesehen, und VIII ZR 327/07, RdE 2010, 384 Rn. 12; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, NJW-RR 2010, 1202 Rn. 25; jeweils mwN) von einer wirksamen vertraglichen Vereinbarung eines Preisänderungsrechts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgegangen werden kann (vgl. nur Senatsurteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO Rn. 26 ff.; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 32 ff., 38 ff.; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, aaO Rn. 17; jeweils mwN), ob beim Fehlen einer wirksamen Vereinbarung eines Preisänderungsrechts ein solches aus der ergänzenden Auslegung des Versorgungsvertrages hergeleitet werden kann (Senatsurteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO Rn. 38 f.; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 49 ff.; vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08, aaO Rn. 26 ff.; jeweils mwN) und ob in einer vorbehaltlosen Zahlung der vom Gasversorgungsunternehmen einseitig erhöhten Gaspreise durch den Kunden eine stillschweigende Zustimmung zu dem erhöhten Preis gesehen werden kann, wenn es bereits an einem wirksamen Preisanpassungsrecht des Gasversorgungsunternehmens fehlt, weil die Preisanpassungsregelung nicht Vertragsbestandteil des Sonderkundenvertrags geworden oder unwirksam ist (vgl. Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, aaO Rn. 57-59, 65 f.; vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO Rn. 40-42; jeweils mwN; vgl. hingegen für den Fall einer wirksamen Einbeziehung der AVBGasV mit dem sich hieraus ergebenden Preisänderungsrecht in den Normsonderkundenvertrag: Senatsurteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 327/07, aaO Rn. 18].
--- Ende Zitat ---
Im Zusammenhang mit § 151 BGB wird oft so viel fabuliert, dass schlicht vergessen wird, nach dem Zugang eines entsprechenden Antrags auf Neuvereinbarung zu fragen. Am Zugang eines solchen Antrags des Versorgers auf Neuvereinbarung beim Kunden fehlt es zumeist, §§ 145, 130 BGB.
Der Versorger unterbreitet in der besonderen Konstellation [dass ein Sondervertrag bereits besteht] schon regelmäßig gar keinen Antrag auf Neuvereinbarung, sondern er nimmt vielmehr im laufenden Vertragsverhältnis ein vermeintlich bestehendes einseitiges Preisanpassungsrecht für sich in Anspruch und möchte ein solches wirksam ausüben.
Ist hingegen ein Antrag des Versorgers auf Neuvereinbarung beim Kunden wirksam zugegangen, so kommt selbst § 151 BGB nicht ohne eine Annahme aus. Verzichtet wird (unter engen Voraussetzungen) lediglich auf eine ausdrückliche Erklärung der Annahme und deren Zugang.
--- Zitat ---Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat.
--- Ende Zitat ---
Es gibt keine Verkehrssitte, wonach eine inhaltliche Neuvereinbarung eines bereits bestehenden Sondervertrages ohne ausdrückliche Annahmeerklärung zustande kommt. Vielmehr gilt der Grundsatz, dass dem Schweigen im nichtkaufmännischen Verkehr gar kein Erklärungsgehalt beigemessen werden kann.
Voraussetzung für eine solche Annahme ist ferner ein entsprechendes Erklärungsbewusstsein und ein entsprechender Erklärungswille.
Auch daran fehlt es jedoch gerade den betroffenen Kunden in der besonderen Konstellation, dass bereits ein Sondervertrag besteht, auf dessen Grundlage der Leistungsaustausch bereits erfolgt.
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 28.03.07 Az. VIII ZR 144/06 Rn. 20
Konnte die Änderungskündigung der Klägerin vom 15. April 2002 aber - was revisionsrechtlich zu unterstellen ist - mangels eines bestehenden Kündigungsrechts zum 18. oder 30. April 2002 keine Wirkung entfalten, durfte die Klägerin die weitere Abnahme von Strom durch den Beklagten auch nach dem 1. Mai 2002 nicht dahin verstehen, dass er ihr Angebot auf Abschluss eines neuen Vertrages zum Allgemeinen Tarif \"local classic\" ab dem 1. Mai 2002 annehme. Zwar nimmt nach ständiger Rechtsprechung (RGZ 111, 310, 312; BGHZ 115, 311, 314; Senatsurteil vom 30. April 2003, aaO, unter II 1 a m.w.N.) derjenige, der aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt, hierdurch das Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Versorgungsvertrages konkludent an. Das gilt aber nicht, wenn zwischen den Parteien bereits ein ungekündigtes Vertragsverhältnis besteht, auf dessen Grundlage die betreffenden Versorgungsleistungen erbracht werden. Dem Schweigen des Beklagten auf das Schreiben vom 15. April 2002 sowie seiner weiteren Abnahme des Stroms kam unter diesen Umständen keine Erklärungsbedeutung zu.
--- Ende Zitat ---
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